Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Aus den WM-Küchen

Aus den WM-Küchen

Drucken

Schriftgröße

Mehrfach bin ich in den vergangenen Tagen gedrängt worden, den Fußballweltmeister 2010 zu kochen. Aber ich habe stets abgelehnt und apodiktisch gemeint: Nein, ich koche nicht deutsch, das tu ich nicht. Deutsch kochen ist, wenn eine Menge guter Zutaten antreten, und am Ende ist es Leipziger Allerlei (immerhin sind da Morcheln und Flusskrebse drin) oder Königsberger Klopse (Kalb, Kapern, Sardellen). Auch die Tatsache, dass sich der DFB in Gestalt von Holger Stromberg einen Sternekoch als Team-Küchenchef leistet, stärkt mein Vertrauen nicht unbedingt. Jogi Löw, sagte Stromberg ein paar Tage vor dem Achtelfinale gegen England, gehe, was ­anständige Ernährung betrifft, „mit einem Super-Beispiel“ voran und sei „ein absolutes Vorbild“. Ich will mich hier nicht weiter darüber verbreiten, wovon der Trainer sich während der Partie gegen England dann tatsächlich ernährte. Sollte seine Elf dem Super-Beispiel allerdings gefolgt sein, war das immerhin effizienter als Fabio Capellos viel diskutierter Biertrick.

Na, dann eben den Favoriten? Okay, aber ich kann nicht sagen, wie froh ich bin, mit dieser Kochentscheidung noch zugewartet zu haben; nicht auszudenken, ich hätte mich von meiner grundsätzlichen Einstellung zum Fußball (wenn schon Sympathie, dann in jedem Fall für jene mit bedeutender Landesküche) leiten lassen. Woher hätte ich wissen sollen, dass Fabio Cannavaro keine Lust hatte, in der gesamten Vorrunde wenigstens halb so viele Schritte zu machen wie ein Kellner in einem Wiener Ristorante, mit dem er den Vornamen teilt, an einem einzigen Abend? Wie hätte ich ahnen sollen, dass die Franzosen diesmal statt den Ball lieber das gefährliche Spiel mit der radikalen Beleidigung weiblicher Angehöriger in den eigenen Reihen halten, was 2006 noch eine bilaterale Angelegenheit zwischen Zidane und Materazzi war? Nein, Monsieur Anelka, fils de pute ist kein Klassiker der Pariser Bistroküche.

Vor mir liegt nun eine meterlange Flanke Bife angosto, allerfeinstes Entrecôte aus ­Argentinien; sie hätte genauso qualitätvoll aus Brasilien oder Uruguay stammen können. Ich habe mich entschieden. Vier Südamerikaner im Viertelfinale? Was soll da noch schiefgehen, selbst wenn die entscheidenden Matches erst nach meinem Redaktionsschluss stattfinden?

Ich schneide etwa 250 Gramm schwere Steaks davon ab und warte, bis die Holzkohle ungefähr so aussieht wie die Umgebung des Eyjafjallajökull heuer im April: weiße Flocken, darunter satte Glut. Drei Minuten pro Seite brauchen die Entrecôtes. Dazu gibt’s eine Sauce, die hervorragend zum 11. Juli passt: Chimichurri. Ohne die läuft kein argentinisches Asado. Und sollte ich damit nach dem Viertelfinale Deutschland – Argentinien alt aussehen: Nein, ich koche nicht deutsch.

[email protected]