Candelilla

Die Münchner Noise-Band Candelilla

Kulturtipp. Die Münchner Noise-Band Candelilla zwischen den Pfaden am 21.9. im EKH Wien

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Noise, Indie, Pop, Rock, Punk, ein Schuss Riot Grrrl und am Ende nichts davon und trotzdem weitergespielt: Die Münchner Band „Candelilla" legt keinen Wert auf Kategorien, stattdessen beschäftigen sich die vier Musikerinnen lieber mit Experimenten. Live zu sehen am:

21. September im Wiener EKH und am 25. Oktober in der Postgarage in Graz.

profil online hat sich mit Bassistin Mira Mann zur Erscheinung des Albums im Februar dieses Jahres unterhalten.

profil online: Ihr habt euer neues Album mit Steve Albini in seinem Studio in Chicago aufgenommen. Wie ist es dazu gekommen?
Mira Mann: Das war eigentlich recht unspektakulär. Eine befreundete Band erzählte uns, dass Albini ihr Album produziert hat. Wir dachten uns, das würden wir auch gerne machen und haben ihm ein E-Mail geschrieben. Er hat sich gleich gemeldet und zugesagt. Kurz darauf waren wir eine Woche in seinem Studio und haben aufgenommen.

profil online: Hat das die Richtung des Albums verändert?
Mann: Das würde ich nicht sagen. Wir konnten dank Albini sehr viel ausprobieren, da er einen großen Fundus an Instrumenten und Equipment hat, in dem wir immer wieder gewühlt haben. Dadurch hatten wir die Möglichkeit zu schauen, welche Klänge und Geräusche uns gefallen und was wir daraus machen wollen. Unser Sound und die Struktur unserer Lieder haben sich dadurch aber nicht wirklich verändert. Die Spielwiese wurde einfach erweitert. Die Tatsache, dass wir alle vier an einem neuen Ort sehr viel Zeit miteinander verbracht haben, hatte wahrscheinlich mehr Einfluss auf die Dynamik der Aufnahmen.

profil online: Eure Stücke tragen keine Titel, sondern sind durch Nummern gekennzeichnet. Was hat es damit auf sich?
Mann: Wir begreifen unsere Musik als eine Forschungsarbeit, unsere Lieder dienen dabei als Experimente. Daher geben wir ihnen auch Nummern als eine Art Versuchsanordnung: Experiment 1, Experiment 9, Experiment 22 etc. Ein Titel würde von dieser Suche mit offenem Ausgang ablenken. Wir haben uns über die Jahre entfernt von der klassischen Strophe-Refrain-Struktur und wollen die Stücke offen gestalten.

profil online: Das klingt sehr ernst. Der Pressetext zum neuen Album sprüht ebenfalls nicht gerade vor Witz. Habt ihr keinen Humor?
Mann: (lacht) Ich glaube schon, dass wir humorvolle Menschen sind. Aber wir nehmen das, was wir machen sehr ernst. Wir brauchen auch immer lange, bis wir neue Stücke haben und damit zufrieden sind. Unser Zugang zum Liederschreiben ist sicher ein intellektueller, eben fast wissenschaftlicher. In die Umsetzung legen wir aber unser ganzes Herzblut – eine ständige Gratwanderung zwischen Herz und Verstand.

profil online: Auf der Bühne seid ihr alle gleich präsent. Es gibt keine klassische Bandleaderin, die Rollen werden immer wieder neu verteilt. Funktioniert das Projekt Candelilla erst so richtig auf der Bühne?
Mann: Live zu spielen und ein Album aufzunehmen sind für uns zwei unterschiedliche Dinge. Wir funktionieren natürlich auch im Proberaum, aber auf andere Art und Weise. Da haben wir Zeit, können ausprobieren, verwerfen, nachdenken. Auf der Bühne geht es uns darum, das Ergebnis unsere Forschung zu präsentieren. Dabei muss nicht immer alles reibungslos funktionieren. Aber in erster Linie sind wir eine Rockband, die live spielen will. Zudem sind wir auch wahnsinnig gerne auf Tour.

profil online: Über „HeartMutter“ schreibt ihr, das Album stellt die Frage: „Wie echt können wir eigentlich sein?“ Authentizität ist wieder en vogue – von der Politik bis zum Popbusiness. Aber ist Echtheit nicht auch nur ein Konstrukt ?
Mann: In gewisser Weise schon. Natürlich geht es in unserer Musik um eine Form der Darstellung, um ein Bild, das wir schaffen. Ob man das nun als echt oder unecht bezeichnet, lasse ich gerne offen. Uns geht es eher um den Prozess der Auseinandersetzung – mit uns selbst und unserer Umwelt. Was passiert um uns herum? Wie bewege ich mich in gewissen Räumen und Strukturen? Wie reagiere ich darauf? Uns ist wichtig, dass wir uns diesen Fragen stellen – und zwar mit Blut, Schweiß und Tränen.

2001 gegründet, besteht „Candelilla” heute aus Sandra Hilpold (Schlagzeug), Mira Mann (Bass/Gesang), Rita Argauer (Piano/Gesang), und Lina Seybold (Gitarre/Gesang). Das erste Album „reasonreasonreasonreason“ wurde 2009 auf „Red Can Records” veröffentlicht. Der Nachfolger „HeartMutter“ erschien am 15. Februar auf „Zickzack Records”.

Mira Mann (27) ist Musikerin und Autorin, zudem arbeitet sie für das Münchner Performancetheater „Hunger & Seide“.

Interview: Stephan Wabl