Die Reifeprüfung der Jungwähler

Wie und nach welchen Kriterien gewählt wird

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Es wird eine denkwürdige Premiere: Bei der nahenden Nationalratswahl am 28. September sind erstmals auch Jugendliche ab 16 wahlberechtigt. Ob und wie sie wählen, wurde bisher freilich nicht eingehend untersucht. „Wir haben nicht damit gerechnet, dass die 16- und 17-Jährigen schon so bald wählen gehen werden“, sagt Eva Zeglovits vom Meinungsforschungsinstitut SORA. In Summe dürfen heuer 360.000 junge Leute erstmals zur Urne schreiten, davon sind 90.000 Personen oder 1,5 Prozent aller Wahlberechtigten jünger als 18.

Die Wiener Landtagswahl 2005 hatte gleichsam als erster großer Testballon gedient. Befürchtungen, wonach die Jungwähler durch Abwesenheit glänzen würden, haben sich damals übrigens nicht bestätigt. Eine Befragung der Bundesjugendvertretung, Dachverband heimischer Kinder- und Jugendorganisationen, ergab, dass die Wahlbeteiligung der 16- bis 18-Jährigen nur marginal unter der aller Wahlberechtigten lag. Die Erstwähler stimmten bei dieser Wahl übrigens kaum anders als ältere Wähler. Einziger markanter Unterschied: 26 Prozent der Jungwähler wählten grün, während das Gesamtergebnis bei den Grünen bei 15 Prozent liegt.

„Wenn beide Elternteile das Gleiche wählen, stimmen zwischen 60 und 90 Prozent der Jugendlichen ebenfalls für diese Partei“, so der Politikwissenschafter Peter Merschitz. So viel zur Statistik. profil wollte es noch genauer wissen und befragte Erstwähler quer durch alle Gesellschaftsschichten zu ihrem Stimmverhalten.

Antonia Bittermann, 16
Am meisten ärgert sich Antonia Bittermann über die gebrochenen Wahlversprechen. „Ich denk da nur an die SPÖ und an ihr Versprechen, die Studiengebühren abzuschaffen. Es war von vornherein klar, dass sie das nicht durchsetzen werden, und trotzdem haben die Leute die SPÖ gewählt.“ Die 16-jährige Gymnasiastin wird am 28. September für die ÖVP stimmen. „Ich hab das mit dem Ausschlussverfahren entschieden.“ Dass die SPÖ ihre Versprechen in die Tat umsetzt, glaubt sie nicht, die FPÖ ist ihr zu radikal, das BZÖ unterscheidet sich von den Freiheitlichen kaum, und von den Grünen hat sie bislang im Wahlkampf fast nichts gehört. Politische Bildung als Pflichtfach in allen Schulen hält sie für längst überfällig. „Es ist schwer, ohne Hintergrundwissen eine gute Entscheidung zu treffen.“

Onur Sahan, 18
Onur Sahan hat türkisch-bulgarische Wurzeln. Am Tag jobbt er für EU-Projekte, abends besucht er die Maturaschule. Für Sahan ist klar, dass er die Grünen wählen wird. Seine Schwester ist sein politisches Vorbild. Sie war für die Grünen Bezirksrätin in Wien-Favoriten und hat sich viel mit ihm über Politik unterhalten. Auch Sahans Vater engagiert sich für die Partei. „Fast meine ganze Familie wählt grün“, sagt der junge Mann. Spitzenkandidat Van der Bellen findet er „cool“: „Er spricht Klartext, und die ruhige Art, mit der er seine Gegner fertigmacht, ist super.“ Er glaubt, dass sich vor allem Jugendliche manipulieren ließen und deshalb die FPÖ wählten. „Sprüche wie ‚Wien darf nicht Istanbul werden‘ sind ja wirklich gut, die FPÖ ist da sehr geschickt.“

Manuel Zöttl, 16
Diesmal wird das Wahlergebnis ganz anders aussehen, da ist sich Manuel Zöttl sicher. „Die Jungen wählen nicht wie die Erwachsenen. Viele von uns sind grantig auf die Ausländer.“ Oft werde er von jugendlichen Ausländern grundlos angestänkert und gestoßen. Deshalb wird der Kfz-Lehrling der FPÖ oder dem BZÖ seine Stimme geben. Auch die meisten seiner Freunde wollen blau oder orange wählen. In der Arbeit wird fast täglich über Politik diskutiert. Zöttl meint aber, dass dem Großteil der Erstwähler die Politik komplett egal sei. Ob er sich für Jörg Haider oder Heinz-Christian Strache entscheidet, will sich der 16-Jährige noch überlegen. „Ich glaube, dass Jörg Haider besser regieren kann. H.-C. Strache redet mehr, aber Haider setzt das dann auch durch.“

Max Strohmeier, 17
Es muss eine neue Partei ins Parlament, meint der AHS-Schüler. Die etablierten Parteien sind Max Strohmeier „zu abgehoben“. Am liebsten hätte er eine starke Linkspartei für Österreich, so wie in Deutschland. Nur gibt es die in dieser Form nicht. „Wenn ich die aktuellen Wahlumfragen sehe, graut mir“, sagt Strohmeier. Ob der Wiener die Liberalen oder die Kommunistische Partei wählt, weiß er noch nicht. „Der KPÖ bin ich ideologisch näher, aber die Liberalen haben mehr Chancen, ins Parlament zu kommen.“ Strohmeier glaubt nicht, dass 16-Jährige zu jung sind, um wählen zu dürfen. „Einem älteren Wähler, der nur auf emotionaler Basis seine Stimme abgibt, kann man auch vorwerfen, er habe keine politische Reife.“

Alexandra Miesgang, 17
„Ich hätte das Wählen ab 16 sicher nicht eingeführt“, sagt Alexandra Miesgang. Die 17-Jährige macht die Lehre zur Einzelhandelskauffrau. Sie ist der Meinung, dass die meisten Jugendlichen sich zu wenig für Politik interessieren, um diese Entscheidung zu treffen. Sie selbst hat sich entschieden, die SPÖ zu wählen. Besondere Gründe dafür hat sie nicht. „Ich weiß nicht genau, was die einzelnen Politiker durchsetzen wollen, ich treffe meine Entscheidung vor allem nach Sympathie.“ Die TV-Duelle der Spitzenkandidaten wird sie nicht verfolgen. „Ich würde bestimmt nicht verstehen, worum es geht.“ Mit ihrem Vater spricht sie manchmal über Politik, aber ihre Geduld ist begrenzt. „Es gibt in der Politik einfach nichts, was mich anspricht.“