Rainer Nikowitz

Finale!

Finale!

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Das Leben könnte einem wirklich Schlimmeres zumuten als das momentane Dasein eines von einem Unentschieden enthusiasmierten österreichischen Fußballfans. Man könnte zum Beispiel, trotz einer aus allen Poren drängenden Vorliebe für experimentelle kambodschanische Lyrik, von den auf einen anständigen Brotberuf bestehenden Eltern dazu genötigt werden, den seit vier Generationen und zweieinhalb Monaten in Familienbesitz befindlichen Gastronomiebetrieb zu übernehmen. Und sich dann mit rasiermesserscharfem unternehmerischem Weitblick um einen Stand in der Klagenfurter Fanzone bewerben, wo man später durch launiges Zureden den zweiten anwesenden Fan zum Konsum eines hierzulande bis zum Exzess beliebten Carlsberg-Bieres um christlich kalkulierte 4,50 Euro zu ermutigen und somit den Tagesumsatz schon wieder um 100 Prozent zu steigern sucht. Man könnte vielleicht auch in der Klagenfurter Sicherheitsdirektion tätig sein, die gegen 140 kurzfristig verhaftete deutsche Hooligans, die „Alle Polen sollten einen gelben Stern tragen!“ skandierten, mit folgendem Argument keine Anzeige erhob: „Die Sprüche konnten keinen konkreten Personen zugeordnet werden.“

Man könnte auch vom Arbeitsamt dazu überredet werden, sich ein Trix- oder Flix-Kostüm anzuziehen, um dann mit seltsamen Verrenkungen bei den Zuschauern etwas hervorzurufen, das man in der UEFA-Zentrale offenbar unter Stimmung versteht. Man könnte aber natürlich auch einfach Schweizer sein. Oder Bundespräsident Heinz Fischer, der sich das Spiel Österreich gegen Polen neben dem ob seiner Umgänglichkeit nahezu weltweit hochgeschätzten polnischen Zwilling Lech Kaczynski anschauen durfte. Oder aber, um in Ballnähe zu bleiben: Österreich hätte zum Beispiel in ebendiesem Match in der 92. Minute keinen Elfmeter zugesprochen bekommen haben können.
Oder: Andreas Ivanschitz hätte zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Platz stehen und den Elfmeter geschossen haben können. Oder es hätte neben dem mit einem unbändigen Zug zur Torschusspanik ausgestatteten Martin Harnik überhaupt Roland „Aber du darfst ruhig Ronaldo zu mir sagen“ Linz, der es sich langsam wirklich verdient hätte, dass eine Sackgasse nach ihm benannt wird, von Anfang an spielen und dann durch den bisher noch bei jedem Würfelpokerspiel im Teamcamp brandgefährlichen Roman Kienast ersetzt werden können. Während Jimmy Hoffer, bei dem möglicherweise tatsächlich die Gefahr bestünde, er könnte etwas anderes treffen als einen sich unsportlich extrabreit machenden polnischen Tormann oder die blöd im Weg herumhängende Anzeigetafel, schon das zweite Spiel hindurch nur auf der Bank … O. k. Das war jetzt ein wenig sehr weit hergeholt.

Immerhin: Das Finale der EM heißt also Österreich gegen Deutschland. Es kommt jetzt zwar ein wenig früher als von der UEFA ursprünglich geplant, aber das liegt schließlich nur daran, dass wir es endlich einmal allen gezeigt haben. Außer vielleicht den Kroaten. Und der spanischen Zeitung „El Pais“, die schrieb: „Österreich ist ein hermetisches, introvertiertes und gut entwickeltes Land. Soll heißen, dass es alle Bedingungen erfüllt, um von der Landkarte des Fußballs zu verschwinden. René Aufhauser, ein Stammspieler in der österreichischen Mannschaft, ist wie die Mehrheit seiner Kollegen ein Unglücksfall. Dieser Mann wurde wohl von einer Skischule abgewiesen, ehe er sich dem Ball widmete.“ Und die ebenfalls spanische Zeitung „As“ meinte, ein Stürmer wie David Villa hätte aus den drei hochkarätigen Chancen, die Österreich in den ersten 20 Minuten gegen Polen versiebte, „vier Tore gemacht“.

Das ist natürlich ungerecht, denn es gibt bei dieser EM Mannschaften, die wesentlich weniger Unterhaltungswert bieten als unsere. Eine davon wird den Spaniern auch die gerechte Strafe für ihren Hochmut angedeihen lassen: Ihre Mannschaft wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom letzten Gruppengegner, der griechischen Rentnergang, in eine kataleptische Starre hineinfadisiert werden und erst vier Tage später, nach dem verlorenen Viertelfinale, wieder erwachen. Es sei denn, der Gegner im Viertelfinale heißt Frankreich – dann verlängert sich dieser beklagenswerte Zustand natürlich um weitere vier Tage.

Für das österreichische Finale am Montag und die damit zusammenhängende Aufstiegsfrage gibt es im Übrigen natürlich nur einen einzigen zur jüngeren österreichischen Fußballgeschichte passenden Ausgang: Österreich gewinnt in einem begeisternden Spiel, mit dem die teilnehmenden Kicker dann ihre Nachfolger ebenso 30 Jahre lang nerven wie Krankl & Co die letzten 30 Jahre mit Córdoba, mit 1:0. Gleichzeitig erzielt Polen im Parallelspiel gegen die als Gruppensieger feststehenden und darob mit dem Zeugwart als einzige Sturmspitze, dem Busfahrer als Spielmacher und dem – allerdings in Traumform agierenden – Koch im Tor antretenden Kroaten in der 96. Minute nach einem vorangegangenen Stürmerfoul aus Abseitsposition und mit der Hand das 2:0 – und steigt auf.