Porträt: Déjà-vu - Der Billig-Haider

Déjà-vu: Der Billig-Haider. Die Welt des Heinz-Christian Strache. Was er glaubt.

Die Welt des Heinz-Christian Strache

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Eben erst hat Heinz-Christian Strache auf Marktplätzen seine Anhängerschaft mit Sprüchen wie diesem aufgewiegelt: „Wissts, was eine Maul- und Klauenseuche ist? Wenn osteuropäische Arbeiter im Westen arbeiten müssen, dann maulen sie, und wenn sie nicht arbeiten, dann klauen sie.“

Jetzt präsidiert er mit geschwelltem Kamm bei einer Pressekonferenz im Hotel Favorita, standesgemäß im zehnten Wiener Gemeindebezirk, wo seine Partei bei den jüngsten Landtagswahlen 20 Prozent bekommen hat, und möchte fortan „der Dorn im Auge der politischen Nomenklatura sein“.

Das kommt einem ziemlich bekannt vor, das hatten wir schon einmal.

Die Rückverwandlung vom Einpeitscher der Straße in den bei Pressekonferenzen posierenden Politiker zeitigt eine – mit vom Wahlkampfeinsatz noch hörbar heiserer Stimme vorgetragene – Suada bereits bekannter FPÖ-Sprüche: gegen die EU („Frankenstein’sches Monster“), gegen die Regierung („Lotterbett“) und gegen den ORF („Privilegienstadel“). Seit der Parteispaltung im Frühjahr 2005 bekommt auch Jörg Haider sein Fett ab („die politische Leiche wird permanent herumgeschleppt“).

Schließt man die Augen, erinnert der Tonfall frappant an Jörg Haider. Herbert Kickl, der ehemalige Redenschreiber des Kärntner Landeshauptmanns, durfte ganz prominent an der Seite Straches, seines neuen Chefs, Platz nehmen und kann vor Vergnügen kaum an sich halten.

Wandlungsfähig. Heinz-Christian Strache gibt gern den naiven Wiener, der treuherzig in die Welt blickt und vor Tatkraft schier platzen will. Seine Karriere hat er anderen Fähigkeiten zu verdanken.

Vor zwei Jahren, als auf Heinz-Christian Strache noch keiner außer ihm selbst gewettet hätte, definierte er sich als Politiker „mit klarer Gesinnung und Idealismus“. Man möge ihn doch „wie einen Fußballspieler“ betrachten, der sich innerhalb der Markierung einmal als rechter und einmal als linker Flügelstürmer oder auch in der Mitte bewege und diese „Grenzen bewusst nicht verlasse“, sagte er auf die Frage, wo er sich weltanschaulich einordne.

Straches Grenzen, das sind neben der inneren Haltung (die keiner so ganz genau kennt) wohl auch jene Paragrafen des Strafgesetzbuches, welche die Verharmlosung, Leugnung und Verherrlichung des Nationalsozialismus unter Strafe stellen.

Strache ist wandlungsfähig. Im Tagesgeschäft zieht er gegen „Wildpinkler“ vom Leder, die, wie er weiß, „meist einen Rattenschwanz von Delikten“ auf dem Kerbholz haben. Und gegen „schwarzafrikanische Prostituierte, fast alle Asylwerberinnen“, die, wie er ebenfalls weiß, „monatlich rund 3000 Euro Einnahmen verbuchen“. In der „Tangente“, der Zeitung des Ringes Freiheitlicher Jugend, sorgt er sich um die „Substanz“ mancher Kulturen, die nicht ohne Beschädigung miteinander vereinbar sind. Mal reiht er sich ein in den Fackelzug der Burschenschafter, dann sieht man ihn freilich auch beim heißen Clubbing, bei dem sich das Publikum an „Stripeinlagen und nackten Mädchen“ delektieren durfte, wie die freiheitliche Polizeigewerkschaft AUF stolz über ihre „Blaulichtparty“ vermeldet.

Strache ist vaterlos aufgewachsen. Seine Volksschuljahre verbrachte er in einem Internat des katholischen Bundes Neuland, die höhere Schule bei den strengen Schulbrüdern in Strebersdorf. Bald fand er sich auf der Bude der Mittelschülerverbindung „Vandalia“, einer nationalfreiheitlichen Burschenschaft mit dem Motto „Deutsch, einig, treu, ohne Scheu“.

Im Sog der Nationalen. Strache absolvierte kein Studium, sondern wurde Zahntechniker, was manche seiner Burschen leicht höhnisch kommentieren. Als er im vergangenen Jahr eine Meinungsverschiedenheit mit einen Arzt beim „sportlichen Fechten“ klärte – die Bezeichnung Duell lehnt er für diese Art der Auseinandersetzung ab – durfte er wegen mangelnden Status nur mit stumpfer Klinge fechten.

Irgendwo auf den Buden oder beim Kommers ist Strache Ende der achtziger Jahre auf den damaligen NDP-Chef Norbert Burger gestoßen und hat dessen Tochter Gudrun kennen gelernt, mit der er sieben Jahre lang verlobt war. Er ging im Hause der Burgers ein und aus. Dort hat er auch andere Kaliber dieser Bewegung, etwa den späteren Neonazi Gottfried Küssel kennen gelernt. Er war nach eigenem Bekunden jedoch immer bemüht, „Distanz zu halten“.

Im März 1989 trat Strache der FPÖ im dritten Wiener Gemeindebezirk bei, nachdem er einen Freiheitlichen kennen gelernt hatte, der in seinem Zahnlabor Kunde war. Die Begegnung war schicksalhaft. Zwei Jahre später, im Alter von 21 Jahren, war Strache bereits der damals jüngste Bezirksrat Wiens.

Im Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) hatte Strache weniger Glück. Der damals zuständige Wiener Vorsitzende Peter Westenthaler weigerte sich, Strache aufzunehmen. Strache und dessen Freunde waren ihm zu „rechtslastig“, sagt Westenthaler. Nikolaus Amhof, ein enger Freund Straches, heute Bundesgeschäftsführer des RFJ, wurde sogar ausgeschlossen. Aus denselben Gründen musste auch Karlheinz Klement im Jahr 1992, damals Obmann des Kärntner RFJ, der Jugendorganisation vorübergehend den Rücken kehren. Heute ist Klement Bundesgeschäftsführer der neuen FPÖ.

„Wir wollten die Jugend davon reinhalten“, sagt Herbert Scheibner, der damals an der Bundesspitze des RFJ stand.

Das war nicht einfach. Anfang der neunziger Jahre zielten die Hoffnungen organisatorisch versprengter Neonazis und Skinheads auf die immer stärker werdende FPÖ. Die Partei war ihrem Geschmack nach zwar politisch allzu gemäßigt, aber doch viel versprechend. Die FPÖ-Jugend geriet häufig in die Schlagzeilen, weil bekennende Neonazis ihre Lokale besuchten, um den RFJ zu „unterwandern“. Es waren die Zeiten, in welchen der Saalschutz bei FPÖ-Veranstaltungen von Bomberjackenträgern mit kurz geschorenen Haaren gebildet wurde.

Auch Volksanwalt Ewald Stadler hatte gewisse Probleme. 1993 erzählten zwei Skinheads vor laufender ORF-Kamera, dass Stadler zwei Jahre zuvor versucht habe, in einem Bregenzer Szenelokal zu ihnen Kontakt aufzunehmen. Aus Sicht der Jugendlichen seien die Gespräche so verlaufen: „Man hat festgestellt, dass man nationalsozialistisches Gedankengut hegt. Stadler wie wir.“ Der damalige Klubobmann der FPÖ soll sich dann noch beklagt haben, dass es „im Moment nur Schlappschwänze in der FP֓ gebe, die „den rechten Weg nicht kennen“, und dass in ein paar Jahren ohnehin „mit dem Gesindel aufgeräumt“ werde. Stadler bestritt, dass ein solches Gespräch stattgefunden habe, und legte Wert auf die Feststellung, er habe diese Leute nie gesehen. Bestätigt wurde nur, dass sich die Skinheads mit dem damaligen Vorarlberger RFJ-Obmann getroffen hatten.

Brückenkopf. Strache war derweil in Wien – trotz seines RFJ-Verbots und auf ausdrücklichen Wunsch der Wiener FPÖ – mit dem Aufbau einer Jugendgruppe beschäftigt. In dieser Zeit könnte Straches Telefonnummer in das Adressbüchlein eines Neonazis gelangt sein, das 1993 im Zuge der Briefbombenermittlungen bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt wurde. Neben strammen Neonazis finden sich darin auch Namen und Nummern des halben derzeitigen Wiener Gemeinderatsklubs der Freiheitlichen, vor allem jene, die schlagenden Verbindungen angehören.

Strache ist empört: „Das sind Geschichterln“, sagt er, da werde etwas „konstruiert“. Er sei immer sehr freigiebig mit seiner Telefonnummer gewesen.

Mit Straches Karriere ging es rasant vorwärts. 1993 war er bereits Bezirkschef in Wien-Landstraße, und nach Westenthalers Abgang 1994 kam er auch endlich in den RFJ.

Gefördert von nationalen Familienclans in der Wiener FPÖ kletterte Strache nach oben. Unterstützung fand er etwa bei den Kowariks – Sohn Dietbert, wie der Vater Mitglied in der berüchtigten Burschenschaft „Olympia“, sitzt heute im Wiener Gemeinderat – sowie den Familien Gudenus und Blind.

Laut FPÖ-Statut bestand die Möglichkeit, außerhalb seines Wohnbezirks politisch tätig zu sein. So konnten Mehrheiten in den Bezirken strategisch geplant werden. Im Jänner 1995 traf es die FPÖ-Alsergrund. Nachdem sich eine Gruppe um Amhof, eifrig unterstützt von Strache, dort an die Spitze manövriert hatte, trat die freiheitliche Gemeinderätin Ingrid Kariotis aus der FPÖ aus. Sie nannte das „schleichende Machtübernahme rechtsradikaler Gruppen“. In Simmering wechselte bald danach ein freiheitlicher Bezirksrat aus Protest gegen Harald Stefan, ebenfalls Mitglied der „Olympia“ und langjähriger Freund Straches, zur SPÖ.

Im dritten Bezirk gab es keinen Streit ideologischer Natur. Dort hatte die Nachkriegsgeneration der Ehemaligen nahtlos an die Enkel vom Schlage Straches übergeben. Im dritten Bezirk war auch Clemens Otten aktiv, der Organisator der Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung im April 2002, bei der etliche Neonazis mitgegangen und nachher mit Sieg-Heil-Rufen durch die Wiener Innenstadt gezogen waren.

Vorkämpfer des Deutschen. Strache dagegen erregte Aufmerksamkeit mit Feldzügen gegen das Schächten, die rituelle Tötung von Tieren nach moslemischen und jüdischen Glaubensvorschriften. Er schlug Alarm, weil die Betriebsanleitungen für die Schließfächer am Bahnhof Wien-Mitte in Englisch, Französisch und „Österreichisch“ angeboten wurden, wo doch Deutsch die „Staatssprache“ ist.

Auf Parteitagen forderte er, an Gastarbeiterfamilien keine Aufenthaltsbewilligungen mehr zu erteilen, weil dies Probleme am Wohnungsmarkt und an den Schulen nach sich ziehe. Er unterstützte stattdessen einen Antrag auf Einbürgerung von Altösterreichern. „Die Deutschstämmigen in den Nachfolgestaaten der österreichisch-ungarischen Monarchie“, so die Begründung, seien „zu schade, um als Kulturdünger für andere Völker zu dienen“. Strache sagte später, er habe die Begründung des Antrags weder selbst formuliert noch gelesen.

Strache sprach im Gemeinderat gegen die „drohende Überfremdung“, den Wiener Gemeindebau sah er bereits von Ausländern „erobert“. Bei Aktionen gegen moderne Kunst fragte er, ob Kunst „krank“ sein müsse, um subventioniert zu werden.

Bei einer Veranstaltung im Jahr der so genannten Sanktionen gegen die Bundesregierung soll Strache in einer öffentlichen Veranstaltung dahinter den „Jüdischen Weltkongress“ vermutet haben. So hat es jedenfalls ein Journalist der „FAZ“ berichtet. Strache sagt, diese Äußerung sei nicht von ihm, sondern aus dem Publikum gekommen.

Im Sommer 2002 ließ es sich Strache nicht nehmen, bei der Sonnwendfeier am Wiener Kobenzl zu erscheinen, einem jährlichen Treffen von Burschenschaftern, das auch immer wieder bekannte Neonazis anzieht. Auch Gottfried Küssel war dabei.

Selbstverständlich verteidigte Strache Stadlers Worte von der „angeblichen Befreiung“ im Jahr 1945.

Die jährliche Trauerkundgebung der Burschenschafter am 8. Mai, dem Tag der Kapitulation Hitler-Deutschlands, fand er „moralisch wertvoll“. Im Jahr 2004 hielt er dort höchstpersönlich die Totenrede.

In seiner Antrittsrede als neuer Bundesparteiobmann der FPÖ am 23. April 2005 forderte Strache eine „Anerkennung“, einen „1000-Euro-Scheck“ für alle jene, die „damals nicht geflohen oder geflüchtet sind“ – also quasi dafür, dass sie keine Juden waren, die außer Landes mussten, sofern sie es noch konnten.

Im Jahr 2004 entschied das Oberlandesgericht Wien in einem Prozess, den Strache gegen profil angestrengt hatte, man könne ihm „eine Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut“ nachsagen.

Von Christa Zöchling