Jörg, Frank & Franz

Jörg, Frank und Franz

Kampf um die Hofburg

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Fast wäre es zur Konfrontation gekommen.
Forsch strebte Nationalratspräsident Andreas Khol vergangenen Freitag an der Spitze der schwarzen Delegation dem Sitzungssaal des Österreich-Konvents zu, als er in der Säulenhalle des Parlaments auf einen Parteifreund prallte: Franz Fiedler, Präsident des Konvents und des Rechnungshofs, warf sich dort eben den Blitzlichtern der Fotografen entgegen. Unter Gemurmel eines Pflichtscherzchens – „Na, da geht’s ja heut‘ zu“ – tauchte Khol in die Tiefen des Sitzungssaals ab.

Die Szene markiert den Scheitelpunkt einer Entfremdung: Seit Monaten stichelt ÖVP-Mitglied Fiedler gegen seine Partei und die von ihr geführte Regierung. Einmal bescheinigte er ihr, sie verlasse den Konsolidierungspfad, dann kritisierte er die hohen Ausgaben für Berater. Im August nahm sich Fiedler die Millionenverträge für die ÖIAG-Vorstände vor, im September die teuren Leihverträge für Ministersekretäre. Für die Vorbereitungen zum Verkauf der Bundeswohnungen fand er ebenso harsche Worte wie für den Entwurf zur ÖBB-Reform.

Seine Ankündigung, die Causa Grasser auch ohne Parlamentsauftrag prüfen zu wollen, sorgte bei Wolfgang Schüssel für maximalen Grant.
Jetzt kommt es für die Kanzlerpartei vielleicht noch schlimmer: Sollte Franz Fiedler tatsächlich bei der Präsidentenwahl antreten, könnte dies für Benita Ferrero-Waldner ein Waterloo bedeuten.

Fiedler fühlt sich von seiner Gesinnungsgemeinschaft verraten. Kurioserweise ist er ein Opfer der ersten Pensionsreform: Bitter beklagte sich der Jurist, der nächste Woche 60 wird und dessen Amtszeit im Mai ausläuft, 2001 bei Regierungsmitgliedern, weil er jetzt noch weitere eineinhalb Jahre als Beamter dienen müsse. Wenn er keinen anderen Job bekomme, müsse er demütigenderweise wieder in der Staatsanwaltschaft zum Dienst erscheinen.
Fiedlers Traumjob, den Präsidentenposten im Verfassungsgericht, bekam Karl Korinek. Das ihm angebotene Amt des Vizepräsidenten lehnte er beleidigt ab.
Viele Honoratioren rechts der Mitte hielten – anders als die ÖVP – Franz Fiedler für noch Höheres geboren.
Franz Burkert, Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder etwa, kam vergangenen Dezember nach einer Pressekonferenz des Rechnungshofs auf Fiedler zu, um ihn zu einem mutigen Schritt zu motivieren. Burkert: „Ich hab ihn gefragt: ,Wollen Sie nicht als Bundespräsident kandidieren?‘ Er hat geantwortet: ,Ja, aber da müsste mich jemand nominieren.‘“ Er, Burkert, habe Fiedler jedenfalls volle Unterstützung zugesagt.

Debatte mit Folgen. Nach den Feiertagen bekam Franz Fiedler eine ungewöhnliche Einladung. Landeshauptmann Jörg Haider bat ihn für den 12. Februar ins Casineum Velden. Dort wolle man gemeinsam mit Frank Stronach über das Thema „Ohne Bürgerrechte keine Demokratie – neue Formen demokratischer Mitbestimmung in einer globalisierten Welt“ diskutieren. Fiedler sagte zu.

Der denkwürdigen Veranstaltung waren komplexe Vorbereitungen vorangegangen. Zuerst hatte sich Haider mit dem ehemaligen Kurzzeit-Parteichef und Knittelfeld-Opfer Mathias Reichhold ausgesöhnt. Dieser brachte Haider dann zwecks klärender Aussprache mit seinem jetzigen Chef Frank Stronach zusammen. Stronach war Haider äußerst gram gewesen, weil der ihm 1998 den Kauf des pittoresken Wörtherseeguts Walterskirchen vermasselt hatte und es in der Folge einem Kärntner Holzbaron zukommen ließ.

Am 12. Februar war alles vergeben und vergessen. Mit den nun in seinen Diensten stehenden blauen Ex-Größen Reichhold und Peter Westenthaler im Schlepptau marschierte Stronach im Casineum ein und referierte seine etwas bizarren Vorstellungen von „neuen Formen demokratischer Mitbestimmung“: Stronach will einen entscheidenden Teil der Abgeordneten per Zufallsgenerator bestimmen.

Haider zeigte sich begeistert. Was Franz Fiedler von solchen Ideen hält, ist nicht überliefert. Teilnehmer an der Runde erinnern sich jedenfalls, Haider habe den Rechnungshofpräses nach der Veranstaltung hoch gerühmt und versucht, Stronach dessen Kandidatur um die Präsidentschaft schmackhaft zu machen.

Der Industrielle habe sich dazu freundlich geäußert, ohne jedoch Versprechungen zu machen.
In Fiedler hatte Haider aber offenbar das Feuer entfacht. Wichtig könnte dabei die Zusage gewesen sein, ihm seine beste Kraft zur Seite zu stellen: Gernot Rumpold, ehedem Haiders Mann fürs Grobe, hat sich mit seiner Agentur MediaConnection Austria zu einer Größe auf dem Feld des Political Campaigning gemausert.

Rumpold nahm sofort das Heft in die Hand. Als Plattform wählte er das Magazin „News“, das von den Vorgängen schon Wind bekommen hatte. Mit der „News“- Chefetage vereinbarte Rumpold die genaue Vorgangsweise: Fiedler werde sich in einem Interview samt Fototermin erklären und eine entsprechende Vorabmeldung des Magazins unmittelbar darauf bestätigen.

Die Sache lief wie am Schnürchen. Mittwoch, 12.19 Uhr, ging mit dem Dringlichkeitsvermerk „Eilt“ die „News“-Meldung „Präsidenten-Wahl: RH-Präsident Fiedler überlegt Antreten“ ans Netz. Schon um 12.52 Uhr begrüßte eine die Überraschung nicht einmal vortäuschende Kärntner FPÖ die Ankündigung Fiedlers. Zehn Minuten später sah FPÖ-Obmann Herbert Haupt in Fiedlers Kandidatur eine „Bereicherung“. Nach kurzer Schamfrist konnte sich Haider um 16.11 Uhr sogar eine Wahlempfehlung für Fiedler vorstellen.

Unselige Allianz. Wiener Journalisten hatte bereits Kenntnis vom Hintergrund der Aktion. „Hofburg-Kandidat Fiedler: Haider, Stronach als Helfer?“ hieß es in der Schlagzeile der „Kurier“-Abendausgabe.

Stronach konnte es nicht recht sein, im Zusammenhang mit Haider genannt zu werden. In Kanada, wo seine Tochter Belinda eben um den Vorsitz in der Konservativen Partei kämpft, wird bereits am Umstand herumgemäkelt, dass Papa Frank ehemalige FPÖ-Politiker in seine Dienste nahm. Kanada hatte sich seinerzeit den EU-Sanktionen gegen die schwarz-blaue Regierung angeschlossen.

Eine Allianz mit Haider wäre für Belindas Aspirationen letal – sie strebt immerhin den Job des Premierministers an.
Außerdem: Selbst Frank Stronach kann nicht nach Belieben Geld aus dem Unternehmen ziehen – schon gar nicht die von Fiedler kolportierten fünf bis sieben Millionen Euro. Stronachs Sport-Sponsoring erfolgt aus genau dotierten Fonds.
Sollte der Tycoon je daran gedacht haben, Fiedler finanziell unter die Arme zu greifen – nach der handstreichartigen Kaperung der Fiedler-Kandidatur durch Haider und die FPÖ war das Thema erledigt.

Donnerstagvormittag, Stronach ließ eben alle Finanzierungsgerüchte dementieren, rief Fiedler bei Kammer-Präsident Burkert an. Burkert: „Er hat gesagt: Sie waren der Erste, der mich angesprochen hat. Würden Sie das übernehmen?‘“

Gemeint war der Vorsitz über ein Personenkomitee. Burkert sagte zu. Einen Geldgeber, musste der Wirtschaftstreuhänder feststellen, gab es vorerst nicht. Gut möglich, dass die allzu rasche Umarmung Fiedlers durch Jörg Haider potenzielle Financiers endgültig abgeschreckt hat.
Sein erstes Ziel hat der Kärntner jedenfalls erreicht: Zusätzliche Medienauftritte eine Woche vor den Landtagswahlen. Ob er auch Ziel Nummer zwei erreicht, ist unsicher: Eine Wahlempfehlung für Fiedler als Druckmittel einzusetzen, um die Stimmen der ÖVP bei der Wahl des Landeshauptmanns zu bekommen, ist nur dann möglich, wenn Fiedler tatsächlich antritt.

Der Start war jedenfalls verpatzt. Wolfgang Bachmayer, Chef des Meinungsforschungsinstituts OGM: „Fiedler war der Fleisch gewordene Slogan ,Macht braucht Kontrolle‘. Wie man so tolle Chancen so schnell verspielen kann, versteh ich nicht.“

Unschön ist auch ein anderer Umstand: Fiedlers potenzieller Werbeguru Rumpold erledigte auch PR-Arbeiten für die Eurofighter – ein Geschäft, dessen Korrektheit Fiedlers Rechnungshof derzeit prüft. Der Bericht ist seit Jänner überfällig.

Die ÖVP, Hauptgeschädigte bei einem Antreten Fiedlers, ging erst auf Tauchstation und mimte dann Gelassenheit. Dass es hinter den Kulissen heftiger hergegangen sein muss, zeigt ein Detail aus der Welt der New Economy: Mittwoch, 14.48 Uhr, zwei Stunden nach Bekanntwerden von Fiedlers Kandidatur-Plänen, ließ die ÖVP-Zentrale die Internet-Domain www.franz-fiedler.at vorsichtshalber blockieren.