Ein Happy End

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Ende gut, alles gut. Den rechtsextremen Irrläufer der Kirche in unserem Land, Kurt Krenn, sind wir demnächst los. Das Sodom-und-Gomorra-Priesterseminar zu St. Pölten wird, so ist zu vernehmen, schlicht und einfach geschlossen.

Der Vatikan hat offensichtlich aus dem Fall Groer und den darauf folgenden Wellen von kirchlichen Sex- und Missbrauchsaffären allüberall gelernt, jetzt schnell gehandelt und einen Visitator in die niederösterreichische Stadt des heiligen Hippolyt entsandt.
Darüber hinaus können sich die österreichischen Katholiken freuen: Ihr oberster Chef, Christoph Schönborn, der Kardinal, hat in der Affäre kräftig an Reputation gewonnen. Zu Recht. Schon in seiner Rede zum Tod von Thomas Klestil im Parlament fand der Mann, der für seine salbungsvoll-wolkige und diplomatisch-weicheiige Rhetorik bekannt war, unerwartet klare Worte zur abstoßenden Heuchelei politischer Nachrufer. Dann löste er auf menschliche und elegante Weise das für Katholiken prekäre Problem, welche Rolle die zwei Klestil-Witwen Edith und Margot beim präsidentiellen Begräbnis spielen sollen. Und jetzt hat der sonst so verbindliche Kirchenfürst vor dem TV-Publikum seinem Kollegen Krenn zornig die Leviten gelesen und sogar offen Rom kritisiert. Schönborn wird regelrecht mutig und hat das Potenzial, noch richtig populär zu werden.

Auch die Medien (profil nicht ausgeschlossen) können sich glücklich schätzen, haben ihnen die Sittenbilder aus der Welt der Alumnen, Regenten und Eminenzen, die sie dem Publikum übermittelten, doch gute Auflagen gebracht.
Ende gut, alles gut.

Dennoch bleibt die Frage: Wie kommt es, dass das vermeintliche kirchliche Lotterleben von St. Pölten – strafrechtlich relevant bei Kinderpornos; nur innerhalb der Kirche anstößig, wenn es um Zungenküssen und Hosentürl-Grapschen unter Erwachsenen geht – die Nation über zwei Wochen lang erschütterte? Was ist das für ein Land, wo solches zum aufregenden Hauptgesprächsthema wird?

Gewiss: Das alles passierte im Sommerloch. Und wie schon mehrfach bemerkt, hat Krenn noch allemal einen hohen Unterhaltungswert. Das alles beantwortet aber nicht wirklich die Frage, warum die Österreicher dermaßen auf diese Geschichte abfahren konnten.

Die Antwort ist einfach. Trotz der Klagen über leere Gotteshäuser und grassierende Kirchenaustritte, trotz des ach so gottlosen modernen Lebens: Österreich ist ein durch und durch katholisches Land.

Hier geht es weniger um das allgegenwärtige Glockengebimmel im Land oder um die unzähligen frommen Marterln, die sich in der so schönen Landschaft drängen. Von den Kreuzen in den Schulen und Gerichten soll da nicht geredet werden. Hier wird auch nicht behauptet, dass die Kirche eine besondere reale Macht im Staat innehat.
Symbolisch aber ist sie noch allemal überaus stark.

Bei allem Respekt vor Schönborn: Warum eigentlich muss der Kardinal im Parlament reden? Und wieso geriet das Begräbnis des Staatsoberhauptes zu einer – durch Militärprunk verzierten – rein kirchlichen Zeremonie? Wo war da die Republik? Wenn es um brennende Fragen der menschlichen Zukunft geht – wie etwa Gentechnik, Klonen, Stammzellenforschung und Ähnliches –, ist der Erste, der einen vom staatlichen Fernsehschirm anblickt, einer der vielen Theologen, der verkündet, was gut und was böse daran ist. Nicht, dass die nicht ihre Meinung sagen sollten. Aber sie gebärden sich meist so, als ob sie ein Monopol auf die Fragen von Ethik und Moral hätten. Und dieser Anspruch wird nicht infrage gestellt. Bemerkenswert auch, dass eine der wenigen Sendungen im ORF-TV, in der gescheite Leute über interessante Fragen reden, „kreuz & quer“ ist, ein gut gemachtes Produkt des Kirchenfunks.

Ins Bild passt auch die Tatsache, dass die Fundis, die uns der Vatikan als Bischöfe beschert hat, die Groers, Launs und Krenns, die wie Fleisch gewordene antiklerikale Karikaturen aus dem 19. Jahrhundert auftauchten, dass diese Kirchenfürsten, die immer wieder penetrant die absolute göttliche Wahrheit verkünden, trotz allem in den Meinungsmainstream eingemeindet wurden. Krenn schreibt bekanntlich seit Jahren eine regelmäßige Kolumne in der auflagenstärksten österreichischen Tageszeitung.
Ein bisschen ragt offenbar das 19. Jahrhundert ins Österreich des 21. Jahrhunderts hinein.

In seiner „Kritik der zynischen Vernunft“ hat der Philosoph Peter Sloterdijk eindrucksvoll nachgezeichnet, wie die Aufklärung in katholischen Ländern nicht zuletzt über die Kritik an der Heuchelei und der Doppelmoral der Kirche transportiert wird. Der geile Pfaffe ist dabei eine der Grundfiguren: „Die Klerikerentlarvung gehört zum Katholizismus wie das Lachen zur Satire.“

Ein bisschen aufgeklärter wird nach der Krenn-Affäre die österreichische Gesellschaft wohl sein. Und zu hoffen ist, dass der Skandal dazu beiträgt, dass der österreichische Staat sich auch symbolisch säkularisiert.

Dass Rom mit Hans Küng einen Mann des Opus Dei, einer besonders obskurantisch-reaktionären Gruppierung des Katholizimus, nach St. Pölten geschickt hat, damit er aufklärt, was da passiert ist, mag freilich als ironische Pointe gelten.
Die Wege der Aufklärung sind unergründlich.