Leitartikel: Herbert Lackner

Die Rückkehr der Rechten

Die Rückkehr der Rechten

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Ein Mythos der jüngeren Zeitgeschichte Österreichs besagt, Wolfgang Schüssel habe durch die Koalition mit der FPÖ geschafft, was den liberalen „Gutmenschen“ mehr als ein Jahrzehnt lang nicht gelungen sei: die Entzauberung des Rechtspopulismus und dessen Großmeisters Jörg Haider. Jetzt wird der Mythos selbst entzaubert, der Rechtspopulismus wird bei der kommenden Nationalratswahl wohl der eindeutige Sieger sein. Kein Grund zur Freude. Denn Schüssel war ja mit seiner Mesalliance nichts anderes gelungen, als den liberalen Flügel der FPÖ um Susanne Riess-Passer ins politische Out zu sprengen. Zurück blieb das Stammpersonal. Rund ein Viertel der österreichischen Wähler wird am 28. September bekunden, dass die Herren Heinz-Christian Strache oder – in weit geringerem Ausmaß – Jörg Haider am ehesten ihre Interessen vertreten und daher künftig mehr Gewicht in der Politik haben sollen. Mehr als eine Million Österreicher wird damit zum Ausdruck bringen, dass es nicht so wichtig ist, wer detaillierte Pläne zu Klimaschutz oder Kassensanierung, europäischer Integration oder Pflegefinanzierung vorlegt.

Sie suchen jemanden, der ihnen dabei hilft, ihre Wut abzuarbeiten, ihren Zorn und ihre Enttäuschung über ein Leben, in dem sie zu kurz gekommen sind. Der ihnen zwar keine Hoffnung geben kann, dafür aber Sündenböcke anbietet und den Gedanken an eigenes Versagen verscheucht. Der ihnen das Gefühl vermittelt, sie zu beschützen: vor den Kopftuchträgerinnen, vor den Asylanten, also vor allem Fremden, das noch mehr Unsicherheit in ihre ohnehin so unsichere Existenz bringen könnte. Sie suchen einen, der bei seinen Wahlkundgebungen das hinausschreit, was sie selbst nicht hinauszuschreien wagen. Und allein das Mitbrüllen schafft etwas Erleichterung.

Politiker, die solche Erwartungen befriedigen wollen, müssen aus einem besonderen Holz geschnitzt sein: ungeniert, fähig, selbst die niedrigsten Gefühle anzusprechen, entschlossen, auf jeden ethischen Maßstab zu verzichten; bereit zu allem, wenn es nur Stimmen bringt. Was mag solche Menschen treiben? Wie werden Jörg Haider und sein Klon Heinz-Christian Strache damit fertig, fast ihr ganzes Berufsleben damit zugebracht zu haben, Menschen aufzuhetzen, die Zweitärmsten gegen die Ärmsten auszuspielen, Angst gemacht zu haben, statt Angst zu nehmen? Worauf sind sie stolz? Darauf, die Jammertruppe BZÖ doch noch einmal in den Nationalrat gebracht zu haben? Darauf, die FPÖ wieder in Richtung 20-Prozent-Marke gebrüllt zu haben?

Traurige Lebensbilanzen, fürwahr. Wohl wegen seiner längeren Verweildauer in der Politik wirkt Jörg Haiders Agieren noch eine Spur deprimierender als das seines frischeren Kontrahenten Strache. Haiders Kampfkarte ist nach 22 Jahren im Ring einfach zu lang. Alte Nazis und SS-Veteranen, EU-Blutschokolade und der Euro, Zuwanderer und zweisprachige Ortstafeln – er hat schon fast alles durch. Die aufgeblasene Pose, mit der er gerade angeblich kriminelle Asylwerber – darunter ein fünfjähriges Kind – von Kärnten nach Niederösterreich deportieren wollte, was schon in Wolfsberg scheiterte, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Bei einer ähnlichen Aktion im Jänner waren 17 der 18 Deportierten unbescholten. „Eines Tages wird es in unserem Land nur noch Kärntner geben“, entwickelte der Landeshauptmann in der Vorwoche eine für die Tourismusregion Kärnten recht skurrile Vision. Dass Kärnten schon demnächst Österreichs wirtschaftliches Schlusslicht sein wird, dass die Kaufkraft im tiefen Süden bereits heute weit unter dem Durchschnitt liegt – wen kümmert’s? Hauptsache, es gibt endlich das Bauverbot für Minarette.

In Heinz-Christian Straches FPÖ ist die Lage etwas komplexer, weil in seinem Funktionärskader neben allerlei rechtsradikalem Publikum auch alte nationalliberale Honoratioren zugange sind, die es aber keineswegs zu stören scheint, dass sich ihr Obmann nicht unbedingt der abendländischen Geisteswelt verpflichtet fühlt. Denn simpler als Strache ist kaum einer: Pummerin statt Muezzin. Daham statt Islam. Tiefer geht’s fast nicht mehr.
Die freche Offenheit, mit der der FPÖ-Obmann jetzt ankündigte, er werde „selbstverständlich“ wieder einen Ausländerwahlkampf führen, zeigt, dass sich bei ihm in der Wahlkampfhitze alle moralischen Spurenelemente verflüchtigen. Straches kauzige, gegen Homos und Freimaurer, Emanzen und EU agitierende Entourage rundet das erschreckende Bild des „dritten Lagers“ ab.

Übersehen wir allerdings nicht, dass die ÖVP-Innenministerin Haiders ungesetzliches Handeln erschrocken mit einer eigenen Forderung nach entschlossener Ausweisungspolitik konterte. Vergessen wir nicht, dass der neue SPÖ-Obmann seinen selbsterniedrigenden Kniefall vor jenem Zeitungsherausgeber machte, der die oben dargestellte Politik jahrelang nach Kräften gefördert hat. Gewiss: Die große Koalition hat zwei Jahre einfach vergeudet. Sie hat viel versprochen und nichts gehalten. Aber die Rechtspopulisten sind keine Alternative. Wer sie in die Regierung nimmt, macht sich ­mitschuldig.