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Herr Hase: Hugh Hefner feiert 60. Geburtstag des „Playboy”

Gesellschaft. Die Autobiografie des „Playboy”-Gründers Hugh Hefner

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Hugh Hefner, 86, behauptet, mit 2000 Frauen geschlafen zu haben. Seine seit Kurzem dritte Ehefrau, Crystal Harris, ließ sich für einen Altersunterschied von 60 Jahren entsprechend abfinden (530.000 Dollar für die Eheschließung, 330.000 Dollar für das erste Ehejahr) und muss sich um ihre eigene Altersvorsorge keine Sorgen mehr machen. Aus dem Ehealltag dringt ans Licht, dass Hugh selbst beim Sex seine Arbeitsuniform, die roten Seidenpyjamas, nie ablegt, was, wie Crystal findet, „wahrscheinlich ohnehin die viel bessere Idee ist“.

Inzwischen ist Hugh Hefner in der kollektiven Wahrnehmung als eine Art Lord Gaga abgespeichert, der Viagra wie saure Drops einwirft und ständig umzwitschert wird von einem Schwarm teilalphabetisierter Blondinen, die allesamt wie Vorzeigeexemplare aus einem genetischen Labor mit dem Produktionsziel „The All American Girl“ wirken. In der Reality-Show „The Girls of the Playboy Mansion“, die 2010 eingestellt wurde, betrieb Hefner schonungslos die Demontage seines eigenen Mythos, indem er sich bei seinen Kuschelorgien mit dem Bunny-Harem in einer schaurigen Villa vor die Kameras führen ließ. Spätestens seither wirkt „Hef“ weniger wie ein Sex-Potentat, der „die Träume aller amerikanischen Männer stellvertretend auslebt“, wie er sein Lebensmotto einmal beschrieb, sondern wie ein erbarmungswürdiger Lustgreis, der sich verzweifelt gegen die eigene Vergänglichkeit stemmt.

Hefners eben erschienene sechsbändige Autobiographie belegt eindrucksvoll, dass es noch eine andere Wahrheit gibt. Die reich bebilderte Ausgabe ist auch ein Fotoalbum von Amerikas Frühlingserwachen und seiner sexuellen Revolution. Im „Playboy“ durften erstmals Schamhaare sichtbar sein, nackte Frauen sich zwischen die Beine greifen und einander sogar küssen. 1965 räkelte sich mit Jennifer Jackson das erste schwarze Playmate auf dem Centerfold, flankiert von Interviews mit Bürgerrechtsaktivisten wie Martin Luther King und Malcolm X.

Hugh Hefner besaß liberalen Anstand, er war ein Revolutionär und Illusionsmaschinist, dessen wichtigste Triebkräfte ­seine Angstfreiheit und seine Lust, Barrieren niederzureißen, waren. Seinen Drang zur Rebellion verdankt er einer beengten Kindheit. Mutter Grace (sie wurde 101) war gläubige Methodistin, der Vater Glenn Lucius ein engstirniger Buchhalter.

Puritanismus und Repression prägten die Kindheit und Jugend von Hugh Marston Hefner, der am 9. April 1926 in Chicago geboren wurde: Er durfte nicht fluchen, trinken, rauchen, onanieren und auch nicht ins Kino gehen. Mit 16 nannte er sich bereits „Hef“ und verarbeitete die sexuelle Zurückweisung einer Schulkameradin, indem er einen Comicband über sich als siegreichen Frauenhelden zeichnete. In seiner Schülerzeitung „Shaft“ wurde der hinreißendsten Mitschülerin die Heftmitte gewidmet – allerdings war sie noch bekleidet. Nach einem Psychologiestudium und Frontdienst im Zweiten Weltkrieg wurde die Lektüre von Scott F. Fitzgeralds „Der große Gatsby“, in dem all seine Träume von Dekadenz, freizügiger Sexualität und opulentem Lebensstil niedergeschrieben waren, zu einem Schlüsselerlebnis für Hefner: „Ich las das und dachte mir, ich hätte die beste Party versäumt, und wollte alles nachholen.“

Nach Jobs als Werbetexter, Anzeigenkeiler und Zeichner gründete Hefner 1953 in seiner Wohnung das Magazin, „das das Sexleben Amerikas für immer verändern sollte“. Erstes Covergirl war Marilyn Monroe. Das Bunny-Emblem entstand zufällig: Ein Grafiker hatte spielerisch ein Mädchen mit Hasenohren auf ein Cover gekritzelt; ursprünglich waren Geweihe geplant gewesen, denn das Magazin sollte „Stag Party“ (was so viel wie „Hirschfest“ bedeutet) heißen. In seinen besten Zeiten erreichte der „Playboy“ eine Auflage von sechs Millionen Stück allein in den USA. Inzwischen sind die Verkaufszahlen auf 2,5 Millionen Exemplare geschrumpft; der Konzern, über den Hefner nach Jahren der Entmachtung wieder die Kontrolle besitzt, bezieht das Gros seiner Umsätze aus Lizenzrechten, Kasinos, Webportalen, Clubs und Lifestyle-Produkten.

Mit dem smarten Kunstgriff, die Texte von Autoren wie Norman Mailer, Henry Miller, Truman Capote und Woody Allen sowie Interviews mit Kalibern wie Bob Dylan oder Jimmy Carter zwischen lasziv posierenden Mädchen zu drucken, befreite sich der „Playboy“ aus der Gefahrenzone des Schmuddelblatts: „Sex in Kombination mit der Intelligenzija des Landes – die Kombination war einfach unschlagbar.“

Hugh Hefner gibt heute kaum mehr Interviews. Vor einigen Jahren konnte profil ein einstündiges Telefonat mit „Hef“ führen. Einige Auszüge aus dem Gespräch:

profil: Was war der tollste Tag in Ihrem Leben?
Hugh Hefner: Einer der größten war jener Tag, an dem Viagra zugelassen wurde – danach kommt schon der, an dem die Pille erfunden wurde. Noch dazu bekam ich meine erste Packung Viagra an meinem Geburtstag verschrieben. Über mein Sexleben kann sich niemand beschweren. Es ist noch immer sehr lebendig.

profil: Angeblich können Sie die vielen Blondinen in der „Playboy Mansion“ gar nicht mehr auseinanderhalten.
Hefner: Das ist eine Unterstellung. Natürlich kann ich das. Die haben ja alle ihre Eigenarten. Außerdem bin ich gut drauf. 1985 hatte ich einen Schlaganfall. Danach ging es mir einige Zeit wirklich schlecht. Aber das ist Gott sei Dank vorbei.

profil: Wie hat man sich ein Leben mit einem Bunny-Harem vorzustellen? Gibt es da nicht enervierende Zickenkriege?
Hefner: Als ich sieben Freundinnen auf einmal hatte, kam das schon vor. Aber ich sage Ihnen eines: Eine Ehe zu führen, kann anstrengender sein, als sieben Gefährtinnen auf einmal zu haben.

profil: Ist Ihre Lieblingsfarbe blond?
Hefner: Ja, natürlich, aber ich habe auch mit Brünetten geschlafen. Meine allererste Frau, Mildred, eine Studienkollegin, die ich 1949 heiratete, war braunhaarig. Die Ehe dauerte sogar zehn Jahre – mehr oder weniger. Picasso hatte seine blaue Periode, und ich habe eben seit geraumer Zeit meine blonde Periode. Wahrscheinlich hatte das auch mit meiner Jugend zu tun. In der Zeit, in der ich aufgewachsen bin, waren die blonden Bombshells wie Lana Turner oder Marilyn Monroe die dominierenden Frauengestalten.

profil: Das Playmate der ersten „Playboy“-Ausgabe 1953 war Marilyn Monroe. Hatten Sie sie selbst engagiert?
Hefner: Nein, ich hatte ja damals überhaupt kein Geld. Ich habe meine Möbel für 600 Dollar verkauft und mir 10.000 Dollar von Freunden geborgt. Bei einem kleinen Verlag kaufte ich die Rechte für die Nacktbilder von Marilyn. Sie war damals knapp vor dem Abheben zum Ruhm. Die Post veranstaltete damals ein Riesentheater; sie weigerte sich, Hefte mit solch obszönem Inhalt zu verschicken. Ich zog vor Gericht und gewann das Verfahren. Es war eine lustfeindliche, repressive Zeit – grauenhaft!

profil: Sie behaupten von sich, einer der wesentlichen Protagonisten der sexuellen Revolution zu sein.
Hefner: Das bin ich auch. Ich habe den Menschen beigebracht, dass Sex nichts Schmutziges und Verwerfliches ist, sondern der Anfang von allem Sein, der Beginn der Zivilisation, der Ursprung des Lebens. Ohne Sex läuft nichts. Ich war und bin ein Befreier.

profil: Sie haben vor allem den Mann befreit; die Frau ist in der „Playboy“-Ideologie nichts als ein schweigendes Lustobjekt.
Hefner: Da bin ich mit Ihnen überhaupt nicht einer Meinung. Der Begriff „Objekt“ ist in diesem Zusammenhang irreführend. In Wahrheit ist das Objekt das Subjekt. Denn das Objekt hat die Macht, weil es begehrt wird und sich aussuchen kann, wem es seine Gunst zuwendet. Darin ist die Frau dem Mann überlegen. Außerdem hat die Frau den immensen Vorteil, dass sie sich nicht um eine Erektion Sorgen machen muss.

profil: Dass Sexobjekte Macht besitzen, funktioniert vielleicht bei Frauen mit Starstatus wie Madonna, Pamela Anderson oder Kim Basinger, die allesamt nackt für „Playboy“ posierten.
Hefner: Wir hatten nicht nur Stars. Stars waren eher die Ausnahme. Die Mission des „Playboy“ war es vor allem, die Schönheit des Mädchens von nebenan zu feiern. Eines unserer ersten Playmates war Janet Pilgrim, die als Sekretärin und Abonnentenbetreuerin in unserem Büro arbeitete. Das war damals eine Sensation. Wir wollten der Welt zeigen, dass Sexappeal nicht nur in Hollywood und in der Glamourwelt zu finden ist, sondern auch im Nachbarhaus, dem Büro oder im nächsten Drugstore. So haben wir normalen Mädchen eine Bühne gegeben und viel zur Emanzipation beigetragen.

profil: Die Pharmaindustrie kümmert sich bis heute viel mehr um das sexuelle Wohlergehen der Männer. Es gibt nach wie vor kein Viagra-Pendant für Frauen.
Hefner: Viagra nützt doch vor allem den Frauen, indem die Männer es nehmen. Aber ich möchte noch einmal auf Ihren Vorwurf zurückkommen, dass im „Playboy“ Frauen ausgebeutet würden. Das stimmt nicht: Wir haben uns sehr für die Befreiung der Frauen eingesetzt. Wir haben uns sehr früh für das „Pro Choice“-Movement starkgemacht und für jede Form von Verhütung. Wir unterstützten in den 1960er-Jahren maßgeblich Masters und Johnson (Gynäkologe William Howell Masters und Psychologin Virginia Johnson, Anm.) und trugen damit viel zur Erforschung der Sexualität bei. Eine erfüllte, befreite Sexualität basiert auch auf Wissen und Bildung. Je mehr man über Sex weiß, desto erfreulicher, energetischer und erfüllender ist er.

profil: Die völlige Enttabuisierung der Sexualität hat auch zu einem Libido-Verlust geführt, wie die Statistiken beweisen. Es wird viel mehr über Sex geredet, als er dann auch vollzogen wird.
Hefner: Nicht hier in Los Angeles, meine Liebe. Hier haben wir keine Ahnung von diesen Statistiken, und alles läuft prächtig.

profil: Ist Obama ein guter Präsident?
Hefner: Ich habe Obama unterstützt. Ich war kein Anhänger von George W. Bush. Unter Bush hat unser Land die Spur verloren. Und dieser Puritanismus ist wieder hochgekrochen, gegen den ich zeit meines Lebens gekämpft habe. Das geistige Klima unseres Landes hat sich während der Amtszeit von Obama wesentlich verbessert.

profil: Als Sie den „Playboy“ 1953 gründeten, arbeiteten Sie immer in Pyjamas. Tragen Sie deswegen bis heute ständig welche?
Hefner: Vielleicht, aber auch, weil sie so wahnsinnig bequem sind. Und außerdem: Ein Mann, der einen Pyjama trägt, wird schneller flachgelegt als einer, der einen Anzug trägt. Während wir hier telefonieren, trage ich übrigens auch einen Pyjama.

profil: Und? Hat es schon genützt?
Hefner: Hahaha – darüber sollte man sich keine Sorgen machen.

profil: Ich gehe davon aus, dass Sie keine Nachwuchsprobleme haben.
Hefner: Das ist richtig. Ich bekomme Bewerbungen aus der ganzen Welt von Mädchen, die meine Freundinnen werden oder bei uns in der „Mansion“ leben wollen. Und vor dem Anwesen stehen auch jede Menge Mädchen.

profil: Haben Sie Personal zwecks einer Vorauswahl?
Hefner: Nein, um Gottes willen. Das ist ein dermaßen heikler, delikater Job, den würde ich niemand anderem anvertrauen. Das mache ich schon selbst.

profil: Abgesehen vom Äußeren: Wer hat Chancen?
Hefner: Mir ist ein gutes Herz wichtig und Humor.

profil: Intelligenz?
Hefner: Oh, das hab ich ganz vergessen: Das natürlich auch.

profil: Wo liegt Ihre Altersgrenze?
Hefner: Ich würde sagen, so um die 30.

profil: Das heißt, wenn die Mädchen diese Altersgrenze erreicht haben, ist es Zeit auszuziehen?
Hefner: Das ergibt sich meistens von selbst. Manche heiraten, bekommen Kinder. Schließlich lernen sie ja auch jede Menge interessante Leute kennen. Ich will für alle meine Mädchen nur das Beste.

profil: Sie behaupten von sich, ein echter Romantiker zu sein.
Hefner: Ich bin durch und durch romantisch. Deswegen ist meine Vorstellung von einem gelungenen Abend, mit meinen Mädchen und all den Tieren, die hier herumlaufen, zusammen zu sein und alte Hollywood-Filme anzusehen.

profil: Haben Sie Angst vor dem Tod?
Hefner: Eigentlich nicht … wenn es im Paradies so zugeht wie bei uns im „Playboy Mansion“!

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort