Inseratenaffäre

SPÖ. Neue Dokumente belasten den Kanzler

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Der 21. Jänner 2007 muss ein Jubeltag für die Schnittmenge von „Kronen Zeitungs“-Lesern und ÖBB-Kunden gewesen sein. Auf Seite 10 ­widmete sich Claus Pándi, damals Chronik-, mittlerweile Politikredakteur, dem Wahrheitsgehalt des ÖBB-Slogans „Bahn fahren, Nerven sparen“: „Fast täglich erreichen uns in der Redaktion Mails über Ärgernisse wie Zugverspätungen, verschmutzte Waggons, Handyprobleme in der Bahn oder Klagen über die Speisewägen. Aber: neuer Minister, neue Chance. Werner Faymann ist als Infrastrukturminister nunmehr für die ÖBB zuständig. Er will sich der Probleme der Bahnfahrer annehmen. Und das geht am besten, indem er mit der ,Krone‘-Lesergemeinde in direkten Kontakt tritt.“ Und tatsächlich: In den folgenden Wochen beantwortet der neue Minister im „Krone“-Leserforum „Unsere Bahn“ Anfragen genervter Bahnkunden, unter anderem zu den Ärgernissen „unverständliche Fahrpläne“, „komplizierte Fahrkarten-Automaten“ oder „Probleme beim Reservieren über das Telefon“.

Alles hat seinen Preis, auch das „Leserforum ,Unsere Bahn‘“: Exakt 500.000 Euro betrug der Anzeigentarif für die mehrwöchige Serie. Das Finanzierungsmodell war originell: Nicht der gefeierte neue Minister zahlte die Inserate, sondern die geschmähte Bahn.

Diese Jubelpropaganda für den Minister war beileibe kein Einzelfall, Faymann lächelte oft aus Boulevardmedien. Nun ermitteln Staatsanwaltschaft und Bundesamt für Korruptionsbekämpfung, ausgehend von einer Anzeige der FPÖ. Der ­Verdacht: Staatsnahe Betriebe wie ÖBB und Asfinag sollen dazu vergattert worden sein, erkleckliche Anteile ihres Werbebudgets in Faymann-Promotions zu investieren. Die Erhebungen bringen den Kanzler und seinen langjährigen Vertrauten, Staats­sekretär Josef Ostermayer, zusehends in Bedrängnis. Nun zeigen profil vorliegende Dokumente, dass der Kanzler und sein Staatssekretär in ihren Kommentaren zur Inseratenaffäre nicht die Wahrheit sagten.

Seit Wochen nähren anonyme Aussagen ehemaliger Manager die Vermutung, dass die üppig mit Faymann-Fotos ausgestatteten Inserate der Jahre 2007 und 2008 alles andere als der Wunsch von ÖBB und Asfinag waren, sondern erst auf Druck des damaligen Infrastrukturministers und seines Kabinettschefs entstanden. Faymann und Ostermayer wiesen die Vorwürfe stets vehement zurück.

So dementierte Ostermayer in den „Salzburger Nachrichten“ jegliche Intervention: „Der Vorstand der ÖBB ist weisungsfrei gegenüber dem Eigentümer. Der Verkehrsminister kann keine Vereinbarung mit Medien abschließen, die die ÖBB bezahlen.“ Ähnlich tönte er später: „Es haben dann immer die Vorstände entschieden, wir haben nie Druck gemacht.“ Und ergänzte diese Argumentationslinie im ORF-Interview: „Die Verantwortung hat immer der Vorstand getragen. … Daher sind alle Abläufe formal völlig korrekt gemacht worden.“ Faymann selbst wies den Verdacht der Einflussnahme weit von sich: „Das ist Unsinn.“ Und ließ über seinen Pressesprecher zur Causa ausrichten: „Die Entscheidungen trifft einzig der Vorstand, denn die ÖBB-Unternehmensführung ist gegenüber dem Aufsichtsrat und den ­Eigentümern vollkommen weisungsfrei.“ Und wiederholte selbst vergangenen Donnerstag: „Alles war rechtlich in Ordnung, die Entscheidungen fallen dort, wo sie ­getroffen werden müssen.“ Also im Vorstand.

Diese Verteidigungslinie lässt sich nicht mehr aufrechterhalten.
Denn wie profil vorliegende Dokumente­ zeigen, entsprechen diese Aussagen nicht den Tatsachen.

Das belegt der mit 21.1.2008 datierte Jahresrevisionsbericht der Konzernrevision der Autobahnfinanzierungsgesellschaft Asfinag für das Jahr 2007. Darin wird auf den Seiten 15 und 16 unter Punkt 3.11. die Vergabe eines Inserats an die „Kleine Zeitung“ unter die Lupe genommen. Die Prüfer monieren: „Die zugrunde liegende Leistung wurde nicht von der Asfinag schriftlich in Auftrag gegeben.“ Auch der Vorstand oder ein sonstiges Organ, wie von Faymann oder Ostermayer stets behauptet, entschieden nicht über das Inserat. Der Beschluss fiel anderswo, wie es im Revisionsbericht heißt: „Der Auftrag wurde vom Büro BM (Bundesminister, Anm.) Faymann direkt an die ‚Kleine Zeitung‘ erteilt und der ‚Kleinen Zeitung‘ gegenüber mitgeteilt, dass die Rechnung an die Asfinag zu richten sei.“ Die Konzernrevision empfiehlt zwar, den offenen Betrag zu bezahlen. Kritisiert aber weiter in trockenen Worten: „Diese Art der Auftragserteilung entspricht nicht dem Regelprozess. Folgende Grundsätze wurden hierbei nicht beachtet: Fehlende Freigabe des Auftrages durch den Vorstand lt. Unterschriftenregelung. Schriftliche Auftragserteilung durch die zuständige Fachabteilung erfolgte nicht. Zeitgerechte Anlage der Beauftragung in SAP (Nachdatierung!) erfolgte nicht.“

Damit ist klar:
Die mit rund zehn Milliarden Euro schwer verschuldete Asfinag muss­te Zeitungsinserate­ bezahlen, die das Büro Faymann bestellt hatte. Der Vorstand wurde damit erst im Nachhinein befasst. Selbst als Bruchstücke dieses Revisionsberichts im Jahr 2008 via „Oberösterreichische Nachrichten“ bekannt wurden, wiesen Faymann und Ostermayer jede Einflussnahme von sich. Auch jetzt, von profil mit dem Revisionsbericht konfrontiert, sagt ein Sprecher des Bundeskanzlers: „Wie bereits mehrfach festgehalten, haben Minister aufgrund des geltenden Aktienrechts gegenüber einer Gesellschaft keinerlei Weisungsrecht. Demnach auch nicht beim Unternehmen Asfinag. Die Entscheidung, in welcher Art das Unternehmen mit der Öffentlichkeit kommuniziert, obliegt einzig und alleine den verantwortlichen Organen im Unternehmen selbst.“

In der Theorie mögen Faymanns Umfeld die Regelungen des Aktienrechts geläufig sein. In der Praxis schienen sie weniger relevant. Selbst kleine Medien berufen sich bei Inseratenaufträgen der ÖBB ungeniert auf ein „Gespräch mit Ostermayer“ – wie Georg Fuchs für das „Wiener Stadtteiljournal“, das den Umweltschutz durch Faymann bei den ÖBB preisen wollte. Pikantes Detail am Rande: Fuchs war Wohnbausprecher der Wiener ÖVP. Und schon im Jahr 2008 berichtete profil über einen Antrag an den ÖBB-Vorstand, in dem es wörtlich hieß, „Herr Minister Faymann hat mit der ‚Kronen Zeitung‘ eine mehrteilige Kooperation vereinbart.“

Eine erste Gesprächsrunde über Inseratenschaltungen der ÖBB gab es bereits im Jahr 2007, wenige Monate nachdem Faymann als Infrastrukturminister angelobt worden war. An der Unterredung nahmen neben Faymann auch Ostermayer und die damalige Faymann-Sprecherin Angelika Feigl teil. ÖBB-Generaldirektor Martin Huber war mit zwei Mitarbeitern der ÖBB-Kommunikationsabteilung ins Verkehrsministerium gekommen. „Dann wurde eine Studie eines Marktforschungsinstituts präsentiert, wonach das Image der ÖBB katastrophal sei“, so ein Teilnehmer. Das Institut hatte auch eine Empfehlung: Die Bahn sollte in möglichst auflagenstarken Medien eine breite Imagekampagne starten.

Im März berichtete Huber im Rechnungshofausschuss des Nationalrats von einem Treffen mit dem damaligen Kabinettschef Josef Ostermayer und ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker in einem Wiener Lokal im Februar 2008. Laut Huber sei ihm dabei signalisiert worden, ­sieben Millionen des 23-Millionen-Euro-Marketingbudgets der Bahn in Inserate für ­Faymann zu investieren.

Auch als Regierungschef bedachte ­Faymann vor allem den Boulevard mit öffentlich finanzierter Zuwendung. Bei einem Gesamtetat von vier Millionen Euro schaltete das Bundeskanzleramt im Jahr 2010 2,4 Millionen allein in „Kronen Zeitung“, „Österreich“ und der Wiener Gratiszeitung „Heute“.

Das erkaufte Wohlwollen wirkt nur noch bedingt.
Werner Faymann gerät zusehends unter Druck. Auch der Koalitionspartner schlachtet die Inseratenaffäre weidlich aus, kein Wunder: Sie bietet der Volkspartei einen willkommenen Anlass, sich ausnahmsweise nicht wegen dubioser Geldflüsse und Skandale der schwarz-blau-orangen Regierungen rechtfertigen zu müssen. Im ÖVP-Parlamentsklub wird sogar schon überlegt, die Oppositionsanträge für einen Untersuchungsausschuss zur Causa Inseratenvergabe zu unterstützen. Dem sieht die SPÖ allerdings gelassen entgegen. „Die Inserate sind eine patscherte Geschichte, aber sicher nicht auf einer Ebene mit den Korruptionsskandalen wie Eurofighter oder Telekom“, sagt SPÖ-Abgeordneter und Eisenbahner-Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl stellvertretend für viele Genossen.

Das Krisenmanagement der Kanzlerpartei läuft bloß untertourig. Bei der internen Klubklausur Anfang vergangener Woche wurde kaum über die Causa gesprochen. Parteichef Faymann referierte lieber über andere Themen. Tagelang fand sich, abgesehen von Ostermayer, niemand in der SPÖ, der den Parteichef öffentlich verteidigte.

Mit der Inseratenaffäre gerät das System Faymann insgesamt ins Wanken. Der stets freundlich-unverbindliche Lächler beurteilt politisches Handeln nach dessen Boulevard-Kompatibilität. Nationalratsabgeordnete berichten, vor ihrer Angelobung von Faymann nicht auf ihre politischen Ziele angesprochen – sondern nur befragt worden zu sein, ob sie Kontakte zur „Kronen Zeitung“ hätten.

Die Symbiose zwischen dem heutigen SPÖ-Vorsitzenden und dem Boulevard funktioniert seit Langem. Als Wiener Wohnbaustadtrat lachte Faymann aus Immobilienbeilagen, abgelichtet vor neu errichteten Gemeindebauten. Als Infrastrukturminister wurde er vor Zügen und Straßenbaumaschinen abgebildet. Billig waren diese Jubelinserate nicht, für Faymann machten sie sich bezahlt. Die Boulevardmedien dankten ihm mit Huldigungen. Als Faymann 2007 von der Stadt- in die Bundesliga aufstieg, übertrug er sein Herrschaftsmodell aufs Ministeramt: „Verteile und herrsche.“ Der Boulevard blieb ihm gewogen. Von „Österreich“-Chef Wolfgang Fellner wurde Faymann gar zum „Alpen-Obama“ erhoben.

Bizarrer Höhepunkt der Huldigungen war freilich im Wahlkampf 2008 der ernst gemeinte redaktionelle Hinweis der „Kronen Zeitung“, auch Tiere würden Faymann wählen.

Vom Boulevard lässt sich Faymann gleichermaßen treiben und tragen. Pfeift die „Krone“, wird das rote Dogma „Allgemeine Wehrpflicht“ über Nacht entsorgt. Die Zeitung dankte es mit Lob in großen Lettern und in Reimform: „Der Häupl tritt für Neues ein / Dem Darabos hat’s recht zu sein / Bezüglich Wehrpflicht meint auch Faymann / bereit, das Volk zu fragen, sei man.“

Teil des Verwöhnprogramms für befreundete Medien sind heiße Informationen aus dem Kanzleramt. Als die Regierung im Dezember 2009 in Klagenfurt um das Überleben der Hypo Alpe-Adria-Bank rang, war der Stand der Verhandlungen in Echtzeit auf dem Internetportal von „Österreich“ nachzulesen – für die Zeitung ein redaktioneller Erfolg, für den Koalitionspartner ÖVP ein Ärgernis. Während der Verhandlungen der EU-Finanzminister zur Griechenland-Krise im Mai 2010 soll der damalige Ressortchef Josef Pröll einen Anruf der „Krone“ erhalten haben, ob es denn zutreffe, dass Österreich in einem ersten Schritt 600 Millionen Euro zur Griechenland-Rettung zahlen müsse. Bemerkenswert: Über die exakte Höhe des rot-weiß-roten Beitrags hatte Josef Pröll seinen Regierungschef Faymann erst eine halbe Stunde zuvor informiert.

So entschlossen Faymann und Ostermayer als Info-Anfütterer befreundeter Medien handeln, so wehleidig reagieren sie auf Kritik – bisweilen sogar auf gezeichnete. So hatte sich im Juli 2008 ein freier Karikaturist der „Wiener Zeitung“ ­Faymanns Unmut zugezogen. Hans Dichand, für dessen „Krone“ der Zeichner Comicstrips („Superrudi & Superstruppi“) verfasste, exekutierte den Groll des angehenden SPÖ-Vorsitzenden und untersagte seinem Mitarbeiter weitere politische Karikaturen. Ein Jahr später wurde der Cartoon in der „Krone“ eingestellt.

Die Skepsis des Kanzlers gegenüber anderen Medien als den befreundeten sitzt tief. Aus seinen Wiener Zeiten kaum medialen Gegenwind gewohnt, wähnt sich Faymann seit Beginn seiner Kanzlerschaft von einer Phalanx bürgerlicher Medien verfolgt. Missfällt ein Artikel, wendet sich Faymanns Adlatus Ostermayer vorzugsweise direkt an die Medieneigentümer statt an den betroffenen Journalisten. Einzige wirkliche Herausforderung für Faymann & Co ist es, bei der Gunstverteilung am Boulevard die Balance zu halten. Mehr als einmal sollen Hans Dichand und Erben über ihrer Meinung nach zu groß­zügige Inseratendotierungen für den Konkurrenten Wolfgang Fellner und dessen „Österreich“ erbost gewesen sein.

In wirklich wichtigen Belangen verlassen sich staatsnahe Betriebe ohnehin auf das Original. Am 9. Oktober starten die ÖBB laut einem internen Management-Memo eine breite Kundenkampagne: Gesucht wird der beliebteste ÖBB-Mitarbeiter aus rund 8500 Zugbegleitern, Bahnhofsbeschäftigten und Postbuslenkern. Die Aktion wird laut Memo von Verkehrsministerin Doris Bures unterstützt – und von der „Kronen Zeitung“.

Mitarbeit: Josef Redl

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin