Ein Western zu Ostern

Ein Western zu Ostern

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Ein Mann, der gehofft hatte, mit einem Blick aus seiner rosaroten Brille die gespenstisch blau-schwarze Hexenküche siegreich ausspionieren zu können, verlor seinen üblichen Gleichmut, als er merkte, er würde eine streng rot umrandete Brille brauchen, um sich in den finsteren Gefilden seines strombewehrten Flusstals so behaupten zu können, dass er aus einem Red River einen Rio Bravo machen könnte.

Er war, trotz mancher Argumente, die seine Gedanken im wüsten Wind zerflattern ließen, nicht unstolz auf sich: Er hatte sich vorgenommen, jede erfolgreiche Idee mit einer Kerbe an seinem Gürtel zu manifestieren; augenblicklich zierten den zweimal um seinen Leib geschlungenen zweieinhalb Meter langen Gürtel immerhin schon drei Kerben.

Er war „startklar“.

Er wusste, wie es lang und auch häufig weilig gehen muss, aber er wusste nicht, warum eine Salzburgerin viel klarer zu einem erfolgreichen Start in die große Politik schien als er, der doch noch erst unlängst die Ehre hatte, von Gerhard Schröder reinen Kaffee eingeschenkt zu bekommen.

Was hatte dieses Weib ihm voraus? Seine Parteifreunde, die schon seit Viktor Klimas Zeiten nicht so recht wussten, auf welcher Scheibe sich die Sozialdemokratische Partei immer mehr zerkratzend abspielte, konnten ihm auch nur mitteilen, dass diese Frau mit einem gesunden Geist und mit zwei Beinen auf dem Boden geboren war. Sie wäre mit treffsicherer Weltoffenheit ausgestattet, sie käme mit Frauen wie mit Männern gleich hervorragend aus, sie sei mit beiden Geschlechtern aufgewachsen.

Alfred verfiel in eine zielgerichtete Düsternis. Er wusste nun um das Geheimnis jener Salzburger Buhlschaft, der dort jedermann erlag. Er wurde rot vor Scham, als er die Unterlegenheit seines Geschlechts erbarmungslos vor Augen sah; sie, die ihn wie eine Gabi Holliday als einen Calamity Alfred hatte dastehen lassen, hatte den erzieherischen Vorsprung gehabt, schneller als er das andere Geschlecht kennen zu lernen. Und damit auch zu berechnen. Und damit auch zu lackmeiern. Als er den Unterschied zwischen einem Turngewand und einer gleichfarbigen schwarzen Strumpfhose nur ungefähr wahrnahm, wusste sie schon Bescheid, wie man dermaleinst politische Männer bis auf die Unterhosen auszieht.

Der 45-Jährige steckte behutsam seinen 45er-Peacemaker ein, um den Krieg mit der lästigen, listigen Lady ein für alle Mal zu beenden. Ehe er, mit einer Patrone im Stecktuch behaftet, auf einen Schuss Erfolg ausging, hinterließ er noch eine die Parteigrenzen überschreitende Nachricht. Da er wusste, dass sowohl Schüssel als auch Khol Töchter besaßen, warnte er sie davor, Mädchen fürderhin in die gleichen Schulen gehen zu lassen wie die Burschen.

Die Mädchen würden in einer aufrechten Koedukation jenes Geschlecht zu einer völlig verfrühten Unzeit kennen lernen, würden Mängel, Mankos, Malheure und misslichste Geburtsfehler wie den mit Recht beanspruchten Herrschaftswillen bemerken. Sie würden versuchen, das in aller Welt vorherrschende und für den Erhaltungstrieb der Menschheit unüberwindbar wichtige Sittengemälde des überlegenen Mannes in den Dreck zu ziehen.

Alfred hinterließ sogar eine Nachricht an einen ehemaligen Mitesser, in der es hieß, dieser sei sogar mit einer Schwester schwer geschlagen. Dann stieg er in einen stante pede geleasten Jaguar und roarte mit ihm nach Salzburg. In der Getreidegasse traf er die Löwin beim Fleischer.

„Ich glaube, ich habe mich bei meinem letzten Wahlkampfeinsatz in Unterkreuzstätten deutlich genug ausgedrückt. Ich habe klar gemacht, dass dieses Land keine Marschallin wie im Salzburger ,Rosenkavalier‘ braucht, sondern einen Marshal.“

„Ich sehe“, sagte die Frau, die ihr lebenstüchtiges Wissen nur deshalb einbringen konnte, weil es ihr gestattet war, mit Buben das Verfügungsrecht über persönliche Souveränität zu erlangen, „du hast nach deinem Auftritt dort zwei Paradeiserflecken noch immer nicht aus deinem Sakko weggekriegt.“

„Wir treffen uns in einer Stunde am Domplatz“, sagte der bleich gewordene Repräsentable. „Denn ich bin high nun.“

Sie stoben auseinander, um, als die Sonne am höchsten stand, einander auf dem wie leer geschossenen Domplatz zu begegnen.

Gemächlich, wie es seine versonnene Art war, griff er mit der linken Hand in die Hosentasche und merkte schon eine Minute später, dass der Colt in der rechten Hosentasche war. Er zückte ihn, nestelte am linken Revers seines Sakkos herum, fand etwas Brauchbares, schob es in eine Trommel des Revolvers, drehte diese so weit nach rechts, dass das Geschoss im Lauf war, spannte den Hahn und richtete die Waffe auf eine Frau, die auf ihn mit zwei Bananen in der Hand zukam und ihm zumurmelte: „I glaub, I hab keine Ahnung, was du vorhin g’meint hast. Aber wenn wir schon was kreuzen wollen, magst auch eine?“, und reichte ihm eine Banane hin.
Unbeeindruckt drückte er ab. Aus dem Lauf fiel ein rotes Stecktuch.
„Ich hab g’wusst“, sagte die Koedukative, „ihr braucht’s uns.“