Werner beinhart

Inseratenaffäre: Geheime Dokumente belasten Faymann schwer

Inseratenaffäre. Protokolle zeigen, wie dreist Werner Faymann Amt und Steuergeld einsetzte

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Am 21. Februar dieses Jahres, einem Dienstag, ließ sich Josef Ostermayer mit der Staatsanwaltschaft Wien verbinden. Über den Inhalt ihres Gesprächs mit dem Staatssekretär für Medienangelegenheiten legte Staatsanwältin Ursula Kropiunig noch am selben Tag einen Amtsvermerk an. Eine unstatthafte politische Intervention von höchster Ebene? Mitnichten: eher eine unverfängliche Bitte. Tags zuvor war Werner Faymann von der Staatsanwältin zur Inseratenaffäre einvernommen worden, und offenbar war dem Regierungschef ein kleiner Irrtum in eigener Sache unterlaufen. Laut dem wenige Zeilen langen Amtsvermerk „teilt Dr. Ostermayer telefonisch mit, er rufe im Auftrag des Bundeskanzlers an. Dieser habe bei neuerlicher Durchsicht seines ges­trigen Beschuldigtenprotokolls festgestellt, dass unter der Rubrik ,Sorgepflichten‘ auf Seite eins des Protokolls aufscheine, er sei nur für eine Tochter im Alter von 21 Jahren sorgepflichtig. Tatsächlich sei er aber auch noch für eine zweite Tochter im Alter von neun Jahren sorgepflichtig. Der Bundeskanzler ersuche daher, sein Beschuldigtenprotokoll in diesem Punkt zu ergänzen.“

Fehlerhafte Angaben vor der Justiz zu Familienstand oder Kinderzahl sind wohl eine lässliche Sünde. Seit Herbst 2011 führt die Staatsanwaltschaft Wien Faymann und Ostermayer nach einer Anzeige der FPÖ als Beschuldigte. Der Vorwurf: Untreue. Der damalige Verkehrsminister und sein Kabinettschef sollen ab 2007 staatlichen Unternehmen wie Asfinag und ÖBB vorgeschrieben haben, in befreundeten Medien Inserate zu schalten. Im April 2012 beantragte die Staatsanwaltschaft die Einstellung der Verfahren. Begründung: Die betroffenen Unternehmen hätten keinen Vermögensnachteil erlitten, da die ­inkriminierten Inserate durchaus einen Werbewert aufwiesen. Die Oberstaats­anwaltschaft Wien unterstützte den Vorhabensbericht der Kollegen – mit einer Ausnahme: In Zusammenhang mit einer Inseratenkampagne der ÖBB in der „Kronen Zeitung“ wurde ein Gutachten in ­Auftrag gegeben. Parallel dazu ­stellte die Staatsanwaltschaft Wien weitere Ermittlungen an und führt derzeit Einvernahmen durch. Vor allem frühere Manager der Asfinag stehen noch auf der Zeugenliste.

Obwohl das Verfahren also formell nicht eingestellt wurde, frohlockte der Kanzler. „Ich sehe die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft als Erfolg an und gehe davon aus, dass sich herausstellen wird, dass alles rechtlich in Ordnung ist.“

Rechtlich mag Werner Faymann außerhalb der roten Zone sein.
Im strafgesetzlichen Sinn dürfte Untreue nicht vorliegen, im politischen umso mehr. profil vorliegende Einvernahmeprotokolle und Beweisunterlagen der Staatsanwaltschaft Wien belegen, mit welcher Vehemenz ­Faymann und Ostermayer die Werbebudgets von ÖBB und Asfinag zur eigenen Disposition abschöpften.

Schon eine kleine interne Statistik der Asfinag legt den Verdacht politischen Amtsmissbrauchs nahe. Im Gründungsjahr 2006 lukrierte die Tageszeitung „Österreich“ kein einziges Inserat von der Autobahnfinanzierungs-Gesellschaft. Im Jahr darauf schaltete die Asfinag beim Newcomer am Boulevard Anzeigen im Gegenwert von 470.000 Euro – bei einem Gesamtetat für Printwerbung in Höhe von einer Million Euro. Die Koinzidenz: Im Jänner 2007 war Werner Faymann Verkehrsminister geworden. 2008 flossen 630.000 Euro von der Asfinag in die Kassa von „Österreich“, 2009 532.000 Euro. Mit Faymanns Wechsel ins Kanzleramt Ende 2008 ging das Inseratenvolumen abrupt zurück. Und 2010 – unter Ministerin Doris Bures – schaltete die Asfinag nur noch Anzeigen im Wert von 200.000 Euro.

Dass über die Streuung des Werbebudgets des staatlichen Autobahnbetreibers nicht intern, sondern extern entschieden wurde, beweist Punkt 9 eines bisher unveröffentlichten Protokolls einer Asfinag-Vorstandssitzung vom 21. August 2007: „Vom Eigentümer (BM Faymann) und seinem Kabinett wurden in letzter Zeit mehrere Aufträge für die Schaltung von Inseraten beziehungsweise gekauften Beilagen bei Printmedien beauftragt, ohne dass der Vorstand der Asfinag in den Entscheidungsprozess eingebunden war.“

Sein Befremden über das Verhalten des Faymann-Kabinetts und die Umgehung der Asfinag-Geschäftsführung ventilierte Vorstandsdirektor Franz Lückler zwei Wochen später in einem Telefonat mit Josef Ostermayer, das Lückler in einem Aktenvermerk, datiert mit 4. September 2007, festhielt. Ursprünglicher Anlass des Gesprächs war erneut eine Inseratenvermittlung durch den damaligen Kabinettschef. Auszug aus Lücklers Aktenvermerk: „In einem Telefonat informiert mich Ostermayer, dass die ,Kronen Zeitung‘ ein Interesse bekunde, eine bezahlte Beilage zum Thema Tunnelsicherheit zu produzieren. Größenordnung der Kosten etwa Euro 250.000.“ Danach hält Lückler gegenüber Ostermayer laut Aktenvermerk fest, „dass die bisherigen Kooperationen so abgelaufen sind, dass der Vorstand mehr oder weniger zeitgleich mit dem Erscheinen einer solchen Beilage davon Kenntnis erlangt hat, aber auch gleichzeitig mit der Rechnungslegung. Dieser ­Umstand löste durchaus eine Irritation beim Vorstand aus und gab Anlass zu einer Überprüfung durch die Innenrevision der Asfinag.“ Nachdem Ostermayer Lückler für die Zukunft „eine ordnungsgemäße Abwicklung“ zugesagt hatte, ging die Befehlsausgabe weiter: „Für die Zusammenarbeit mit der ,Kronen Zeitung‘ wurde folgende Vorgehensweise vereinbart: Ostermayer informiert die ,Kronen Zeitung‘ über eine grundsätzliche Bereitschaft der Asfinag.“ Über „Umfang und Art“ der Inserate solle es diesmal „vor Anbotslegung ein Gespräch mit der ,Krone‘ durch die Asfinag“ geben.

Der Medien-Staatssekretär war bereits am 29. November 2011 von Staatsanwältin Kropiunig einvernommen worden. Deren Vorhalt, das Verkehrsministerium habe seinerzeit Inserate in Eigenregie auf Kosten von ÖBB und Asfinag veranlasst, stritt Ostermayer glatt ab. Originalzitat aus der Beschuldigtenvernehmung: „Nach meinem Wissensstand kann ich mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen, dass eine Bezahlung durch einen verstaatlichten Betrieb eines vom Ministerium in Auftrag gegebenen Inserats ohne vorherige Abstimmung erfolgt ist oder erfolgen musste.“

Deckungsgleich hatte auch Faymann am 20. Februar 2012 ausgesagt: „Grundsätzlich möchte ich zu sämtlichen Vorwürfen angeben, dass es meines Wissens nach keine Fälle gegeben hat, in denen der Auftrag an das Medium vom BMVIT gekommen ist … und in weiterer Folge dann die Bezahlung durch die ÖBB oder die Asfinag erfolgte. Ich hätte so eine Vorgangsweise auch nicht geduldet, weil mir durchaus bekannt ist, dass diese Vorgangsweise mit aktienrechtlichen Bestimmungen nicht im Einklang steht.“

Ostermayers und Faymanns Darstellung gegenüber der Staatsanwaltschaft stehen in Widerspruch zu den Aussagen von rund einem halben Dutzend Zeugen und den Inhalten interner Unterlagen von Asfinag und ÖBB. Laut diesen hätten Faymann und Ostermayer systematisch Inserate gegen den Willen oder zumindest ohne vorherige Einschaltung der Geschäftsführungen in Auftrag gegeben – und damit gegen aktienrechtliche Bestimmungen verstoßen.

Aktenvermerk des Kommunikationschefs der Asfinag, Marc Zimmermann, vom 8. Jänner 2008: „Im November erschien eine Beilage extra zum Nachrichtenmagazin ,News‘. Das Angebot zum Thema Mobilität in Österreich und das gute Preis-Leistungs-Verhältnis waren die ausschlaggebenden Faktoren, das Angebot anzunehmen. Das Kabinett Faymann hat die Kooperation unterstützt und abgeschlossen.“

Protokoll Vorstandssitzung Asfinag, 9. Oktober 2007: „Franz Lückler informiert über eine aktuelle Medienkooperation mit dem Zeitungsverlag Österreich im Ausmaß von 70.000 Euro. Diese wurde von Herrn Kotlowski (Kabinett Faymann) mit dem Zeitungsverlag Österreich vereinbart.“

Aktenvermerk des Kommunikationschefs der Asfinag, Marc Zimmermann, vom 3. September 2007: „Auf Ersuchen von Kabinett BM Faymann wurde eine Kooperation mit dem ,VOR-Magazin‘ Wien, Niederösterreich und Burgenland eingegangen.“ Das „Vor Magazin“ gehört zum Echo-Medienhaus, das indirekt im Eigentum der SPÖ Wien steht. Der frühere Wiener Wohnbaustadtrat vergaß also auch in seiner neuen Funktion als Verkehrsminister nicht auf die eigenen Genossen.

Aktenvermerk Marc Zimmermann vom 10. August 2007: „Diese neuerliche Kooperation mit der Tageszeitung ,Österreich‘ wurde durch das Kabinett von BM Faymann abgeschlossen und vereinbart.“

Zeugenvernehmung, 3. Oktober 2011, Walter Sattlberger, Ex-Kommunikationschef ÖBB: „Ich lege vor eine E-Mail der Verlagsgruppe News, aus der sich ergibt, dass in einer Ausgabe von ,News‘ am 21.6.2007 eine Beilage zum Thema Wiener Südbahnhof erschienen ist, offenbar vom Ministerium ein Druckkostenbeitrag in der Höhe von Euro 58.000 zugesagt wurde, dieser aber in weiterer Folge nicht bezahlt wurde und deshalb der Druckkostenbeitrag schlussendlich der ÖBB in Rechnung gestellt wurde.“

Zeugenvernehmung, 6. Oktober 2011, Stefan Wehinger, Ex-ÖBB-Personenverkehrsvorstand: „Es war zu diesem Zeitpunkt (August 2007, Anm.) für uns alle klar, dass offenbar die Auftragserteilung an die ,Kronen Zeitung‘ durch den Verkehrsminister oder Ostermayer erfolgt ist. Ich habe mit Ostermayer darüber diskutiert, was diese Vorgangsweise solle, wobei er mir dann schlussendlich gesagt hat, dass er meinen Weiterverbleib in der Position des Vorstands in Zusammenhang mit der Kooperationsfähigkeit bei solchen Dingen sieht.“

Zeugenvernehmung, 13. Oktober 2011, Gary Pippan, Ex-Pressesprecher ÖBB-Holding: „Am 29. Jänner 2007 wurde ich vom BMVIT, und zwar vom damals zuständigen Kabinettsmitarbeiter…, darüber informiert, dass das BMVIT mit der ,Kronen Zeitung‘ eine Kooperation vereinbart hat.“

Zeugenvernehmung, 27. Oktober 2011, Wilhelmine Goldmann, Ex-Vorstandsdirektorin ÖBB: „Mir war klar, dass in dieser Kampagne (ÖBB-Inserate 2007, Anm.) federführend das Verkehrsministerium war.“

Kanzler Faymann und Staatssekretär Ostermayer hatten ähnliche Vorwürfe stets zurückgewiesen. Entscheidungen über Inserate und Medienkooperationen seien in den Unternehmen selbst getroffen worden. Deren Vorstände seien per Gesetz weisungsfrei gegenüber den Eigentümern.

Gern hätte Ostermayer 2007 die gesamte Werbestrategie der ÖBB umgekrempelt. Dass die Bahn in TV-Spots mit der bayerischen Volksschauspielerin Ruth Drexel und Ö3-Star Robert Kratky warb, irritierte Faymanns Adjutanten. Laut Aussage des Ex-ÖBB-Managers Stefan Wehinger habe ihn Ostermayer wegen der Fernsehwerbung „mehrmals kontaktiert“, „diese als unsinnig dargestellt“ und ihn aufgefordert, „mehr Geld in die Printwerbung zu stecken“.

Lesen Sie außerdem im profil 34/2012: Ein deutscher Gutachter kritisiert Werner Faymanns berühmt-berüchtigte ÖBB-Inseratenkampagne in der „Kronen Zeitung“.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.