Im Land des Fettnapfs

Politik. Wie peinlich darf Politik sein? Eine Liste von 30 Anlässen zum Fremdschämen

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Für Satire und Kabarett ist das natürlich ein gefundenes Fressen. „Einen ­Facebook-Freund aus Salzteig“ stellen die Witzbolde der „Salzburger Nachrichten“ für den Kanzler ins Fenster ihres „Adventkalenders“. Die „Tiroler Tageszeitung“ ätzt, einen ehrlichen Politiker zu finden sei etwa so unwahrscheinlich, „als hätte man Michael Spindelegger bei einem öffentlichen Wutausbruch ertappt oder Werner Faymann mit einem echten Facebook-Freund“. Und im „Standard“ erklärt Günther Traxler die Tollpatschigkeit der roten Öffentlichkeitsarbeiter taxfrei zur „Rückkehr des Humors“. Eines sehr unfreiwilligen, wohlgemerkt.

Der offenkundige Zukauf von Facebook-Freunden für Werner Faymanns neue Website und der Massenversand von Jubel-Leserbriefen an Tageszeitungen werden ohne Zweifel ins Kompendium der großen politischen Peinlichkeiten eingehen: Einer Kanzlerpartei sind solche Taschenspielertricks unwürdig. Dass auch die 105.000 „Freunde“, die die Facebook-Seite H. C. Straches ausweist, selbst einer oberflächlichen Überprüfung kaum standhalten würden, sollte dabei nicht vergessen werden. Glaubwürdig sind hingegen die 366 Anhänger von ÖVP-Obmann Michael Spindelegger.

So anrüchig die entgleiste Aktion war, so patschert war das Krisenmanagement. Zuerst erklärte SPÖ-Kommunikationschef Oliver Wagner, es handle sich offenbar um „eine gut vorbereitete Aktion“ politischer Gegner. Eine groteske Vermutung: Warum sollte eine der anderen Parteien den Zeitungen jahrelang Leserbriefe zuschicken, in denen die Politik der SPÖ bejubelt wird? Auch die weitere Erklärung, es gebe 800 Anschlüsse mit der IP-Adresse der SPÖ, diese seien also nicht kontrollierbar, ist ­fadenscheinig: Die 800 PCs stehen in den 110 Bezirkssekretariaten, den neun Landesstellen und in der Bundeszentrale der SPÖ. Und dass einer der Parteiangestellten dem lieben Vorsitzenden einfach ein paar tausend Facebook-Freunde samt Katalog-Konterfei kauft, ohne den anderen im Büro etwas davon zu sagen: Das kommt sogar in einer Partei, in der man einander mit „Freundschaft“ grüßt, nicht vor.
Nicht viel glaubwürdiger ist die Darstellung des Kanzleramts, es handle sich „offenbar um gekaufte Fans, die uns irgendjemand unaufgefordert spendiert hat“. Wer, bitte, sollte Faymann ungefragt 4000 ­Facebook-Freunde kaufen – liebevoll versehen mit Bildchen von fotolia.com? Diese werden dort „schon ab 75 c lizenzfrei“ angeboten und zeigen meist Menschen vom anderen Ende der Welt.

Zu entsprechend vielen aufgelegten Elfern kommt Faymanns ätzend-witziges Alter Ego auf Facebook „Werner Failmann“. Als der Kanzler vergangenen Freitag bei Angela Merkel in Berlin weilte, meldete sich Failmann im 3-Minuten-Takt mit Eintragungen wie: „Pressekonferenz hätte schon vor 18 Minuten beginnen sollen. Hab Angela aber noch unbedingt meine vielen Freunde auf Facebook zeigen müssen. Sie hat nicht so viele aus Amerika mit so tollen Fotos.“

So unangenehm es für Politiker sein mag, wenn sich wochenlang Spott und Häme über sie ergießen, wirklich karrieregefährdend sind solche und ähnliche Peinlichkeiten – profil hat die folgenden sieben Heftseiten damit gefüllt – nur in seltenen Fällen. Wolfgang Schüssel war zwei Jahre, nachdem er den deutschen Bundesbankpräsidenten „eine richtige Sau“ genannt hatte, Bundeskanzler; Gerhard Dörfler fuhr nach seinem unsäglich peinlichen „Negerwitz“ einen glänzenden Wahlsieg ein, und Erwin Pröll mag wegen seines „Schatz im Silbersee“-Sagers verlacht worden sein – Landeshauptmann ist er 16 Jahre später immer noch.
Dass solche Geschichten wie Tauben­dreck am Rockrevers kleben, steht auf einem anderen Blatt.

Facebook-Fake mit falschen Freunden, 2011
1000 Stück sind um 99 Euro zu haben, die Fotos kommen wohlfeil aus einem Katalog: Sich eine große Freundesschar auf Facebook zuzulegen ist eine Mezzie. Politisch kann es den Betroffenen allerdings ins Minus ziehen, wie im Fall des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann, der nach der peinlichen Facebook-Affäre einen Umfrage-Dämpfer hinnehmen muss. Gar nicht gut kam auch die Erkenntnis, dass die SPÖ-Zentrale die Zeitungsredaktionen jahrelang mit per Mail übermittelten „Leserbriefen“ bombardierte, in denen die rote Regierungsgarde taxfrei bejubelt wurde. Die Jubler waren nicht faul: Allein der „Kurier“ zählte 393 in den vergangenen zwei Jahren veröffentlichte Briefe von „Lesern“, die ihre Post von der IP-Adresse der SPÖ aus abgeschickt hatten.

Rabatt für den Minister, 2003
Der Vorspann der profil-Story, die dem Politiker bis heute wie Kaugummi an den Schuhen klebt, war völlig unspektakulär: „Wie Martin Bartenstein beim Schuhkauf Rabatt einforderte und ihn auch bekam.“ Bartenstein hatte in der Humanic-Filiale am Wiener Stephansplatz eingekauft, Preisnachlass verlangt und diesen erst nach Telefonkonferenz mit der Unternehmenszentrale bekommen. Ein nicht weiter erwähnenswerter Fall, hätte es sich nicht um den Wirtschaftsminister mit einem Monatssalär von rund 15.000 Euro gehandelt, dessen Frau ein florierendes Pharmaunternehmen betreibt. In diesem Fall gilt: Am ganz falschen Platz gespart.

Mann zeigt Bein, 1987, 2006
Alois Mock wagte es als Erster: Während eines offiziellen Besuchs in Jordanien – Gluthitze lag über der Steinwüste – schlüpfte der damalige Außenminister kurzerhand in kurze Hosen und ging beinfrei seinen Amtsgeschäften nach. Es wirkte ungewohnt. Alfred Gusenbauer griff im Wahlkampf 2006 auf seiner „Startklar“-Tour durch Österreichs Berge zu verdammt eng anliegenden Radlerhosen, noch dazu in Weiß. „Stramme Wadln hat er, der Spitzenkandidat“, konstatierte der „Kurier“. Was folgt der Radlerhose?“, fragten die „Salzburger Nachrichten“ bang. Zu weiteren Enthüllungen kam es nicht. Tags darauf waren Gusis Wadln wieder bedeckt.

Die „richtige Sau“, 1997
Wolfgang Schüssel hatte am Rande des EU-Gipfels in Amsterdam mit österreichischen Journalisten gefrühstückt und dabei den deutschen Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer eine „richtige Sau“ genannt, weil dieser den deutschen Finanzminister Theo Waigel „gelegt“ habe. Die Journalisten hielten sich nicht an die „Off records“-Abmachung und rapportierten die Kraftausdrücke des Außenministers. Schüssel musste einen Canossagang zu Tietmeyer nach Frankfurt antreten. Ziemlich peinlich.

Brutzelbrutzelbraun, 2009
Der BZÖ-Abgeordnete Stefan Petzner sieht stets wie in Butterschmalz herausgebacken aus. Er ist daher auch der Solariumsprecher seiner Fraktion im Nationalrat. Als vor zwei Jahren das Solariumgesetz verschärft wurde – jetzt gilt die Altersgrenze 18, weil Solarien die jugendliche Haut schädigen –, kämpfte Petzner in einer Philippika im Nationalrat dagegen, die Ö3 in den folgenden Tagen als Beispiel unfreiwilligen Humors wiederholt ausstrahlte: Petzner pries darin die lindernde Wirkung der Sonnenbänke auf das Gemüt, empfahl Minister Rudolf Hundstorfer ein wenig Bestrahlung, lobte eine bestimmte Strahlermarke und schloss mit den tiefsinnigen Worten: „Auch Rauchen ist ungesund. Trotzdem gibt es viele Raucher.“ Aber nur einen Petzner.

Softporno aus Tirol, 2011
Superwoman ist ein Schatz: Sie bereitet ihren Lieben das Frühstück, hetzt ins Büro, betreut die quengelnden Kinder und putzt das Haus. Wenn am Abend ihr Liebster heimkommt, nimmt sie ihm schon an der Tür Mantel und Tasche ab, tischt auf und hört sich geduldig seinen Bürokram an. Schließlich schlüpft sie in die rote Reizwäsche und beginnt ihrem auf dem Sofa hingesunkenen Göttergatten die Füße zu massieren. Der nuckelt inzwischen zufrieden grunzend an einer Bier¬flasche. Ist auch das erledigt, denkt Superwoman erstmals an sich selbst und geht ein wenig joggen. Die Tiroler ÖVP-Frauen haben ihr Video vielleicht ganz anders gemeint. Aber knapp vorbei ist auch daneben. Sehr daneben, in diesem Fall.
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So schön! So jung! So gscheit! So reich!, 2011

„Sehr geehrter Herr Minister! Sie sind für diese abscheuliche Neidgesellschaft zu jung als Finanzminister gewesen, zu intelligent, zu gut ausgebildet, aus zu gutem Haus, zu schön – und was für alle noch der Punkt auf dem i ist: auch noch mit einer schönen und reichen Frau verheiratet. So viel Glück darf ein einzelner Mensch einfach nicht haben.“ Als Karl-Heinz Grasser diesen angeblich von einer „alten Dame“ stammenden Brief in der TV-Diskussion „Im Zentrum“ verlas, stöhnte ein Land auf: Fremdschämen bis zum Abwinken.

Ein Fall für PISA, 2008
Der Mistelbacher FPÖ-Obmann Karl Schwab ist international ein stark wahrgenommener Politiker. Schon 600.000-mal wurden Videos seiner Reden im niederösterreichischen Landtag auf YouTube angeklickt. In seinem Paradeauftritt am 2. Oktober 2008 (451.000 Klicks) versucht Schwab über weite Strecken erfolglos, eine Rede vom Blatt zu lesen, in der es – ganz klar wird das nicht – um etwas wie Wildverbiss geht. Wie engagiert sich der Abgeordnete Schwab an den von seiner Partei betriebenen „Redet’s Deutsch!“-Aktionen beteiligte, wäre zu prüfen.
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Bahn frei für Hubsi, 2005
Hubert Gorbach (FPÖ) hatte es immer eilig. Nur logisch, dass in ihm ein Wunsch aufkeimte: Mit Blaulicht am Wagendach ginge alles ein wenig schneller. Da müsse man aber das Gesetz ändern, beschied der diskret kontaktierte Kollege Innenminister ebenso diskret. Blöd nur, dass auch der „Kurier“ von der Sache Wind bekommen hatte. Und was tat Gorbach? Er schob alles auf seinen Bürochef, er selbst habe von der Sache keine Ahnung gehabt. Billig und peinlich.

Halbmond am Glockner, 2006
Jetzt hatte er ihn. Siegessicher zog Peter Westenthaler im TV-Duell mit SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer das Papier aus der Tasche, das beweisen sollte: Der Wiener SPÖ-Abgeordnete Omar Al-Rawi wolle Halbmonde anstelle der Gipfelkreuze in Österreichs Alpenherrlichkeit pflanzen. „Blödsinn“, brummte Gusenbauer. Westenthalers Schriftstück stellte sich bald als köstlicher Jokus einer Künstlergruppe heraus, die den gefälschten Brief auch „Krone“-Herausgeber Hans Dichand und FPÖ-Chef H. C. Strache zugespielt hatte. Dichand und Strache hatten den Braten gerochen. Westenthaler saß allein auf der Eselsbank. Sehr peinlich.

Die Dame in der Tiefgarage, 2002
„Der Faxe der Hund, jetzt wird er Vizekanzler“, dröhnte Armin Assinger, als Olympiasieger Patrick Ortlieb vor den Nationalratswahlen 1999 von Jörg Haider für die FPÖ angeworben wurde. Drei Jahre und zwei sehr kurze Ortlieb-Reden später endete die unauffällige Politikkarriere des Arlbergers in einer Innsbrucker Tiefgarage. Dort hatte der FPÖ-Abgeordnete eine junge Dame ohne Unterwäsche, dafür mit einem Tausender in der Hand in schwer verwirrtem Zustand zurückgelassen. Heute ist er wieder Wirt in Oberlech.

Abgeordneter zum Einheitspreis, 2011
Das hatten die Kollegen von der „Sunday Times“ listig eingefädelt: Getarnt als Lobbyisten, testeten sie, ob Abgeordnete des Europaparlaments käuflich sind. Einer war’s: Ernst Strasser (ÖVP), der frühere Innenminister. Die Journalisten hatten es auf Video: 100.000 Euro pro Jahr koste er, und er habe schon fünf Kunden, prahlte Strasser. Als die Zeitung das Video veröffentlichte, zog Strasser eine veritable Räuberpistole hoch: Er habe die Leute für Agenten gehalten, sie ausforschen wollen und daher angefüttert, um sie später der Staatspolizei melden zu können. Warum er das nicht schon früher getan hat? Strasser: „Aus terminlichen Gründen.“ So lustig kann die EU sein.
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Jörg Haiders Geist, 2009
Kein Politiker musste in Österreich nach seinem Ableben so viele Wahlen schlagen wie Jörg Haider. Bei den Landtagswahlen in Kärnten nannte sich die heutige FPK „BZÖ Liste Jörg Haider“ und traktierte mit ihrem Slogan unbarmherzig die Tränendrüsen: „Wir passen auf Dein Kärnten auf.“ Haiders Schwester Ursula Haubner wollte wenige Monate später in Oberösterreich auch noch einmal zehren und ließ dazu eine Denksportaufgabe plakatieren: „Weil sie weiß, was er wollte, wissen wir, was wir an ihr haben.“ Und weil sie wollte, was wir haben, weiß er, was wir wollten. Oder so ähnlich.

Meischi und seine Leistung, 2010
Selten ging ein simpler Sager so rasch in den nationalen Zitatenschatz über wie dieser: „Wo woa mei Leistung?“ Verzweifelt stellte Walter Meischberger diese Frage am Telefon seinem Spezi Ernst Karl Plech. Beide waren enge Freunde von Finanzminister Karl-Heinz Grasser, hatten 700.000 Euro von der Baugesellschaft Porr für sehr „zweckdienliche“ Informationen beim Ankauf einer Immobilie kassiert, und Meischberger sollte nun dem Staatsanwalt erklären, wofür er das viele Geld bekommen hatte. Das lustige Trio Scheuba/Maurer/Palfrader trug die Telefonmitschnitte an mehreren Abenden im rammelvollen Audimax der Wiener Uni vor. Köstlich, aber peinlich.

Ein Freund des Negerwitzes, 2009

Es kommt eine „Negermama“ vor, ein „Negerbaby“ und Kakao. Man ahnt das Humorniveau, auf dem der von Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler (damals BZÖ) im Wahlkampf 2009 erzählte „Negerwitz“ einherkam. Und weil’s so wahnsinnig lustig war, nuckelte Dörfler ein paar Wochen später beim Villacher Faschingsumzug für die Fotografen an der Brust einer kostümierten „Negermami“. Kritiker der schwer peinlichen Vorfälle stellte Dörfler als öde Spaßbremsen dar. Jenseitig.

„Was haben wir geschnackselt!“, 2000

Es sollte ein Treffen unter alten Freunden werden, eine ganz besondere profil-Reportage, für die Dieter Chmelar auszog, um den Justizminister der neuen schwarz-blauen Regierung, Michael Krüger, zu interviewen. Die beiden kannten sich gut aus ihren wilden Jahren an der Maturaschule Dr. Roland, als sie ein kleines Substandardzimmer geteilt hatten und zu manchem Streich ausgerückt waren. „Weißt no, die Miss Vienna?“, fragt Krüger. „Mein Gott, was haben wir geschnackselt!“, jubelt Chmelar. „Die haben wir uns geteilt. Zuerst ich im Schlafzimmer, dann du im Wohnzimmer.“ Mit 25 Tagen im Amt war Michael Krüger der am kürzesten dienende Justizminister der Zweiten Republik.

Shortly in Brüssel, 2011

Das zweite Hilfspaket für Griechenland war schon dringend nötig, also setzte sich Maria Fekter am 12. Juli nach dem Treffen der Finanzminister in Brüssel vor die Kameras und machte Tempo: „Shortly – und wenn ich sage shortly, dann meine ich shortly. Without von delay.“ Man möchte ein Mäuschen sein, wenn unsere Ministerin mit den Größen der Finanzwelt in geschliffenem Attnang-Puchheim-Englisch über die Krise parliert. Dieter Chmelar hat im „Kurier“ das Fekterianische weiter entwickelt: Die Redewendungen „You are perhaps a Henry“ (Du bist vielleicht ein Heini) und „Play yourself yes not“ (Spü di jo net) könnten vielleicht auch in Brüssel ganz hilfreich sein.
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Literat H. C. Strache 2005
ORF-„Sommergespräch“. Armin Wolf spricht FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache auf eine Buchrezension auf seiner Website an:
Wolf: Ich habe bewundert, dass Sie so gut schreiben können. Ist das ein Hobby von Ihnen?
Strache: Ich schreibe gern, das ist ein Hobby von mir.
Wolf: Ich habe den Text durch eine Internet-Suchmaschine laufen lassen. Wissen Sie, wo ich den Text gefunden habe? Auf einer rechtsradikalen deutschen Homepage. Nicht von Ihnen geschrieben, sondern von Jürgen Hatzenbichler, der lange Zeit bekennender Neonazi war.
Strache: Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich hab den Text ja nicht geschrieben.
Alles klar?

Verloren im Silbersee, 1995
Erwin Pröll fällt es nicht leicht, einen Scherz auszulassen. Als ihn also zwei ORF- Kulturredakteurinnen interviewten und ihn im Lauf des Gesprächs nach seinem zuletzt gelesenen Buch fragten, setzte der Landeshauptmann das Erwin-Pröll-¬Lächeln auf und antwortete, er habe nur eines gelesen: „Der Schatz im Silbersee“ von Karl May. Er wurde den Sager nie mehr los, auch wenn er auf manchen Fotos – siehe das nebenstehende – in Schmöker wie „Gedanken zu einem erfüllten Leben“ von Kardinal Franz König versinkt.

Autofahrer unterwegs, 1994–2011
Der Straßenverkehr bietet viele Möglichkeiten, seinen Charakter zu demonstrieren, sich lächerlich zu machen oder gar seine Karriere zu verjuxen. Der damalige FPÖ-Jungspund Peter Westenthaler steckte es 1994 allerdings spielend weg, als bekannt wurde, er habe die Übergabe eines Strafzettels durch eine Polizistin mit den Worten „I bezahl den Schas sowieso net“ quittiert. 2002 raffte es die Kärntner Nationalratsabgeordneten Anton Leykam (SPÖ) und Reinhart Gaugg (FPÖ) in kurzer Folge politisch dahin, nachdem die Polizei sie schnapsschwer aus ihren Autos geholt hatte. Dem BZÖ-Abgeordneten Stefan Petzner (BZÖ) wurde 2010 der Führerschein wegen Rasens abgenommen. Petzner war’s egal: Fuhr er halt ohne Schein. Dann stoppte man ihn noch einmal, und der Lappen war für ein ganzes Jahr weg. Hubert Gorbach (Ex-FPÖ/BZÖ) hat trotz der 1,9 Promille, die man in seinem Blut maß, kein politisches Amt mehr zu verlieren, nur noch das Gesicht. Ein wenig halt.

Zoff in Paris, 2010
Man kann sich den sanften Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich nur schwer auszuckend vorstellen. Dennoch soll es nach Angaben mitreisender Journalisten am Pariser Flughafen zu mehreren heftigen Ausbrüchen des Burgenländers gekommen sein, weil die österreichische Botschaft nicht die Anschlussmaschine zum Klimagipfel in Cancun aufgehalten hatte. Ein Saustall sei das alles, die Botschaft gehöre abgeschafft, und die Landwirtschafts¬delegierte in Paris werde er abberufen lassen. Knappe Antwort der Botschaft: Man habe mangels Information gar nicht gewusst, dass Berlakovich via Paris reise.

Neben der Spur, 2009
Die Wiener Burggasse, eine gut vier Kilometer lange Verbindung zwischen Gürtel und Ringstraße, kann im Morgenverkehr zur Qual werden. Rasch kommt man hier nur im Öffi auf der Busspur voran. Gute Idee, dachte Justizministerin Claudia-Bandion Ortner und verlangte vom Rathaus eine Ausnahmegenehmigung für ihren Dienstwagen. Begründung: „Dringlichkeit“. Doch wie so oft: Der Antrag wurde öffentlich. Bürgermeister Michael Häupl erklärte, er sei in schallendes Gelächter ausgebrochen, als er davon hörte. Der grüne Abgeordnete Karl Öllinger feixte: Die Frau Justizministerin könne durchaus die Busspur benützen. Aber nur im Bus. Nix Bonzenspur, nur Peinlichkeit.

Chicago in Eisenstadt, 2009

Wenn ein Landeshauptmann seinen Bürgern einredet, die Sicherheitslage sei derart katastrophal, dass man das Bundesheer rufen muss, obwohl es sich um einen der sichersten Landstriche Europas handelt – dann ist das verrückt. Genau das tat Hans Niessl (SPÖ) im Wahlkampf. Das Heer sollte nicht nur an der ehemaligen Stacheldrahtgrenze, sondern auch durch das brandgefährliche Eisenstadt patrouillieren. Hans Niessl – ein Sozialdemokrat als Strache-Imitator. Peinlicher geht’s kaum.

Nur zur Sicherheit, 1995
Hätte ihn Bundespräsident Klestil nicht abgelehnt, wäre der FPÖ-Politiker Hilmar Kabas im Februar 2000 Verteidigungsminister geworden. Schon damals lachte ganz Wien über den blauen Law-and-Order-Mann. Dieser hatte sich 1995 mit einem Reporter der „Krone“ nach gemeinsamer Beobachtung der Anti-Opernball-Demo in die dem Pressehaus benachbarte „Playgirl“-Bar zurückgezogen. Als eine Zeitung vermeldete, der strenge FPÖ-Politiker sei in einer anrüchigen Spelunke gesehen worden, munkelte Kabas: Er habe in der „Playgirl“-Bar doch nur einen „Sicherheits-Check“ durchgeführt. Einige Jahre später wurde das illegale Puff wegen Menschenhandels geschlossen.

Rein mit den reichen Russen, 2010

„Wenn ein Investor kommt und irgendwo etwas tut, kriegt er amol den Status einer besonderen Person … Sie kumman mit fünf Millionen Eigenkapital, san daher natürlich Teil der Gesellschaft und bei der Umsetzung, wenn das Projekt fertig ist, ist die Staatsbürgerschaft no na net part of the game. Und natürlich, wenn es eine Begleitmusik gibt, die ist nach oben hin unbegrenzt, sag ich mal … Ich tät mir halt wünschen, dass auch ein bisschen was für die positive Zukunft des BZÖ überbleibt.“ Diese Worte, per Telefon adressiert an einen reichen Russen, trugen dem Kärntner Vizelandeshauptmann Uwe Scheuch 18 Monate Haft, davon sechs Monate unbedingt, ein. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Ein Tänzchen mit Marlène, 1986

Man kann sich selbst lächerlich machen, um andere davor zu bewahren. So geschah es im Oktober 1986. Fred Sinowatz hatte kurz zuvor das Kanzleramt an Franz Vranitzky abgegeben, blieb aber SPÖ-Vorsitzender. Seine Partei hatte eine Wahlkampfshow in der Wiener Stadthalle organisiert, in der auch die Soubrette Marlène Charell auftrat. Als sich Frau Charell plötzlich anschickte, den auf die Bühne geholten Vranitzky in ein Tänzchen zu verwickeln, erkannte Polit-Fuchs Sinowatz den Ernst der Lage: Vranitzky schützend, warf er sich dazwischen, nahm Stock, Zylinder und Frau Charells langes Bein und rettete der SPÖ den Wahlkampf. Das alles sah peinlich aus, wurde Sinowatz selbst noch in den Nachrufen vorgehalten – und war doch ein Heldenstück.

Urgeil in der Wiener ÖVP, 2010

Als Staatssekretär macht Sebastian Kurz (ÖVP) keine schlechte Figur. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass dieser sehr erwachsene junge Mann im Wien-Wahlkampf 2010 noch mit einem „Geil-o-Mobil“ durch die Straßen kurvte, einen „Geil-o-Mat“ anpries, mit dem man seinen „Geilheitsgrad“ messen konnte, und Mädels schwarze Gummis verteilen ließ. Das peinliche Credo der ÖVP-Kampagne: „Schwarz macht geile Politik. Schwarz macht Wien geil.“ Bei der Wahl setzte es für die schwarzen Geilisten dann gerade 13 Prozent.

Gespräche auf den Malediven, 2004

Als der Tsunami im Dezember 2004 den Indischen Ozean heimsuchte, urlaubte Finanzminister Karl-Heinz Grasser mit seiner damaligen Verlobten auf den nördlichen Malediven. Anders als der Süden der Inselgruppe blieb der Norden von der Flutwelle verschont, Grasser sah keinen Grund, die Ferien abzubrechen. Das machte in der Heimat böses Blut. Er habe ja gar nicht heimreisen können, weil es keine Flüge gab und er ständig mit der maledivischen Regierung über Hilfsmaßnahmen verhandelt habe, rechtfertigte sich der Minister. Stimmt nicht, sagten Regierungsvertreter: Es habe immer Flüge gegeben, man habe gar nicht gewusst, dass Grasser da sei und erst auf dessen Wunsch kurz vor Abflug einen Beamten zum Flughafen geschickt. Für den Flug zahlte Grasser übrigens den Economy-Tarif, gesessen ist er in der Business Class.

Scharfes Rohr, 2010

Der Plot ist schnell erzählt: Vier Girls in knallengen Jeans werden von einem grobschlächtigen Vorstadt-Casanova auf eine Spritztour im Sportwagen eingeladen. Da biegt wie so oft ein Panzer des Bundesheers um die Ecke, der Fahrer lädt die Mädchen ein, und schon laufen sie kirre kreischend hinter dem Kettenfahrzeug her. Kritiker haben nicht nur auf die abartige Dummheit dieses als Werbespot des Bundesheers gedachten Filmchens verwiesen, sondern – Wien, Stadt der Psychoanalyse – auch auf das erigierte Panzerrohr. Wie auch immer: hochnotpeinlich, dieses Ding.

Too small für Gorbach, 2007

Politiker fallen nach ihrem Ausscheiden manchmal in ein Loch. So fragte also der gewesene Verkehrsminister und Vizekanzler Hubert Gorbach auf seinem Vizekanzler-Briefpapier, das er handschriftlich durch ein kleines „a. D.“ ergänzt hatte, bei ehemaligen Amtskollegen an, ob da nicht etwas frei wäre in der großen weiten Welt des Consulting. Die Briefe ließ er über die österreichischen Botschaften in den jeweiligen Kabinetten übergeben. Bekannt wurde das rührende Schreiben an seinen „Dear Alistar“ (gemeint war der britische Schatzkanzler Alistair Darling), dem er in alemannisch gebrochenem Englisch sein Leid klagte: „The world in Vorarlberg is too small.“ Wenn man gerade keinen Führerschein hat, kann das allerdings ganz angenehm sein.

Dissertationen – einst und jetzt, 2010

Als in Deutschland ruchbar wurde, Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg habe große Teile seiner Dissertation abgeschrieben, trat dieser sofort zurück. Als in Österreich bekannt wurde, auch EU-Kommissar Johannes Hahn könnte für seine Diss abgekupfert haben, wurde eine Kommission eingesetzt. Diese fällte einen wenig schmückenden Freispruch: Die Arbeit sei kein blankes Plagiat, heute würde man eine solche Dissertation aber nicht mehr annehmen. Die Kommission deckte auch Unaufmerksamkeiten beim Abschreiben auf: Aus „Pilger und Festteilnehmer“ machte Hahn „Bilder und Festteilnehmer“. Weil’s eh wurscht ist.