Eatdrink: Klaus Kamol

eatdrink von Klaus Kamolz Giro Alto Adige

Giro Alto Adige

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An apple a day keeps the doctor away. Im Unterland südlich von Bozen gibt’s demnach keine Ärzte. Elstar- und Gala-Plantagen, so weit das Auge reicht. Eine Million Tonnen pro Jahr. Herbert Hintner blickt hinunter ins Tal; der Sternekoch aus dem „Restaurant zur Rose“ im Dorf St. Michael/Eppan zeigt mir ein paar vernünftige Gasthöfe am Land, bevor wir zu ihm heim in die Küche fahren. Er sagt etwas nicht sehr Druckreifes über die Hagelschutzplanen über den Apfelbäumen, die die Aussicht auf das Tal trüben. Und etwas nicht sehr Druckreifes über die Durchschnittsgastronomie sagt er auch. In Südtirol, italienisch: Alto Adige, muss man aufpassen, wo man einkehrt, es gibt viel Schrott, der an Bustouristen verfüttert wird.Der „Historische Gasthof Krone“ in Aldein aber, der ist okay. Hintner ist hier bekannt wie ein bunter Hund. Das liegt auch daran, dass er auf Rai Bozen eine Kochsendung („Zu Tisch“) hat, weshalb er sich nicht hingebungsvoll seiner Graukäseterrine widmen kann, sondern ständig grüßen muss. Mich kennt hier keiner, und so kann ich nach ungestörtem Mahl behaupten, dass es in der „Krone“ butterzartes Kalbsbries mit Fisolen und ein saftiges Tiroler Gröstl gibt.

Später am Nachmittag, weiter nördlich im Eisacktal. Lajen-Ried. „Die Wiege des Törggelen“, sagt Herbert Hintner, der schon wieder Hunger hat. Auf dem Buchnerhof – oder einem der alten Höfe in der Gegend, so genau weiß das keiner – kam Walther von der Vogelweide zur Welt. Ins Holz der Stube ist die Jahreszahl 1640 eingekerbt; der Speck ist formidabel würzig; in der Küche brutzeln pausenlos Strauben, und gelegentlich explodiert eine Kastanie auf der heißen Herdplatte.

Heimwärts nach St. Michael/Eppan. Das „Restaurant zur Rose“ liegt in einer schmalen Seitengasse. Der Filialleiter in der Raiffeisenbank gegenüber braucht nur aus dem Fenster zu schauen und weiß über die Auslastung seines Kunden Bescheid. Er kann beruhigt sein. Es ist Montagabend, die „Rose“ ist ausgebucht. Hintner wirft sich in die Kochjacke, die Brigade spurt noch nicht richtig, aber es ist ihm völlig egal, dass an diesem Abend auch Gäste am Chef’s Table in der Küche sitzen. Es fallen wieder diese nicht sehr druckreifen Sätze, weil die Amuse-Gueules, die längst draußen sein sollten, noch immer nicht fertig sind. Hintner liebt die Hitze des abendlichen Küchengefechts; seine Perspektiven sind Cohiba und Champagner nach Küchenschluss.

Vor 25 Jahren heiratete der junge Mann aus dem Gsieser Tal hierher, kochte mit seiner Frau Margot, der keiner irgendetwas über Südtiroler Wein erzählen braucht, eine Zeit lang für die Soldaten der nahen Kaserne und bediente das einzige Münztelefon im Dorf, das im Gasthaus stand. War das immer eine Rennerei, wenn wieder wer anrief und dringend jemanden vom anderen Ende des Dorfs sprechen wollte. Da blieb nur ein Ausweg: Hintner ersetzte das Münztelefon durch einen Michelin-Stern.

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