Im Zweifel gegen den Angeklagten

Im Zweifel gegen den Angeklagten: Grasser erringt einen Sieg, Verdachtsmomente bleiben bestehen

Causa Ramprecht. Grasser erringt vor Gericht einen Sieg. Die Verdachtsmomente bleiben bestehen.

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Verlierer sehen anders aus. Sieger irgendwie auch. Schauplatz Restaurant & Café Adam, Wien-Josefstadt, 15. Juli, kurz vor 15.00 Uhr. Karl-Heinz Grasser hat Journalisten zu einer kurzfristig arrangierten Pressekonferenz gebeten. Auftritt Michael Ramprecht. Der ist nicht nur nicht eingeladen, er pflanzt sich auch noch wie selbstverständlich in unmittelbarer Nähe des – sichtlich irritierten – Gastgebers und seiner Anwälte Michael Rami und Manfred Ainedter auf. Später wird Ramprecht wie zum Hohn auf zahlreichen Schnappschüssen der Veranstaltung seines Gegenspielers zu sehen sein.
Wenige Minuten zuvor ist am Landesgericht für Strafsachen das erstinstanzliche Urteil in dem vom ehemaligen Finanzminister angestrengten Verfahren gegen seinen früheren Kabinettsmitarbeiter und profil ergangen. Im Rahmen eines Teilschuldspruchs hat Einzelrichter Gerald Wagner Ramprecht wegen „übler Nachrede“ zu einer – bedingten – Geldstrafe von 3600 Euro verdonnert, profil zu einer Entschädigung von 1500 Euro und zur Veröffentlichung des Urteils. Der Richterspruch ist nicht rechtskräftig, alle Seiten werden dagegen berufen.

Michael Ramprecht hatte in einer am 5. Oktober des Vorjahrs erschienenen profil-Titelgeschichte erstmals schwere Vorwürfe im Zusammenhang mit der Privatisierung der Bundeswohngesellschaften (Buwog) 2004 formuliert. Demnach sei der in Grassers Amtszeit vollzogene Buwog-Verkauf an die Immofinanz-Gruppe ein „abgekartetes Spiel“ gewesen (Nr. 41/09).

Ramprecht, einst Grassers Vertrauter und in einer frühen Phase mit dem Deal befasst, hatte seine Wahrnehmungen zwar unmittelbar nach Drucklegung von profil auch vor der Staatsanwaltschaft Wien bekräftigt und diese Linie bis Prozessende gehalten. Richter Wagner maß dem Umstand jedoch keinerlei Bedeutung bei. In derartigen Verfahren muss nämlich der Beklagte den Wahrheitsbeweis antreten. Und das war schon deshalb nur schwer möglich, weil Grassers verschworene Entourage dichthielt: Der von Ramprecht in dem Interview ebenfalls schwer belastete Immobilienmakler Ernst Karl Plech, seinerzeit Vorsitzender des Buwog-Aufsichtsrats, entschlug sich im Zeugenstand der Aussage. Wie auch die Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger, die beim Buwog-Verkauf klammheimlich fast zehn Millionen Euro Provision kassierten, weil sie die Immofinanz mit entscheidenden Informationen über Angebote der Konkurrenz versorgt hatten. Die Staatsanwaltschaft Wien verdächtigt Grasser, Plech, Meischberger und Hochegger seit Monaten des Amtsmissbrauchs respektive der Anstiftung dazu. Daneben wird gegen Grasser auch wegen mutmaßlicher Untreue in Zusammenhang mit der Auswahl der Investmentbank Lehman Brothers im Vorfeld des eigentlichen Buwog-Verkaufs ermittelt (profil berichtete).

Der Tatverdacht. In diesem Kontext ist der Verlauf des Ehrenbeleidigungsprozesses zu sehen. Ramprecht und profil konnten den Wahrheitsbeweis für das „abgekartete Spiel“ zunächst nicht erbringen – und Richter Wagner verspürte offensichtlich kein gesteigertes Bedürfnis, weiter in die Tiefe zu gehen und so möglicherweise der Arbeit der Staatsanwaltschaft vorzugreifen. Das erklärt auch, warum Wagner die von Ramprechts Anwalt Michael Pilz eingeforderte Öffnung der Grasser-Konten ebenso nonchalant abschmetterte wie die Einvernahme zusätzlicher Zeugen.
Sosehr der ehemalige Finanzminister diesen Erfolg vor Gericht auch öffentlich zu zelebrieren versuchte – überzeugend wirkte er dabei nicht. Grasser ist ungeachtet seiner „Supersauber“-Schwüre verdächtig, die Privatisierung der Bundeswohngesellschaften manipuliert zu haben. Was er naturgemäß heftig bestreitet. Also steht Ramprechts Wort weiterhin gegen das seines ehemaligen Vorgesetzten, dessen Glaubwürdigkeit – wohlwollendes Urteil hin oder her – nachhaltig gelitten hat. Oder wie ­Anwalt Pilz bereits im Vorfeld der Urteilsverkündung feststellte: „Wir haben viel ­bewegt.“

Tatsächlich wurden ausgerechnet durch Grassers Klage Sachverhalte bekannt, die so möglicherweise erst im Rahmen einer allfälligen Anklageerhebung öffentlich geworden wären. Und auch hier spielte profil eine Schlüsselrolle. Als beteiligte Prozesspartei erhielt dieses Magazin Zugriff auf Ermittlungsakten der Justiz, die den Buwog-Deal in ein nur noch schieferes Licht tauchen – darunter die Protokolle der Einvernahmen von Walter Meischberger und Peter Hochegger.
Diese mussten zwischen September 2009 und Februar 2010 je viermal vor dem Staatsanwalt zu ihrer Rolle in der Buwog-Affäre aussagen. Sie verstrickten sich dabei in eklatante Widersprüche und lieferten unbeabsichtigt Hinweise auf massive Unregelmäßigkeiten vor und während der Privatisierung.

Am 19. April 2010 enthüllte profil (Nr. 16/10), dass Grasser mit seiner damaligen Lebensgefährtin auf Kosten seines Trauzeugen Meischberger einen 4600 Euro teuren Urlaub auf den Seychellen genießen durfte – im April 2004, also nur acht Wochen, ehe der Minister die Buwog der Immofinanz-Gruppe zuschlug, für die wiederum Meischberger lobbyierte. Grasser beteuert zwar gebetsmühlenartig, er habe Meischberger die Kosten anschließend „bar“ ersetzt. Die Optik bleibt dennoch fatal.
Im Prozess hakte der Richter hier nach, wenn auch nicht besonders energisch. Gerald Wagner an Grassers Adresse: „Hat es solche Einladungen öfter gegeben?“ Dessen knappe Replik: „Nein.“ Überhaupt habe er, Grasser, „keinen Euro von Walter Meischberger bekommen“.

Die Aussagen. Wagner gab sich damit zufrieden. Eine Kontenöffnung hätte vielleicht etwas Klarheit bringen können. Diese wurde aber mit Hinweis darauf abgelehnt, dass es sich hierbei um einen so genannten Erkundungsbeweis handelt. Und der steht Beklagten prinzipiell nicht zu.

Am 26. April veröffentlichte profil Aussagen Hocheggers, wonach er von Meischberger die genaue Angebotshöhe der damals um die Buwog mitbietenden CA Immo erhalten und diese der Immofinanz zugeleitet habe. Wörtlich sagte Hochegger: „Meischberger hat mir nicht gesagt, woher er die Schlüsselinformation ‚über 960 Millionen‘ hatte. Ich habe mir gedacht, dass er sicher ein paar Möglichkeiten hat, wo er das herbekommen kann. Er kannte viele Schlüsselleute im BMF, Grasser, Plech und auch die in den Prozess involvierten Leute von Lehman“ (Nr. 17/10).
Auch diese Protokolle hat der Richter gegen die Anträge von Ramprechts Anwalt Pilz nicht verlesen.
Und dann wäre da noch die Sache mit Lehman Brothers. Bereits 2002 war die mittlerweile kollabierte Investmentbank von einer „Vergabekommission“ unter Ramprechts Vorsitz mit der Vorbereitung und Abwicklung der Buwog-Privatisierung beauftragt worden. Kostenpunkt: rund zehn Millionen Euro.
Mittlerweile wirft auch dieses Geschäft Fragen auf. Die US-Investmentbank, für die damals Grassers Spezi Karlheinz Muhr als Konsulent wirkte, war weder Best- noch Billigstbieterin. Und wäre beinahe durchgefallen, hätte ein gewisser Michael Ramprecht nicht seinen Einfluss geltend gemacht. Der belastete sich in profil und später auch im Verfahren umstandslos selbst: „Ich habe die Kommission damals umgedreht.“ Und zwar nachdem Ernst Karl Plech ihm unmissverständlich bedeutet habe, „der Minister will Lehman Brothers“.

Auch dies war von Karl-Heinz Grasser eingeklagt worden, er kam damit jedoch nicht durch. Laut Richter Wagner erfülle der Hinweis auf „Wünsche“ eines ressortzuständigen Ministers nicht den Tatbestand der üblen Nachrede.

Die Kontrahenten könnten einander schon demnächst wiedersehen, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Von den laufenden Untreue-Ermittlungen gegen Grasser rund um die Mandatierung von Lehman Brothers ist auch Ramprecht betroffen – als Beschuldigter.