Karel Brückner wird ÖFB-Teamchef

Der Überraschungscoup für das Nationalteam

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Die große Stunde des Fried­rich Stickler dauerte exakt sieben Minuten. Gerade hatte er noch eine echte Sensation verkündet – Karel Brückner, der große, tschechische Trainerfuchs wird ab sofort das österreichische Nationalteam betreuen, Karel Brückner! –, schon prasselte die übliche Miesmacherkritik auf den viel geprüften ÖFB-Präsidenten hernieder: Warum, wollten die eilig zusammengetrommelten Journalis­ten wissen, gibt es keine österreichische Lösung? Das soll ein Aufbruch sein – mit einem 68-jährigen Trainer? Was wird, bitte, mit Andi Herzog? Dieser Brückner – kann der überhaupt Deutsch? Und, ganz im Vertrauen: Wie lange macht er es überhaupt noch, bei dem Alter? Stickler trug es mit Fassung, inzwischen kennt er das Grundgesetz des österreichischen Fußballs: Wie man es auch macht – man macht es falsch. Wenige Stunden zuvor war das Gerücht durchgesickert, dass die Trainersuche, die nach Josef Hickersbergers überraschendem Rücktritt im Juni ausgebrochen war und sich bald zur Haupt- und Staatsaffäre ausgewachsen hatte, nun doch, einen Monat vor Beginn der WM-Qualifikation, ein Ende habe. Der Präsident bewies Handlungskompetenz: Am späten Donnerstagabend wurde eine Pressekonferenz für den folgenden Tag anberaumt, am Freitagvormittag wurden die Bundesliga-Spitzen informiert, zu Mittag wollte Stickler seinen Coup verkünden. Der war zu dem Zeitpunkt freilich schon bekannt: Karel Brückner wird mit Anfang August seinen Dienst antreten, er sieht der Aufgabe mit großem Optimismus entgegen, will sogar nach Österreich übersiedeln – und ja, er kann Deutsch.

Missverständnis. Eine Überraschung bleibt die Verpflichtung dennoch. Aber vielleicht ist Karel Brückner auch einfach nur miss­verstanden worden. Schon vor der EM 2008 hatte er angekündigt, seine Dienste für das tschechische Nationalteam nach dem Turnier zu beenden. „Nach 34 Jahren als Trainer habe ich mich entschlossen, meine Art zu leben zu verändern.“ Alle Welt hielt das für den logischen Plan eines älteren Herrn, in Pension zu gehen. Doch Brückner hat sein Leben auf eine andere Art verändert: Zum ersten Mal verlässt er nun dienstlich seine Heimat, um in der Fremde zu arbeiten. Das Angebot des ÖFB muss sehr verlockend gewesen sein. Denn bisher galt Brückner als außerordentlich sesshaft. Der gebürtige Olmützer war 15 Jahre lang Spieler beim SK Sigma in seiner Heimatstadt und in den folgenden 25 Jahren nicht weniger als viermal Trainer des Vereins. 2001 wurde er dann Coach der „Representace“, der tschechischen Nationalmannschaft. Damals hatte das Team gerade die Qualifikation zur WM verpasst – angeblich auch deshalb, weil die Spieler vor dem entscheidenden Match gegen Belgien eine regelrechte Orgie gefeiert hatten.

Unter Brückner war damit Schluss. Die Tschechen nahmen seither an jedem Großereignis teil und zeigten attraktiven, offensiven Tempofußball. Bei der EM in Portugal kamen sie bis ins Halb­finale, bei der WM 2006 in Deutschland und bei der heurigen EM gehörten sie zum erweiterten Favoritenkreis. Beide Male scheiterte das Team aber unglücklich schon in der Vorrunde. Besonderes Pech hatten die Tschechen bei der EURO, als sie im entscheidenden Match gegen die Türkei 15 Minuten vor Schluss 2:0 in Führung lagen und dann doch noch 2:3 verloren. Den Österreichern ist Ähnliches auch schon passiert. Es schadet also nicht, dass der neue Trainer Erfahrung mit traumatischen Erlebnissen dieser Art hat.

Karel Brückner gilt als ruhiger, feinsinniger Typ, der in seiner Freizeit gerne Schach spielt und Opernaufführungen besucht. Nach dem ebenfalls gemäßigten Temperament von Josef Hickersberger werden sich die österreichischen Fans also nicht groß umstellen müssen. Nur die Comedy-Truppe von Ö3 hat Adaptierungsbedarf: Der „alte Stickler“ ist nun immerhin fast zehn Jahre jünger als sein Nationaltrainer.

Von Sebastian Hofer und Rosemarie Schwaiger