Kronprinzessin Victoria von Schweden heiratet

„Karneval der Eunuchen“: Kronprinzessin Victoria von Schweden heiratet

Monarchie. Down-Dating mit glücklichem Ausgang

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Geschenkehagel setzt es im Stockholmer Schloss schon seit Wochen: Die Regierung unter Führung des Christdemokraten Fredrik Reinfeldt schenkte ein tausendteiliges Glasservice; der nationale Bienenzüchterverein stellte einen Gutschein für 100.000 Bienen aus, die Freimaurer deponierten 55.000 Euro für wohltätige Zwecke. Wenn am kommenden Samstag Victoria von Schweden von ihrem Vater Carl Gustav, 64, im Stockholmer Dom ihrem Ex-Fitnesstrainer Daniel Westling übergeben wird, werden nur zwanzig Prozent der anwesenden Gäste das Paar leibhaftig sehen können. Der Rest muss sich mit Flatscreens begnügen, denn die hohe Säulendichte beeinträchtigt die Sichtweise drastisch. Die erste Thronfolgerin in der 400-jährigen Geschichte der schwedischen Monarchie verdankt ihren historischen Status einer – vonseiten der damaligen Regierung betriebenen – Verfassungsänderung zuungunsten ihres drei Jahre jüngeren Bruders Carl Philip aus dem Jahr 1980. Knapp vor ihrem 33. Geburtstag im Juli wird die von der Matura Befreite, die eine Diplomatenausbildung im Außenministerium absolvierte, mit ihrer Hochzeit auch die Geschichte der Emanzipation bereichern: Denn der 36-jährige Dorfschöne aus Ockelbo, einem Kaff, das für geräucherten Biber Bekanntheit erlangte, fällt selbst unter den liberalen Fahrradmonarchien Nordeuropas in die Kategorie sozialer Super-GAU von Prinzgemahl. Als Victoria den Sohn eines Gemeindebeamten und einer Postbediensteten 2002 erstmals in den Palast brachte, war bei Königs Feuer am Dach. Bei näherer Betrachtung war Carl Gustav, selbst keine Geistesgröße und durch schwere Legasthenie zusätzlich gehandicapt, noch entsetzter als nach dem ersten Eindruck.

Denn der stiernackige Gerätemeister, unter dessen Betreuung Victoria seit 2001 ein gewisses Brennen spürte, entpuppte sich, was Konversationsfähigkeit und Benimm betraf, als eine einzige Baustelle. Carl Gustav hatte zwar mit der Heidelberger Olympia-Hostess Silvia Sommerlath selbst weit unter seinem Stand geheiratet, aber er war ein Mann und 1973 mit seinen 27 Jahren noch dazu der jüngste König der Welt. Das eigene Personal in den Palast holen zu wollen war bis dato nur der Piraten-Nachfahrin Stephanie von Monaco vorbehalten gewesen, die an einer unheilbaren Schwäche für ihre Leibwächter leidet.

Machtlos.
Doch Victoria, die die Yellow Press zuvor über ihre Essstörungen mit Stoff versorgt hatte, beharrte auf ihrem „Bodyputtel“-Märchen. 2009 musste der König, der 1975 von seiner Regierung ob seiner diplomatischen Ungelenkigkeit massiv in seiner Macht beschnitten worden war und seither in Europa als der Monarch mit den wenigsten Rechten gilt, klein beigeben. Der zukünftige Herzog Daniel von Västergötland wurde ab diesem Zeitpunkt über Monate in ein Benimm-Bootcamp geschickt, um königsfein getrimmt zu werden. Ein eigener Konversationslehrer wurde geheuert, um das überschaubare Vokabular des Prinzgemahls in spe aufzupumpen. Das Down-Dating mit Happy End wird europaweit mit nahezu identer Gewichtung wie die Angelobung des amerikanischen Präsidenten übertragen; die republikanischen Protestbewegungen vor Ort, die mit Bannern wie „Karneval der Eunuchen!“ zu wedeln gedenken, werden in der Minderzahl sein. Erstaunlich, dass die Eheschließung zweier langweiliger junger Leutchen, deren Job-Description vorrangig aus der Eröffnung von Gartenbaumessen und Balkongewinke bestehen wird, ein Millionenpublikum zu mobilisieren versteht, das zu einem großen Teil noch nie schwedischen Boden betreten hat. Aber abgesehen vom Eskapismus-Faktor und dem Schauwert der verlässlich schaurigen Hüte, die Europas weiblicher Hochadel bei solchen Anlässen zu tragen pflegt, gilt noch immer das eherne Umwegrentabilitätsgesetz, das Fürst Rainier von Monaco so beschrieb: „Ein Lächeln ein Dollar, eine Träne zwei Dollar.“ Und den für das öffentliche Interesse so wichtigen Dramennachweis hat Victoria in ihrem kurzen Leben bereits erbracht: Depressionen, Anorexie und Rebellion aus Liebe. Jetzt kann man nur für Schweden hoffen, dass sich ihre Schwester Madeleine noch lange nicht von ihrem Liebeskummer erholt.


Herzflimmern

Ganze neun Stunden königliche Stimmung im ORF am 19. Juni: von 9.05 bis 13 Uhr und von 13.10 bis 18.20 Uhr auf ORF 2. Zu solchem Anlass scheut man auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen härteste Boulevard-Attitüden nicht. Der Modedesigner Thomas Kirchgrabner analysiert das Brautkleid, eine Hochzeitsmanagerin die Kosten, Gerda Rogers die astrologische Zukunft des Thronfolgerpaars. Alter Schwede!