Aus Kärntner Kellern

Kärnten: Das Erbe der FPK ist schlimmer als befürchtet

Kärnten. Das Erbe der FPK ist schlimmer als befürchtet

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Da drüben, vor dem Klagenfurter Rathaus, stand damals die Rednertribüne. Von da hinten, durch die Bahnhofstraße, marschieren fast 10.000 Demonstranten an. Und dort, wo der Cafétier gerade seine Tische in den sonnigen Vormittag räumt, stand damals der ORF-Übertragungswagen. Ein Dutzend wutschnaubender FPÖ-Anhänger wollte ihn umwerfen, die Reporter und Techniker entkamen dem Mob mit knapper Not.

Es war der Abend des 19. Juni 1991, der Kärntner Landtag hatte mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP Jörg Haider soeben wegen dessen Lobpreisung der „ordentlichen Beschäftigungspolitik“ der Nationalsozialisten als Landeshauptmann abgewählt.

Der profil-Berichterstatter war damals mit dem von den Freiheitlichen organisierten Sonderzug von Villach nach Klagenfurt mitgereist. In seinem Abteil wurde von einigen FPÖ-Kämpen heftig das Gerücht diskutiert, Hugo Portisch sei in Wahrheit ein illegitimer Sohn Simon Wiesenthals, also „a Jud’“.

+++ „Kärnten stand vor dem Zusammenbruch“ - Landeshauptmann Peter Kaiser im Interview +++


Erst 22 Jahre später dürfte dieser Spuk endgültig vorbei sein.
Jörg Haider ist seit 2008 tot, seine Partei wurde am 3. März von einer wütenden Wählerschaft aus dem Amt gejagt: Minus 26 Prozentpunkte – das gab es noch nie in Österreichs Geschichte. Zurück bleibt ein schwer geprüftes Land. Kärnten hat die höchsten Schulden, die geringste Kaufkraft, die schwächste Wirtschaftsdynamik und eine besorgniserregende Demografie: Als einziges Bundesland verliert es an Bevölkerung.

Mitte kommender Woche will Finanzlandesrätin Gaby Schaunig das Ergebnis ihres „Kassasturzes“ vorlegen, und erste Gerüchte verheißen nichts Gutes. Die „Presse“ mutmaßte vergangene Woche schon, der Schuldenstand könnte sogar die Vier-Milliarden-Marke durchbrechen. Die Lage dürfte – abgesehen von der Höhe der Schulden – ernster sein als erwartet, weil die Dörfler-Mannschaft mehr langfristige Verpflichtungen eingegangen ist, als bisher bekannt war. Der Spielraum der neuen Koalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen wird damit noch enger.

Bis 2021 muss das Land zwölf Millionen Euro für das kaum genutzte Wörthersee-Stadion zuzahlen, das für die Fußball-EM 2008 auf heftiges Betreiben Jörg Haiders hypertroph auf 32.000 Zuschauer ausgelegt wurde. Bespielt wird es heute von Austria Klagenfurt; die Mannschaft rangiert derzeit auf Rang acht der Regionalliga Mitte. Durchschnittlich verloren sich im Stadion-Rund bei einem Heimspiel dieser Saison laut Liga-Statistik 669 Zuschauer. Auslastungsgrad 2,1 Prozent – das ist für ein Fußballstadion dieser Größe wohl negativer Weltrekord. Anders gerechnet: Bei 20 Spieltagen subventioniert das Land jedes Match mit 75.000 Euro.

Nicht viel billiger kommt Kärnten auch die Seebühne Klagenfurt – eine weitere Idee des tödlich verunglückten Landeshauptmanns. Als Kulturlandesrat Wolfgang Waldner (ÖVP) das Objekt bei seinem Amtsantritt übernahm, fiel er aus allen Wolken: 645.000 Euro jährlich muss er aus seinem schmalen Kulturbudget für die nur an elf Tagen im Jahr bespielte Seebühne lockermachen. Die einzelnen Veranstaltungen wurden von Waldners Vorgänger Harald Dobernig (FPK) noch gesondert subventioniert. Die vorjährige „Starnacht am Wörthersee“ etwa bekam 200.000 Euro zugeschossen, der Auftritt des Nockalm-Quintetts wurde mit vergleichsweise bescheidenen 45.000 Euro unterstützt – so viel nimmt die Seebühne übrigens in einem Jahr ein.

Nach dem Kassasturz will Waldner den mit Vertretern der Stadt und des Landes besetzten Bühnenausschuss zusammentrommeln und über das weitere Vorgehen entscheiden. Nicht ausgeschlossen, dass die Anlage einfach demontiert wird.

In manchen Jahren hatte die Problembühne bis zu fünf Millionen Euro Verlust erwirtschaftet. Wichtigster Geldgeber war, wie bei den meisten Haider-Projekten, die Hypo Alpe-Adria: Der Landeshauptmann bediente sich nach Belieben aus den Hypo-Kassen, im reinen Bewusstsein, er habe die Bank erst richtig groß gemacht. Denn immer wieder hatte die Kärntner Politik die übernommenen Haftungen für die Landesbank aufgedoppelt und damit der Hypo zu billigem Geld verholfen.

„Kärnten wird reich.“

Als sich die EU anschickte, diese Praktiken abzustellen, wurden auf Betreiben Haiders flugs noch weitere fünf Milliarden an Haftungen übernommen. Über das damit verbundene Risiko ging man mit großer Geste hinweg. 2006 belief sich die vom Land übernommene Haftungssumme auf 24,7 Milliarden Euro – das sind zwölf Jahresbudgets des Landes Kärnten oder ein Drittel eines Bundesbudgets. 2007 wurde die Hypo zwar an die Bayern LB verkauft, die Haftungen blieben aber beim Land. „Kärnten wird reich. Kärnten ist und bleibt auf Zukunftskurs“, posaunte Haider am Tag des Verkaufs, aus den „Querulanten“ spreche nur der blanke Neid: „Wir werden das Geld für künftige Generationen anlegen.“

Ein bitterer Scherz, denn schon damals stand die Hypo und damit das Land Kärnten am Abgrund. Die Bank hatte sich wegen der bequemen Landeshaftungen zu immer riskanteren Kreditgeschäften hinreißen lassen. Heute sitzt sie auf elf Milliarden Euro an faulen Krediten; das ist etwa die Hälfte der ausstehenden Kreditsumme.

Die Bayern hatten schon 2009 gedroht, die Hypo pleitegehen zu lassen. In einer dramatischen Nachtsitzung in Wien einigten sich damals Bund und Land Kärnten auf die Notverstaatlichung der Bank. Die Freiheitlichen reagierten noch vor dem Sitzungssaal gewohnt frech: Landeshauptmann Dörfler rühmte das Verhandlungsgeschick der Kärntner Delegation und fuhr nach Klagenfurt, um wieder Hunderter aus der Handkassa zu verteilen. Heute versucht die Strache-FPÖ sich abzuputzen, indem sie sickern lässt, der damalige Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) habe die Bayern-Landesbank ja nur deshalb von der Last der maroden Hypo befreit, weil er seinen Parteifreunden von der CSU helfen wollte. Das ist empörender Unsinn: Wäre die Hypo 2009 tatsächlich pleitegegangen, hätte das Bayern rund drei, Österreich wegen der hohen Haftungen Kärntens aber 20 Milliarden gekostet.

Schon damals rettete die Republik das von freiheitlicher Misswirtschaft zerrüttete Land vor dem Untergang. Derzeit haftet Kärnten immer noch für 11,5 Milliarden. Sollte die Hypo die auslaufenden Anleihen nicht mehr bedienen können, muss abermals der Bund einspringen.

Wobei die FPK-Regierung die finanzielle Lage aus gutem Grund konsequent verschleierte, indem sie dem Landtag einfach keine Budgetabschlüsse vorlegte, einmal sogar drei Jahre lang nicht. Angesichts des vorerst letzten Jahresabschlusses, jenem von 2010, waren die Prüfer des Rechnungshofs eher ratlos. „Die wahre finanzielle Lage des Landes war den Rechnungsabschlüssen nicht zu entnehmen“, hielten sie verblüfft fest. Das Budgetjahr 2011 ist bis heute nicht abgerechnet.

Unvermeidlich, dass in solchem Tohuwabohu alles aus dem Ruder läuft. So stiegen Kärntens Ausgaben für den Schuldendienst zwischen 2005 und 2011 um nicht weniger als 138 Prozent und damit sechsmal so stark wie jene für Bildung, Forschung und Familien.

Das gebrochene Verhältnis der Kärntner Freiheitlichen zu öffentlichem Eigentum, also zu Steuergeld, zeigt sich bis ins schrille Detail. So fanden sich in den von den Freiheitlichen geräumten Ressorts Rechnungen beträchtlicher Höhe für Agitprop-Veranstaltungen im anrollenden Wahlkampf. 74.000 Euro gab Finanzlandesrat Dobernig im Jänner für seinen Neujahrsempfang aus; die von ihm inszenierten „Valentinskonzerte“ mit Auftritten von FPK-Granden schlugen mit 111.720 Euro zu Buche. Landeshauptmann Dörfler hatte deren Kosten mit 50.000 angegeben.

profil konnte vergangene Woche in Klagenfurt eben aufgetauchte Rechnungen für Geschenkartikel einsehen, die Dörfler als Straßenreferent kurz vor Wahlkampfbeginn als Verteilmaterial angekauft hatte. Für PEZ-Zuckerl-Spender mit dem Motiv „Polizist Ferdinand“ wurden stolze 46.200 Euro ausgegeben, für die dazugehörigen Zuckerl weitere 22.800. 1000 Windjacken beliefen sich auf 43.300 Euro, 7500 Kinderzahnbürsten auf 18.900 Euro.

Bau-Landesrat Gerhard Köfer war in einer Villacher Lagerhalle schon vor zwei Wochen auf offenbar nicht mehr unter die Wähler gebrachte Geschenkartikel gestoßen: 2500 Fahrradhelme, 6500 Babyschnuller, 17 Schaukelpferde und 27 Plüschtiger. Geschätzter Wert: 50.000 Euro.
Beim Spatenstich an der Lavanttal-Brücke ließ Dörfler – ein Liebhaber solcher Zeremonien – 1000 Spaten an die Besucher verteilen. „In das Fundament wurde blauer Beton eingegossen. Da sich die Parteifarbe während der Bauzeit änderte, wurden die letzten Brückenmeter in Orange betoniert“, recherchierte Anfang Mai die „Kleine Zeitung“. Dörfler habe das „einen Dank der Baufirma“ genannt, die freilich auch allen Grund hatte, sich zu bedanken.

Die großzügige Geschäftsordnung der Landesregierung macht solche Prasserei unkontrollierbar: Beträge unter 500.000 Euro kann ein Regierungsmitglied freihändig ausgeben, erst bei größeren Summen ist ein Regierungsbeschluss fällig. Die jetzige Regierungskoalition will diesen Grenzbetrag halbieren und auch sonst guten Willen demonstrieren.

So kürzte man die Parteiförderung um fünf Prozent, reduzierte die Zahl der Kabinettsmitarbeiter von 91 auf 63 und verzichtete abermals auf die Erhöhung der Politikerbezüge. Das bringt jährlich 2,5 Millionen – ein Tropfen auf einen sehr heißen Stein. Der finanzielle Spielraum ist so eng, dass die rot-schwarz-grüne Koalition eher im symbolischen Bereich agieren kann. Die Botschaft: Wir machen es anders. So trug Kaiser eine Passage seiner Regierungserklärung – jene, welche die Minderheitenpolitik betraf – sowohl in Deutsch als auch in Slowenisch vor. Die noch unter Schock stehende FPK-Fraktion reagierte nicht. In der folgenden Landtagssitzung hatte sich FPK-Klubchef Christian Leyroutz wieder so weit gefasst, dass er Zeter und Mordio schrie, als die grüne Abgeordnete Zalka Kuchling ihre gesamte Rede in beiden Sprachen vortrug. Landtagspräsident Reinhard Rohr (SPÖ) nahm die FP-Empörung ebenso gleichmütig hin wie offenbar auch die Kärntner. Nur zwei Leserbriefe seien zu diesem Thema eingelangt, erzählt „Kleine“-Chefredakteurin Eva Weissenberger: „Das regt die Leute nicht mehr auf.“ Irritierend fänden die Leute nach dem politischen Wirbel der vergangenen Jahre eher die plötzliche Stille.

Die erste Auslandsvisite als Landeshauptmann führt Kaiser kommende Woche nach Slowenien. Dennoch ist der als Linksintellektueller geltende Klagenfurter vorsichtig. Anfang Mai besuchte Kaiser eine Gedenkveranstaltung für die 200 in den ersten Nachkriegstagen von Partisanen verschleppten Südkärntner, die oft Opfer haltloser Denunziationen geworden waren.

Der eher asketische Triathlet – der 55-Jährige trainiert auch als Landeshauptmann täglich – erweckt schon von seiner Statur her nicht den Eindruck politischen Phäakentums. Ein Privileg genießt er allerdings bereits: Das Klagenfurter Strandbad legt Kaiser an seinem Lieblingsplatz am Bootssteg immer ein rotes Handtuch aus. Für alle Fälle.