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Helmut A. Gansterer Traumland Alpa

Traumland Alpa

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„Egoismus ist natürlich.“ Konrad Lorenz, Nobelpreisträger

Es muss ja niemand erfahren. Herausgeber Christian ­Rainer, der jünger aussieht, als er ist, sagte vor Jahrhunderten: „Deine Kolumne soll die Themenvielfalt garantieren, sich also fernhalten von den Titelgeschichten.“ Das ging bis jetzt gut. Ab heute geht es nicht mehr. So wie die vorwöchige Coverstory („Europa am Ende?“) muss ich mich um die Tragödie Griechenlands kümmern. Alle fragen danach. Auch mein Floridsdorfer Wirt. Er nahm „Griechischer Wein“ aus dem Wurlitzer und damit billigend in Kauf, dass sein Liebling Udo Jürgens verarmt.

Das ist gut, dachte ich im späteren Schlaf und Traum. Dort bin ich immer ein Verbrecher, als Ausgleich zu meiner Engelhaftigkeit bei Tag. In Schlaf und Traum bin ich immer ein Gegner des Solidaritätsprinzips, das von allen vergöttert wird, nur nicht von mir. Ich habe im Traum nie verstanden, warum so genannte Arbeiter im Wege der Progression weniger Steuer pro Umsatz-Euro zahlen müssen als die armen Schweine von Schriftstellern, die gleichfalls Nacht für Nacht hart arbeiten und am Ende der Nacht nicht glücklicher sind als am Abend davor.

Heute, aufwachend aus merkwürdigen Träumen dieser Art, träumte ich schamlos weiter. Ich wollte ahnen und spüren und am Ende wissen, wie ein ideales EU-Land aussähe.

Das Traumland früherer Epochen hieß Atlantis. Wir wissen nicht, wo es lag, wie es beschaffen war und ob es dieses Land überhaupt gab. Platon beschrieb es als eine Insel vor den Säulen des Herkules. Rund 10.000 vor Christus sei es in einer einzigen Nacht durch Naturkatastrophen untergegangen.

Das neue Traumland der EU, meines, wird hier ALPA genannt. Gar nicht ungeschickt, weil es etymologisch die Begriffe ALPEN und AUSTRIA aufgreift. 1) Es umfasst die Ganzheit der Alpen, die Gipfel, die Almen, ihre Ausläufer und schönen Täler, die allesamt von Wr. Neustadt bis zum Kringel bei Turin führen.

Diese Landkarte umfasst alles Tüchtige und Moderne der EU in höchster Verdichtung. Was hier von Mode bis Maschinenbau geschaffen wird, gibt es nirgendwo anders in dieser Qualität. Das Wichtigste in dieser elitären Bilanz ist das grausam Weggesprengte.

Alpa ist ein Staat, der, so wie einst Sparta, sich aller leistungsmüden Teile ledig macht. Es gibt Selektion der furchtbarsten Art. Nur das Beste wird inkorporiert. Schon das Zweitbeste wird ausgesondert und mit beispielloser Entschiedenheit nach DomRep und Haiti verbannt, wo es immer noch besser ist als alles, was man dort jemals sah.

Alpa befreite sich vom widerspenstigen, störrisch-bäuerlichen Westen Frankreichs, von den milchigen Niederlanden, vom schwachsinnig geführten England und selbstverständlich von Irland, dessen beste Sänger heute in Gummistiefeln in Hinterhöfen antreten müssen, weil sie im schönen Pub nicht rauchen dürfen, und mit ihnen das ganze Publikum und der Pub-Owner, der selber ein happy smoker und happy singer ist; Alpa befreite sich weiters vom Norden Deutschlands, der weder erträglichen Humor noch Selbstironie kennt, und befreite sich von dem seit elf Jahren verbitterten und orientierungslosen Osten Deutschlands. Alpa entledigte sich grausam der Armseligkeit des Balkans und der Rückständigkeit des südlichen Italiens inklusive Sizilien.

Die Industriekonzerne und KMUs Österreichs (3500 bzw. 200.000) sowie jene Süddeutschlands und jene des Marketing-Weltmeisters Norditalien würden, ergänzt durch feine Filetstücke der Nachbarn, als ALPA zusammengenommen, ihre Konkurrenten in aller Welt demütigen. Sie würden Kreise um sie ziehen. Sie wären unvergleichlich in ­Design und Qualität. Ganz Asien könnte sie nicht schnell genug kopieren. Kaum wäre eine Kopie aus Rotchina, ­Nationalchina oder Korea auf dem Markt, gäbe es schon wieder das bessere Original. Amerika schriee nach ALPAs Produkten, und Japans Yen fiele weiter.

Griechenland. Alles Vernünftige in uns ruft nach Nachbarschaftshilfe. In Harmonikern wie mir sowieso. Ich will noch kurz erzählen, warum ich in diesem Fall zögere. Ich habe einen Freund, der hier nicht genannt werden kann. Er ist, monarchistisch gesehen, von hoher Geburt, extrem fleißig trotz höchsten Familienvermögens und ein Kenner von Patmos. Er kennt dort griechische Multimilliardäre, die silberhell lachen, wenn sie das Wort Steuer hören. Diese Multimilliardäre, die jenseits aller Vermögensvorstellungen sind, können sich seit Generationen nicht vorstellen, ein dummer Steuerzahler zu sein, etwa so wie die schlecht bezahlten Stadtbürokraten Athens und der ärmste Schafhirt, die sie vielmillionenfach von der Steuer befreien könnten, wenn sie ihre eigene Steuer zahlten.

Da steigt vielleicht doch eine Idee auf, den Verbleib Griechenlands betreffend: eine endlich in Kraft tretende EU-Kontrolle in dieser Frage, die alle nationalen Korruptionen freilegt. Wenn der Fall Griechenland zum Auslöser dafür wird, hat sich der Skandal tausendmal gelohnt, und die EU als schönste Erfindung des Kontinents wird besser unterwegs sein als zuvor.

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