Rainer Nikowitz

Es ist ein gutes Land

Es ist ein gutes Land

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Liebe Ausländer! (Einschub: Dieses Manifest richtet sich selbstredend nur an die Ausländer im Ausland. An alle Ausländer im Inland: Schleichts euch!)
Bereits zum wiederholten Male seit ca. 1938 haben wir international eine schlechte Presse – und langsam, aber sicher sehen wir das nicht mehr ein. Deshalb fühlen wir gemeinsam mit unserer Bundesregierung den hehren Drang, Ihnen zu erklären, wie toll wir in Wirk­lichkeit sind (und bevor das jetzt wieder ­irgendein funktioneller Analphabet bei der „Times“ oder sonst einem Schmierblatt schreibt: Nein, die Regierung will mit diesem entschlossenen Auftreten gegen einen anstürmenden Außenfeind sicherlich nicht ein paar billige Punkte im Inland sammeln – das hat bei uns noch nie funktioniert). Vorweg müssen Sie einmal unbedingt eines wissen: Wir haben wunderschöne Berge, Wälder und Seen. Aber auch sonst sind wir nicht von schlechten Eltern – wenn Sie den Ausdruck erlauben. Da sich nunmehr mancherorts der Eindruck verfestigt zu haben scheint, wir würden Kinder zu sehr lieben, sei Ihnen versichert: Das ist grundfalsch. Wir erkennen zwar an, dass manche Leute immer noch glauben, sich unbedingt welche halten zu müssen, begeistert sind wir davon aber ganz und gar nicht. Kinder schmutzen – und dies sehr gerne auch im öffentlichen Raum –, und Kinder lärmen. Zweiteres leider keineswegs flächendeckend in eingezäunten Arealen fernab der Lebensbereiche jener Menschen, die glücklicherweise bereits als Erwachsene auf die Welt gekommen sind, was unter anderem dazu führt, dass unsere zahlreichen Kampfhunde – die unser aufgrund der bereits erwähnten dauernden schlechten Presse ein wenig angeknackstes Ego durch ihre liebevolle Zuwendung wieder aufmöbeln sollen – massivst in ihrer persönlichen Entfaltung behindert werden. Dieses Problem räumen wir ein, aber wir haben es erkannt und arbeiten daran.

Politisch sind wir sowieso grundsympathisch, denn wir sind zwar im Prinzip dagegen, aber von der tiefen philosophischen Einsicht umfangen, dass man gegen die da oben sowieso nichts machen kann. Sowie uns einer da oben aber markig darlegt, wo’s langgeht, sind wir auch schon dabei. Sie sehen also: Auch diesbezüglich sind wir hochgradig zuverlässig und berechenbar.
Weiters sollte nicht unerwähnt bleiben, dass wir wirklich über wunderschöne Berge, Seen und Wälder verfügen. Ers­tere wurden von uns darüber hinaus mit einer Unmenge von praktischen Aufstiegshilfen verschönert, was man zum Beispiel vom an sich auch nicht ganz schlechten Himalaya nicht behaupten kann, weshalb der Vergleich sicher machen sollte. Wie Sie sicherlich wissen, waren einige der bedeutendsten Künstler der letzten Jahrhunderte Österreicher, denken Sie auf dem Gebiet der Musik nur an Wolfgang Ambros oder Fidel Lavanttal, in der Malerei an Ferdinand Georg Waldmüller oder den international gesuchten Übermaler Martin Humer und in der Schauspielkunst an Albert Fortell oder den unvergessenen Menschendarsteller Adolf Hitler. Ein solches Übermaß an Talent kann, da sind wir uns hoffentlich einig, keinem schlechten völkischen Charakter entspringen. Soll heißen: Wir sind nette Leute. Wir schätzen die Ruhe, die man uns lässt, und die Ordnung, die andere für uns halten. Diese
ungerechterweise immer wieder verunglimpften Konstanten eines erfüllten Lebens werden, wie wir ahnen, zwar auch anderswo geschätzt, aber bei uns derf’s gerne auch ein bisserl mehr sein. Im Übrigen möchten wir auf unsere wunderschönen Berge und Wälder verweisen, von den Seen ganz zu schweigen.

Mitunter wird uns leider eine gewisse emotionale Ver-armung nachgesagt, eine minder ausgeprägte Fähigkeit, sich für Dinge zu begeistern, ja zu ereifern. Aber auch diesbezüglich können wir Ihnen garantieren: stimmt nicht. Jeder, der uns einmal auf der Überholspur der Autobahn erlebt hat, wenn zwei Meter vor uns ein sozial Unverträglicher nur 140 fährt, würde uns sofort als Zeuge gehen. Beruflich sind wir in erster Linie Suchende, aber nur
so lange, bis wir einen Arzt gefunden haben, der uns einen Grund für die Frühpension liefert. Unsere Unterwäsche wechseln wir nahezu täglich, außer, wenn sie eh noch sauber ist. Unser Lieblingstier – abgesehen vom bereits erwähnten Hund mit dem gesunden Gebiss – ist der bei uns unter strengem Artenschutz stehende gemeine Schleimscheißer, Pflanze des Jahres wird bei uns alljährlich die Thuje, wir schätzen sie so sehr, dass wir sie am liebsten nur mit der Nagelschere schneiden. Sie sehen also, wir sind eh voll o.k. Und wenn Sie sich ein bisschen näher mit uns beschäftigen, werden auch Sie nicht umhinkommen, gemeinsam mit uns zu finden, dass die Welt sogar eine bessere wäre, wenn alle so wären wie wir. Aber diese Hoffnung haben wir natürlich schon aufgegeben, weil ein bisserl sympathisch pessimistisch sind wir halt auch. Oh, haben wir eigentlich unsere wunderschönen Berge, Wälder und Seen erwähnt?