eatdrink von Klaus Kamolz Lob der Nachsaison
Es ist früh am Morgen, gerade hell geworden, und im Hafen von Novigrad stauen sich die Fischkutter zurück zu den Molen. Am Himmel findet eine faszinierende Luftschlacht statt. Einer Möwe hängt ein längliches Stück Fisch aus dem Schnabel; sie wird von zwei anderen gejagt, schlägt Haken, und dann kommt die vernichtende Attacke von schräg unten. Weg ist die fangfrische, vom Kutter gestohlene Seezunge, und die Jägerin wird selbst zur Gejagten. Spät im Herbst, wenn sich die Lockvögel vor den wenigen noch geöffneten Touristen-Konobas die Füße in den Bauch stehen, manchmal einen ganzen Abend lang, ohne auch nur einen Gast überreden zu können, beginnt die Saison der fabelhaften Seezungen aus der Bucht von Tara südlich von Novigrad. Ihr Fleisch ist fester geworden, seit das Meer abgekühlt ist. Vor allem aber sind sie jetzt da.
Sergio Jugovac radelt jeden Morgen von seiner Konoba Cok hinunter zum Hafen, klingelt dabei wie ein Verrückter, stellt den Drahtesel ab und betritt eines der Schiffe zum täglichen Verkaufspalaver. Warum sind sie jetzt da, Sergio? Jedes Jahr schwimmen sie bei Italien die Adria hinauf, drehen bei Triest um und kommen hier wieder runter. Fischer spannen Netze, Seezunge schwimmt hinein, zack, ganz einfach. Ganz einfach geht es auch in der Haubenküche des Cok zu, wenn Seezungen zubereitet werden. Nicht grillen, sagt Jugovac, nur dämpfen, mit ein bisschen Salz. Auf dem Tisch stehen für den letzten Schritt der Verfeinerung ein paar der besten Olivenöle Istriens bereit, vor wenigen Tagen gepresst, frischer geht es nicht: Terre bianche zum Beispiel oder Ipsa. Ein feiner Strahl über den Fisch, und der Genuss ist vollendet. Das gilt auch für anderes Meeresgetier, das nicht einmal gegart wird. In der Cok-Küche ist auch roh marinierter Fisch angesagt. Branzino, Goldbrasse oder Scampi von der Ostküste, wo in der Kvarner Bucht nächtens angeblich besonders vollmondnächtens sensationelle Kaisergranaten gefangen werden. Ein Spritzer Zitronensaft, Fior di sale und Olivenöl.
Bleiben wir noch ein wenig bei Öl und Fisch. Ein paar Kilometer landeinwärts von Novigrad, in Brtonigla, liegt die Konoba Astarea von Antun Nino Kernjus. In diesem holzstrotzenden Ambiente dominiert der offene Kamin, ohne den hier gar nichts läuft. Unter der Crpnja, einer traditionellen Eisenpfanne mit gewölbtem Deckel, über den glühende Asche geschaufelt wird, gart Nino Fische aller Art samt Beilagen. Der Hammer aber sind die von Tauchern heraufgeholten Jakobsmuscheln in der Schale, die in einer verdampfenden Marinade aus Malvazija, Kognak und Olivenöl über offenem Feuer gar ziehen. Ich kippe wie empfohlen noch einen Teelöffel grün schimmerndes Olivenöl drüber und bestelle bald nach. Noch drei, und dann noch einmal drei.
Der einzige Wermutstropfen: Ich kann mir zwar den Kofferraum mit Istriens wunderbaren Olivenölen anfüllen, aber Sergios gedämpfte Seezungen, die roh marinierten Kvarner Scampi und Ninos Jakobsmuscheln aus Wildfang bleiben zu Hause nur eine traumhafte Erinnerung. Zum Glück haben die beiden den Winter über geöffnet.