Die Beichte des Kronzeugen

Gernot Schieszler und das System Telekom: Die Beichte des Kronzeugen

Titelgeschichte. Gernot Schieszler im Interview über seine Rolle in einem kriminellen Netzwerk und das "System Telekom"

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Er war jung, ehrgeizig – und brauchte das Geld. Er wollte Karriere machen, selbst um den Preis krimineller Handlungen. Gernot Schieszler, 43, stand zwischen 2000 und 2009 in den Diensten der Telekom Austria. Innerhalb weniger Jahre schaffte er es vom Vorstandsassistenten zum Vorstandsdirektor. Heute ist er Kronzeuge in jener Affäre, die mittlerweile in drei Gerichtsverfahren mündeten. Weitere werden folgen.

Das System Telekom also: ein börsennotierter Konzern im Einflussbereich der Republik Österreich, der zum Selbstbedienungsladen der Politik verkam – dank willfähriger Manager; dank geschickter Lobbyisten vom Schlage eines Peter Hochegger oder eines Alfons Mensdorff-Pouilly. Unter Schwarz-Blau wurden Millionen in Parteikassen geschaufelt, um etwa Gesetze im Interesse des Unternehmens zu beeinflussen. Schieszler hat das System Telekom nicht erfunden, es war bereits aufgesetzt, als er Peter Hochegger 2003 erstmals die Hand schüttelte. Der Lobbyist war von Heinz Sundt, Vorstandschef von 2000 bis 2006, ins Haus geholt worden und galt als einer der engsten Vertrauten von RudolfFischer, Vorstandsdirektor von 1998 bis 2008.

Gernot Schieszler war zunächst nur Mitläufer, doch ab 2006 bis zu seinem unfreiwilligen Abgang 2009 lief der Großteil dubioser Zahlungen über seinen Schreibtisch. Gegenüber der Justiz hat Schieszler in den vergangenen Jahren umfangreich ausgesagt. Er ist der erste Kronzeuge gemäß der mit 1. Jänner 2011 geschaffenen „großen Kronzeugenregelung“. Im Abtausch für Straffreiheit muss Schieszler 120 Stunden Sozialdienst ableisten; die Telekom erhielt 300.000 Euro Schadenersatz und will noch mehr.

profil ist es gelungen, Schieszler erstmals zu einem ausführlichen Interview zu bewegen. Das Gespräch fand im Beisein seines Rechtsanwalts Stefan Prochaska in den Räumlichkeiten der Kanzlei PHH Rechtsanwälte statt.

profil: Herr Schieszler, Sie spielen eine zentrale Rolle im Telekom-Skandal. Sie waren einer jener Manager, über die einst Millionen von Telekom-Geldern an Parteien und Günstlinge verteilt wurden. Heute wirken Sie als Kronzeuge an der Aufklärung mit. Was haben eigentlich Ihre Eltern dazu gesagt?
Schieszler: Mein Vater ist gestorben, als ich 20 Jahre alt war. Ich habe eine Mutter und eine Tante. Natürlich hat die Situation vor allem meine Mutter sehr belastet. Aber Sie ist immer zu mir gestanden.
profil: Hat sie nie gefragt: „Bub, was hast du da angestellt?“
Schieszler: Es ging eher in die Richtung: „Hättest du dir das nicht sparen können?“

profil: Sie sind 1970 im oberösterreichischen Grieskirchen geboren. Wie war Ihr Elternhaus?
Schieszler: Mein Vater war B-Beamter in der Finanzlandesdirektion, meine Mutter hat im Lebensmitteleinzelhandel gearbeitet und aufgehört, als ich auf die Welt gekommen bin, wie das früher eben so war. Sie haben ihr ganzes Leben gespart, um sich irgendwann ein kleines Haus bauen zu können.

profil: Also ein eher kleinbürgerliches Umfeld?
Schieszler: Ja.

profil: Wo gingen Sie zur Schule?
Schieszler: In Grieskirchen, dort auch ins Gymnasium. Ich habe das Bundesoberstufenrealgymnasium besucht, einen musischen Zweig für Zeichnen und Kunstgeschichte. Meine Eltern wollten eigentlich, dass ich die HTL mache, aber ich habe nach zwei Jahren abgebrochen. Technik war nicht meins.

profil: Hatte der junge Gernot Schieszler einen Berufswunsch?
Schieszler: Ich wollte Pilot werden. Ich habe nach Matura und Präsenzdienst die Aufnahmeprozedur bei der AUA durchlaufen, dürfte aber am Flugsimulator gescheitert sein. Die Gründe für die Ablehnung werden einem ja nicht genannt. Ich bin dann nach Wien, um Betriebswirtschaft zu studieren.

profil: Wie haben Sie da gelebt?
Schieszler: Meine Eltern hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten, mich zu unterstützen, daher habe ich die erste Zeit bei meiner Tante in Pressbaum gewohnt, später dann bin ich in eine Studenten-WG gezogen.

profil: Hatten Sie Nebenjobs?
Schieszler: Ich habe schon während meiner Schulzeit gearbeitet. Die Samstage waren schulfrei, da bin ich morgens um vier Uhr mit dem Zug in die Rotax-Werke gefahren, um dort Maschinen zu reinigen, und abends wieder zurück. Während des Studiums arbeitete ich bei der Austria Presseagentur im Bereich der Börsenberichterstattung mit, in den Ferien bin ich in die Schweiz gefahren und habe im Gastgewerbe gejobbt. Das habe ich eigentlich jedes Jahr gemacht, um mir mein Studium zu verdienen. Dort lernte ich auch meine Frau kennen. Nach dem Tod meines Vaters versuchte ich, meine Mutter zu unterstützen, weil ja noch Belastungen auf dem Haus drauf waren.

profil: Waren Sie in einer Studentenverbindung?
Schieszler: Nein.

profil: Sie haben 1996 an der Wirtschaftsuniversität Wien spondiert. Was war der Titel Ihrer Diplomarbeit?
Schieszler: „Die österreichische Brau-Beteiligungs-AG in strategischer Ausrichtung auf die neuen Märkte in Osteuropa.“ Ich bin dafür mit dem Auto vier oder fünf Monate durch Osteuropa gefahren und habe mir die einzelnen Brauereien angeschaut.

profil: Sie fanden nach dem Studium sehr schnell einen Job bei der UnternehmensberatungCzipin & Partner. Wie kam es dazu?
Schieszler: Ich hatte schon vor Ende des Studiums einige Unternehmensberater angeschrieben, eine Woche vor der Sponsion fing ich bei Czipin an.

profil: Wieviel verdienten Sie damals?
Schieszler: Ungefähr 30.000 Schilling im Monat. Ich habe Tag und Nacht gearbeitet.

profil: Sie waren damals Mitte zwanzig. Hatten Sie schon konkrete Karrierepläne? Und Vorbilder?
Schieszler: Ich habe relativ viel Managementliteratur gelesen. Jack Welsh war der prägende Unternehmenslenker dieser Zeit.

profil: Welsh war von 1981 bis 2001 Chef des US-Konzerns General Electric, eines Weltkonzerns also. Heißt das, Sie wollten ganz nach oben?
Schieszler: Ich wollte weiterkommen, ganz klar. Karriere kann man nicht planen, man kann nur einen Weg bereiten. Und ich war bereit, viele Opfer zu bringen.
profil: Zum Beispiel?

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Lesen Sie die Titelgeschichte von Ulla Kramar-Schmid und Michael Nikbakhsh in der aktuellen Printausgabe oder in der profil-iPad-App.

Foto: Philipp Horak für profil