Interview: Telekom- Chef Boris Nemsic

Interview mit Telekom- Chef Boris Nemsic

"Eine Überreaktion" nach der Aktien-Talfahrt

Drucken

Schriftgröße

profil: Herr Nemsic, Sie beschäftigen sich derzeit wohl etwas intensiver mit dem Auf und Ab an den Börsen als sonst. Angenehm?
Nemsic: Einerseits rufen mich viele Journalisten an. Das ist angenehm. Andererseits schaue ich mir die Börsenkurse öfter an. Und der Kurs der Telekom Austria ist derzeit nicht so, wie er sein sollte.

profil: Bildet der aktuelle Kurs der Aktie die betriebswirtschaftliche Wirklichkeit der Telekom Austria ab?
Nemsic: Ein Unternehmen ändert sich nicht von einem Tag auf den anderen. Der Börsenkurs aber schon. Daher lässt sich das nur schwer übersetzen. Es geht hier auch nicht um den bereits erwirtschafteten Gewinn, sondern um den Ausblick für das nächste Jahr. Und das ist ein Trend, der den Anlegern nicht gefällt.

profil: Das ist leicht untertrieben. Immerhin ist die Telekom an der Börse derzeit um beinahe zwei Milliarden weniger wert als noch vor drei Monaten …
Nemsic: Der Marktwert ist eine Momentaufnahme. Damit muss man leben. Unsere Sichtweise ist aber auf sehr viel längere Zeiträume angelegt. Aber ich gebe zu: Erfreulich ist diese Momentaufnahme nicht.

profil: Und gibt diese Momentaufnahme nun ein richtiges Bild der Telekom Austria ab?
Nemsic: Die Reaktion auf unsere Bilanzpräsentation war eindeutig eine Überreaktion. Nun liegt es an uns, diesen Effekt wieder umzudrehen.

profil: Es entsteht ein wenig der Eindruck, als neigten die Marktteilnehmer an der Wiener Börse zu manischer Depression – mal himmelhoch jauchzend, dann wieder zu Tode betrübt.
Nemsic: Da bewegen wir uns schon in medizinischen Kategorien. Das Kapital ist global und kann sehr schnell von einem Ort an den anderen wechseln. Es geht im Endeffekt nur darum, wo man sein Geld am bes­ten investiert. Daraus entwickelt sich eine hohe Dynamik. Aber manisch-depressiv würde ich das nicht nennen.

profil: Ein Drittel des Kapitals an der Wiener Börse stammt mittlerweile aus den USA. Sind diese extremen Kursschwankungen der Preis, den man für dieses Kapital zahlen muss.
Nemsic: Das amerikanische Kapital hat österreichischen Unternehmen gutgetan. Aber das Match um dieses Kapital wird eben weltweit ausge­tragen.

profil: Kann es sein, dass sich amerikanische Investoren angesichts eines gebremsten Wachstums zunehmend auf den vertrauten Heimatmarkt zurückziehen?
Nemsic: Das glaube ich eher nicht. Es überlegt sich jeder sehr genau, wo er zu welchem Zeitpunkt investiert. Aber vor allem große Fonds sind natürlich auch verpflichtet, zu bestimmten Zeiten bestimmte Erträge abzuliefern und Gewinne zu realisieren. Das erklärt natürlich gewisse Bewegungen.

profil: Trotzdem überrascht vom Tempo des Kursverfalls?
Nemsic: Keine Frage. Beim Verkaufen geht es rasend schnell. Man sieht ja förmlich, wie die Gewinne schwinden. Da kommt es auch zu irrationalen Entscheidungen. Für uns soll das aber keine Ausrede sein. Wir müssen unseren Job tun, damit wir wieder nach oben kommen.

profil: Kurz nach dem Einbruch der Telekom-Aktie war von Personal­abbau im Festnetzbereich zu lesen. Ein bisschen Aktionismus zur Kurs­pflege?
Nemsic: Überhaupt nicht. Wir reden über solche Schritte seit Jahren. Die Frage ist immer, zu welchem Zeitpunkt man diese Schritte durchführt. Wenn man in einem Segment fast zehn Prozent seiner Kunden verliert, muss man reagieren. Um das zu erkennen, muss man nicht besonders schlau sein.