Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Schuhbänder sind out

Schuhbänder sind out

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Eigentlich fehlt dem kürzlich neu gestalteten „Fabios“ etwas ganz Entscheidendes – verblüffenderweise gerade deshalb, weil der Patron seinem Haus mit cleverer Weitsicht ein neues, an die Veränderungen in der Nachbarschaft angepasstes Konzept verpasst hat. Es fehlen Unmengen von Beistellhockern, auf die man nach dem Kampfshoppen in der vis-à-vis gerade entstehenden Mall seine Designertragtaschen mit den Designerklamotten parken könnte. Vielleicht fehlt sogar ein ganzer Lagerraum dafür. Immerhin gibt’s bei „Fabios“ jetzt schon Frühstück (okay, das kann man vor dem Shoppen erledigen), leichte Mittagsküche und Snacks von früh bis spät. Man könnte auch sagen: Obacht, das Risiko, von proseccierenden Kränzchen belagert zu werden, ist nicht unbeträchtlich. Und das hat Fabio Giacobello wahrscheinlich nicht gemeint, als er vor der Eröffnung zu Protokoll gab, er wünsche sich sein „Fabios“ in Zukunft weiblicher. Ich habe im Übrigen keine Ahnung, was genau er damit meint.
Fest steht jedenfalls, dass ich mich bei gelegentlichen Besuchen in den vergangenen sechs Jahren nie so wohl und entspannt gefühlt habe wie derzeit – auch wenn die neue Lässigkeit, die der Chef demonstrativ zur Schau stellt, ein wenig schmunzeln macht.

Wie stellt man sich also den coolen Patron vor? Giacobello meint damit, dass das Hemd unter dem Anzug fortan heraushängen muss, dass die Brillenränder dick und dunkel sein und Vergleiche mit den Schaugestellen von Hipsters und/oder Nerds zulassen müssen und dass man dazu Turnschuhe ohne Schuhbänder anzuziehen hat.

Jetzt aber husch in die Küche von Joachim Gradwohl, der ja den eigentlichen Coup des Fabios 2.0 verkörpert. Ich finde zunächst Spurenelemente seines einstigen Arbeitsplatzes „Meinl am Graben“, und zwar in Gestalt eines Trios perfekt gepflegter Austern und eines Beef Tatar, über das zumindest ich beim „Meinl“ immer sehr glücklich war; hier im „Fabios“ könnte man über einen erhöhten Paradeisspiegel in der tizianroten Masse debattieren. Ein Holzkohlengrill in der Küche (wollen wir hoffen, dass er stets fachgerecht bedient wird, jener im City-Restaurant „Artner“ am Franziskanerplatz hat nämlich unlängst die halbe Küche abgefackelt) sorgt für einen Antipasti-Teller mit wunderbar rauchigem Grillgemüse. Und dann wären da noch vorweg eine hübsch intensive Fischsuppe und mein Favorit auf der Karte: Gradwohl nennt seine frittierten Calamari (nein, bitte jetzt nicht entrüstet abwinken!) „Crispy Sepia“ und serviert dazu eine asiatisch angehauchte Salsa aus Mango, Avocado und Chili (war da nicht mal was von wegen Gradwohl im Luxusrestaurant im Hotel Shangri-La?). Aber diese Sepia: knackfrisch, knusprig, meisterhaft frittiert. Wenn ich jetzt sage, die hätten mich auch in meiner geliebten kleinen Osteria auf dem Fischmarkt von Catania verzückt, dann heißt das was. Ich verfüge hiermit, nach der Softshell Crab im „Mochi“ (1020 Wien), über einen weiteren Snack, den ich mir außerhalb der Küchen-Rushhours und ohne Tischbuchung reinziehen kann, wenn mich die Lust darauf überfällt.

Florentinisch der Hauptgang: eine kapitale Schnitte aus der Hochrippe, dimensioniert für drei Personen, à la tagliata geschnitten, perfekt auf den Punkt gegrillt, von zartem Schmelz durchzogen und mit kleinen Steinpilzen bestreut. Höllerschmid-Ware, von Gradwohl liebevoll behandelt, was will man mehr?

Ist mir eigentlich aufgefallen, dass diese Speisekarte bloß nach Lektüre auch als beliebig, gefällig und von internationalen Küchen-Standards geprägt abgetan werden könnte? Nein, ist mir nicht. Und ist mir auch wurscht, wenn das jemand so sieht. Noch nie wurde im „Fabios“ so simpel gekocht. Und seit dem Engagement Gradwohls noch nie so sauber, klar und gut. Nur dass das alles jetzt signifikant günstiger wäre, lasse ich mir nicht einreden. Nein, nein.

Fabio's
Tuchlauben 4-6, 1010 Wien
Tel.: 01/532 22 22
So und Feiertags geschlossen, geöffnet ab 8 Uhr
www.fabios.at
Hauptgerichte: 22 bis 32 Euro

[email protected]