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Der Fall Mensdorff-Pouilly: Neue Spuren führen nach Liechtenstein

Affäre. Neue Spuren im Fall Mensdorff-Pouilly führen nach Liechtenstein

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Wenn es eine geografische Konstante bei den zahllosen Finanzaffären gibt, die derzeit Österreich beschäftigen, dann ist es wohl diese: 47° 8‘ 22‘‘ Nord, 9° 31‘ 18‘‘ Ost - die Koordinaten von Vaduz, der Hauptstadt des Fürstentums Liechtenstein.

Hier legte Karl-Heinz Grasser das Geld an, das er sauer bei Julius Meinl V. verdient hatte, hier hob ebendieser Julius Meinl V. schnell einmal 100 Millionen Euro für jene Kaution ab, die ihn vor der Untersuchungshaft bewahrte. Hier ließ auch Walter Meischberger, Grasser-Spezl und Buwog-Lobbyist, per Botendienst stattliche Beträge in bar abholen. Hier wickelte eine Tochtergesellschaft der Hypo Alpe-Adria fragwürdige Geschäfte ab.

Es war also nur eine Frage der Zeit, bis auch in der Causa Alfons Mensdorff-Pouilly eine Spur in die Steueroase zwischen Österreich und der Schweiz auftauchte.

Nach Recherchen von profil zählt der Waffenlobbyist zu den Begünstigten einer Stiftung, die bereits vor Jahren in Liechtenstein errichtet wurde. Korruptionsermittler hegen den Verdacht, dass dort möglicherweise mehrere Millionen Euro gelandet sind, die ursprünglich aus der Schmiergeldkasse des britischen Rüstungskonzerns BAE Systems stammen. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt wegen Bestechung, Geldwäsche und falscher Zeugenaussage gegen Mensdorff, der lange Jahre als Konsulent für BAE gearbeitet hatte.

Für Mensdorff gilt die Unschuldsvermutung.
Sein Anwalt Harald Schuster wollte gegenüber profil zum Thema Liechtenstein keinen Kommentar abgeben. Auch die Staatsanwaltschaft lehnte eine Stellungnahme unter Hinweis auf das laufende Verfahren ab.

Der Fall Mensdorff beschäftigt die Strafverfolger nun schon seit 2002. Damals waren Fahnder der britischen Anti-Korruptions-Behörde SFO (Serious Fraud Office) auf dubiose Zahlungen im Dunstkreis von BAE Systems gestoßen. Jahrelang sammelten sie Indizien dafür, dass der Weltkonzern in mindestens neun Ländern bei Rüstungsgeschäften mit Schmiergeld nachgeholfen hatte, das von so genannten "Agenten“ unter die Leute gebracht wurde.

Dabei tauchte auch der Name Mensdorff-Pouillys auf - und zwar im Zusammenhang mit der Beschaffung von Kampfjets in Tschechien, Ungarn und nicht zuletzt Österreich. 2008 eröffnete die Staatsanwaltschaft Wien aufgrund eines Rechtshilfeersuchens aus Großbritannien ein Verfahren gegen den Lobbyisten, der von BAE Systems laut einem SFO-Dossier insgesamt 107,6 Millionen Euro für so genannte "Third Party Payments“ (also Zahlungen an Dritte) erhalten haben soll.

Netzwerk.
Mensdorff hat immer wieder vehement bestritten, in illegale Machenschaften verwickelt gewesen zu sein. Allerdings blieb er den Ermittlern bis dato befriedigende Erklärungen für den Zweck und die Verwendung von mindestens 14 Millionen Euro schuldig, die über ein komplexes Netzwerk in seinem Umfeld transferiert worden waren.

Das Geld sei Investmentkapital gewesen, das er für einen angeheirateten Verwandten namens Timothy Landon an Empfänger im Ausland weitergeleitet habe, rechtfertigt sich Mensdorff. 4,7 Millionen Euro seien an einen Wiener Geschäftsmann gegangen. Drei Millionen an einen Politiker aus Osteuropa. Eine halbe Million an ein Projekt namens "Singapur“. Und so weiter.

Seltsam nur:
All das lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Der Geschäftsmann ist inzwischen tot, der Politiker konnte trotz intensiver Nachforschungen nie ausfindig gemacht werden, Projekte wie "Singapur“ blieben nebulös. Zumal ein großer Teil des Geldes bar übergeben wurde und Quittungen verschwunden sind oder gar nicht existiert haben.

Die Fahnder fragen sich: Wenn es keine greifbaren Empfänger gibt, wer hat dann die Millionen bekommen? Vielleicht doch der eine oder andere Entscheidungsträger, als es in Tschechien, Ungarn und Österreich darum ging, neue Abfangjäger anzukaufen?

Und: Woher kam das Geld eigentlich?
Klar ist inzwischen, dass Landon - einem ehemaligen Geheimagenten, der bereits zuvor in Bestechungsaffären verwickelt gewesen war - von BAE Systems beträchtliche Beträge zur Verfügung gestellt wurden. Stammen auch die Überweisungen an Mensdorff aus dieser Quelle? Landon kann diese Frage nicht mehr beantworten. Er starb 2007 an Krebs.

Zumindest 6,3 Millionen Euro wurden nach Ermittlungen des SFO über zwei Briefkastenfirmen auf den British Virgin Islands verschoben: Prefinor und Brodman Business S.A. Erstere wird Landon zugerechnet, Zweitere Mensdorff.

30 Prozent davon, also rund 1,9 Millionen Euro, hätten Landon und Mensdorff als Provision geteilt. Von den Brodman-Konten wiederum floss Geld nach Liechtenstein - nach Recherchen von profil zu einer so genannten hinterlegten Stiftung mit der Bezeichnung "Kates“.

Diskretion. Landons Witwe Katalin, eine Kusine Mensdorffs, wird von Freunden und Bekannten auch gerne "Kate“ genannt. Hinterlegte Stiftungen nach liechtensteinischem Recht zeichnen sich durch besondere Diskretion aus. Im Gegensatz zu eingetragenen Stiftungen gelten für sie weder Buchführungs- noch Deklarationspflicht. Zudem können sie binnen kürzester Zeit eingerichtet und auch wieder gelöscht werden. Die Behörden dürfen nicht einmal Auskunft darüber geben, ob sie existieren oder nicht.

Vermutung der Ermittler:
In der Kates Stiftung könnten jene Gewinnanteile gebunkert sein, die sich Landon und Mensdorff von den Geldern aus der Bestechungskasse von BAE Systems abzweigen durften.

Seit Monaten versucht die Staatsanwaltschaft Wien, Einsicht in Kates zu nehmen - bislang erfolglos, weil die Anwälte der Stiftung immer wieder Rechtsmittel einlegen. Begründung: Neben Mensdorff gebe es weitere, nicht von den Ermittlungen erfasste Begünstigte, deren Interessen von einer Öffnung betroffen seien.

Zudem wurden die Fahnder durch die überraschende Einstellung des Verfahrens gegen BAE in Großbritannien gebremst. Im Februar vergangenen Jahres hatte sich der Rüstungskonzern gegen eine Geldbuße von umgerechnet 325 Millionen Euro von jeglicher strafrechtlicher Verfolgung freigekauft. Der Deal schloss auch Mensdorff ein, der zu diesem Zeitpunkt gerade in Untersuchungshaft saß. In der Folge verlangte sein Anwalt Harald Schuster, auch die Ermittlungen in Österreich zu beenden. All das führte wiederum dazu, dass Großbritannien und Liechtenstein zögerten, den Rechtshilfeersuchen Österreichs zu entsprechen.

Inzwischen ist durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien aber klargestellt: Das Verfahren wird weitergeführt. Und ein klareres Signal hätten die hiesigen Juristen an die Kollegen in London und Vaduz kaum senden können.

Mitarbeit: Ulla Schmid