autodrom: David Staretz

Duft im Auto

Duft im Auto

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In einer Blindverkostung könnte ich gerade drei Autotypen erkennen: Siebziger-Jahre-Fiats (riechen meist nach Bauernmist), meinen alten Jaguar (Leder, Holz und teure Ölverluste) und Rauchertaxis mit Wunderbaum. Wahrscheinlich könnte ich auch fabrikneue Audis erschnüffeln, aber spezifisch erklären lässt sich das nicht. So wie es überhaupt ein Geheimnis gibt um den Duft der Autos.

Dass wir deren Geruch so schlecht definieren können, liegt schon im Naturell des Synthetischen begründet. Die Kleber mit ihren unaussprechlichen Phthalaten, Alkanen, Aldehyden, Benzenen und Ketonen lassen sich olfaktorisch nicht zuordnen. Was so befremdlich riecht, findet keine natürliche Entsprechung, sodass wir diese Komposition schlicht als Neuwagengeruch einordnen und folglich mögen müssen. Oder will jemand KEIN neues Auto?

Natürlich sind die chemischen Ausdünstungen problematisch für die Gesundheit, doch offenbar gut absorbierbar, sonst wäre das Autofahren um noch eine Risikostufe gefährlicher. Natürlich existiert eine australische Untersuchung, die erhöhtes Krebsrisiko durch Neuwagengeruch feststellt und sogar auf rauschartige Effekte bei Neuwagenkunden hinweist, vergleichbar dem „spacing out“ durch Klebstoffschnüffeln. Mag sein, dass die australische Sonne besonders aggressive Dämpfe freisetzt.

Es ist etwas Seltsames mit Gerüchen: Angeblich bestimmen sie so sehr unser Leben, doch keiner scheint sich drum zu scheren. Ihr Direktanschluss mit dem Unbewussten scheint sich in dessen Tiefen zu verlieren, und ich glaube zu wissen, warum: Es gibt kein Geruchsgedächtnis. Man kann sich vieles in Erinnerung rufen, doch Gerüche gehören nicht dazu. Ja, ich weiß, Proust und die Madeleines der Kindheit, aber das war Geschmack, und er wurde abgerufen, was ja bei Gerüchen auch funktioniert, sobald sie wieder auftauchen mit der sinnlichen Brutalität von Guccis Rush.

Gerüche, so wissen wir aus Rick Moodys „Eissturm“, sind körperhafte Moleküle, wie der kleine Mikey (in Ang Lees Verfilmung gespielt von Elijah Wood) bei einem Schulreferat erklärt, und dass man sich, etwa auf dem Schulklo, darüber im Klaren sein muss, was man dort einatmet.

In der Beliebtheitsparade der Urban Legends, also der modernen Märchen und Legenden (Tarantel in der Bananenstaude, Finger im Hamburger), steht der 1-Dollar-Mercedes (Währung und Marke beliebig austauschbar) ganz oben, der durch die Ausdünstungen einer vergessenen Leiche völlig ungenießbar geworden sein soll.

Tatsächlich hatte Mercedes in den achtziger Jahren einen Vorstoß in Richtung naturnaher Füll- und Dämmmaterialien (im Dachhimmel, in den Türverkleidungen) gemacht, der aber bald an Geruchsproblemen scheiterte, Stichwort nasser Hund.

Dieses Problem ist jetzt an Klimaanlagen weitergegeben, die immer mehr unser Geruchsbild prägen. Was hier manchmal wie ein Sack voll Schmutzwäsche riecht, ist der Zerstäuber, dessen Filter verschmutzt ist und am besten mit Lysol gereinigt wird. Warum dieser Geruch auch im neuen Bentley-Testwagen auftrat, war mir allerdings ein Rätsel. Wobei ja kaum ein Duft seine normierte Gültigkeit hat: Otto Schenk, der den Wagen für die „Autorevue“ chauffierte, hatte bloß bemängelt, dass das Kühlergitter aus Kunststoff besteht, sonst fand er keinen Grund, die Nase zu rümpfen.

Das bleibt meinen Kollegen vorbehalten, die den von Giugiaro moderat gestalteten Brilliance BS6, das erste chinesische Auto auf dem europäischen Markt, bislang nur bei geöffnetem Fenster gefahren sind wegen der radikalen Gerbchemie-Ausdünstungen im Sitzleder.

Dass Duft im Auto immer eine heikle Sache ist, zeigt sich auch beim Citroën C4, der serienmäßig mit aromatischen Flakons bestückt ist, die ich einfach beim Fenster rauswerfen musste, als die Unerträglichkeitsschwelle erreicht war. Auch der Mini kann mit Extradüften bestückt werden, wobei sich immer wieder bestätigt: Der beste Duft ist, wenn es nach gar nichts riecht. Vor allem, wenn es sich um ein Raucherauto handelt. Dann kann eine gezielte Duftüberlagerung mit radikaler Vanille oder schwülem Moschus alles nur noch schlimmer machen. Bester Tipp gegen Rauchgerüche: ein Viertel Essig, drei Viertel Wasser in eine Sprühflasche und damit den Innenraum aussprühen. Über Nacht, bei offenen Fenstern, sollte aller Missgeruch verweht sein.

Dann sprüht der hoffnungsvolle Gebrauchtwagenhändler eine Essenz mit so genanntem Neuwagenduft ins Auto (gibt es auch als Wunderbaum-Ausführung). Das Zeug soll aber nicht wirklich überzeugend riechen.

Alte Füchse verlassen sich lieber auf den Haushalts-Klassiker moderner Verkaufspsychologie und stellen über Nacht eine offene Lackdose ins Auto. Bloß nicht vergessen, sie rauszunehmen vor der Probefahrt!