Wie viel Spaß verstehen Aliens, Herr Cornish?

Interview. Der britische Regisseur Joe Cornish über seine Horror-Komödie "Attack the Block"

Drucken

Schriftgröße

Interview: Philip Dulle


profil:
In ihrem Regiedebüt „Attack the Block“ greifen böswillige Außerirdische die grauen Sozialbauten Süd-Londons an; neben Schockelementen und zerfetzten Körperteilen ist Ihr Film aber auch wahnsinnig komisch. Woran liegt das?
Joe Cornish: Es ist wohl die Mischung. Ich komme ja aus der Comedy-Ecke und bin großer Fan amerikanischer Science-Fiction-B-Movies. Ich wollte den britischen Jugendlichen auch nicht mit erhobenem Zeigefinger begegnen, sondern auch ihre witzige Seite zeigen. Die kleinen Splatter-Elemente braucht man dann, um die Zuseher bei Laune zu halten. Was gibt es Witzigeres, als auch mal die Köpfe rollen zu lassen?

profil:
Worin liegt der Reiz dieser Verdichtungskunst?
Cornish: Ich wollte eine Kombination aus John Landis’ „American Werewolf“ und John Carpenters Filmen schaffen, die furchteinflößend und satirisch zugleich sind. Außerdem liebe ich die klassischen Achtziger-Creature-movies wie „Gremlins“, „Critters“ und natürlich „E.T.“! „Attack the Block“ ist einfach ein amüsanter Genre-Mix.

profil:
Ihr Film beginnt mit einem Raubüberfall auf eine junge Frau. Dennoch hegt man bald Sympathie für die jugendlichen Gangmitglieder.
Cornish: Sie meinen eher Empathie, oder? Richtig sympathisch werden sie ja doch nicht. Aber ich wollte es schaffen, die Teenager möglichst menschlich zu zeigen; was immer sie auch vorher verbrochen haben.

profil:
Wie kamen Sie denn auf die Idee zu „Attack the Block“?
Cornish: Ich wurde selbst vor ein paar Jahren in meinem Viertel von ein paar Kindern ausgeraubt. Ich weiß nicht, wer mehr Angst hatte: die oder ich. Es war eine furchtbare Situation. Aber das waren keine Monster, die waren zutiefst menschlich und verzweifelt. Monströs sind in meinem Film nur die Aliens.

profil:
Bei „Attack the Block“ arbeiten Sie zu einem Großteil mit Laiendarstellern. Wollten Sie nicht riskieren, an der Realität vorbei zu drehen?
Cornish: Ich wohne ja schon immer in jener Gegend von Süd-London, in der auch der Film spielt. Es war einfach die logischste Herangehensweise, direkt in meinen Vierteln zu casten.

profil:
„Attack the Block“ wurde schon vor den Krawallnächten in England fertig; trotzdem wirkt er wie eine popkulturelle Antwort auf die Unruhen. War es Ihre Absicht, einen Beitrag zur Debatte der Klassengesellschaft abzuliefern?
Cornish: Der Zeitpunkt der Veröffentlichung könnte nicht besser sein. England hat seine Kinder viel zu lange ignoriert, sie über Jahrzehnte nicht ernst genommen. Die Rechnung bekommen wir jetzt präsentiert. Die Regierung unter David Cameron wird die Situation nicht verbessern können, für mich ist die Entwicklung leider ein Schritt zurück.

profil:
Was sagt Ihnen der Begriff „Hoodie-Horror“?
Cornish: Dieses Wort will ich in meinem Film nicht haben. Fälschlicherweise wird er von der britischen Presse so kategorisiert. Als „Hoodie“ versteht man bei uns Angst einflößende, ungeheuerliche Jugendliche, die ich aber so nicht kenne. Das Wort wird gern von Erwachsenen verwendet, die Jugendliche nicht mehr verstehen können.

profil:
Am Ende kämpfen die überlebenden Gang-Mitglieder Seite an Seite mit Menschen, die zuvor noch aus Angst die Straßenseite gewechselt hätten. Dient der Block als Refugium der gesellschaftlichen Verlierer?
Cornish: Indem die kleinen Straßengangster ihren Block verteidigen, werden sie doch noch zu lokalen Helden; auch wenn sie sich zum Schluss ihren Straftaten stellen müssen. Aber sie merken wohl, dass es Dinge gibt, um die es sich zu kämpfen lohnt.

Zur Person:
Joe Cornish, 42, wurde vor allem durch seine Moderatorentätigkeit für britische Radiosender und sein Comedy-Format „Adam and Joe“ bekannt. Cornish war kürzlich für eine weitere Fortsetzung des Action-Spektakels „Stirb langsam“ mit Bruce Willis im Gespräch. Gegenüber profil verneinte er aber diesbezügliche Ambitionen. Die Horror-Komödie „Attack the Block“ läuft aktuell in Österreichs Kinos.