Lady Gaga

Lady Gaga: Monika Lindner in der Politoperette "Die listige Witwe"

Gastkommentar. Monika Lindner in der Politoperette "Die listige Witwe"

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Gastkommentar von Wolfgang Lorenz

Vaporetto, abends. profil ruft an. Ob ich etwas zur Causa Lindner sagen wolle. Die Hand greift automatisch zum Rettungsring. La Colomba nera hat mich voll erwischt! Merda! Daher klar: Nein!

Beim zweiten Anruf, den "Krone“-Aufmacher im Schlafwagen retour von Venedig in St. Pölten (!) zum Frühstück serviert bekommen habend - dann also doch. Denn was zu weit geht, geht oft zu kurz.

"Es ist die Pflicht jedes Patrioten, seine Heimat vor der Regierung zu schützen.“ (Thomas Jefferson) Aber wer schützt uns vor unseren MitbürgerInnen? Wenn bei einer unter uns plötzlich das Marika-Rökk-Syndrom ausbricht? Noch ein letztes Mal ein bisschen Glanz, ein wenig Flitter! Rökk brachte es auf ca. 100 Abschiedsvorstellungen, von Monika Lindner ist also noch viel zu erwarten. Derzeit spielt sie "Die Listige Witwe“ und bedient den Operettenstaat mitsamt den tagblinden politischen Fledermäusen on air.

Und meine versaute Nacht in Venedig? Denn wer an Österreich denkt, kann nicht mehr schlafen!

Die Heimat gleicht derzeit einer Hupfburg mit reduziertem Zugang. Wem’s schlecht geht, der hupft nicht mehr, notabene alle spitzen Gegenstände an der Kassa abgegeben werden müssen.

Den Eintrittspreis konnte sich Monika Lindner mühelos leisten, und dennoch hat sie diesmal eindeutig zu viel gezahlt. Nach ein bisschen Hupfen war schon die Luft raus, und am Po lag die Lady Gaga der Nation! Das kommt davon, wenn eine Lustige Witwe auf einen politischen Heiratsschwindler hereinfällt und auf Teapartys zu viel trinkt! Da verliert man leicht die Contenance. Ausgehupft? Längst nicht!

"Ach schmölze doch dies allzu morsche Fleisch.“ (Shakes-peare) Nein, geschlafen wird im Eiskasten! Müssen denn alle beweisen wollen, dass der Jugendwahn keine Spätfolgen hat und scheinomnipotent bis in den Starrsinn bleiben? Von mir aus Zuhause, aber doch nicht in aller Öffentlichkeit. Das grenzt an Exhibitionismus und verdirbt die Jungen.

Die 68er sind an allem schuld! Selbst in Österreich, wo sie eher müde Mitläufer einer europäischen Bewegung waren. Aber sie haben es geschafft, Eliten, Autoritäten und Alphatiere so gründlich auszurotten, dass wir heute keine mehr haben. Dies beruhend auf dem Missverständnis, dass die Republik so lange demokratisiert werden muss, bis nix mehr da ist. Die bekämpften Alten haben die grundnationale Kunst der tödlichen Umarmung aus der Trickkiste geholt, haben sich Nikes gekauft und waren letztlich doch ziemlich beste Freunde. Kreidefressen wurde zum Volkssport. Die Farbenlehre kam aus der Mode, die Roten sind heute nicht mehr rot, die Schwarzen nicht mehr schwarz und die Grünen indifferent. Bestellt wäre eigentlich eine verantwortete Dienstleistung an der Gesellschaft, denn Demokratien können auch zugrunde gehen, zumal wenn sie zu Selbstbedienungsläden der Politik verkommen.

Die Kassen sind zwar noch gut besetzt, aber es gibt keine Chefs mehr, die regressfähig wären.

Womit wir beim Zentralproblem wären. Die Republik wird nicht geführt, sondern nur mehr schlecht verwaltet, ohne jede Vorstellung einer ansteigenden Zivilisation, und ist so zur Plünderkiste für selbsternannte Zauberer geworden, gesäumt von patscherten Lehrlingen.

Schließt die Augen und alles wird gut. Hört auf keine anderen mehr, wir sind die Heilsbringer. Strache ist die Strizziversion davon, Stronach die Hollywoodparodie. Strache verkauft sich als verschminkter Heilsbringer mit Bibelzitaten, Frankieboy als Zauberer von Oz. Und von Zauberern träumt das Volk. Augen auf, alles ist gut!

Monikas Entscheidung zwischen Erlösungsfantasien am Giebelkreuz, Kloster oder Jägermeister hat ihr der gute Onkel aus Amerika abgenommen.

Geh in die Politik, Moni, und verscheuche mit mir die bösen Fledermäuse, die uns alle Angst machen, nimm das Schwert aus Zauberhand! Denkste! Schwert ja, aber andersrum. Das Ende einer somnambulen Tat? Keineswegs, die Dame ist nicht fürs Feuer, und gezündelt hat sie ein Leben lang.

Die Listige Witwe weiß genau, was sie tut. Und wenn man an die Posse insgesamt denkt, muss sie ins Parlament einrücken, schon um der Pointe willen. Nur so blamiert sie die Shoppingtour Stronachs endgültig, aber auch den Staat, der diese Verwilderung von Demokratie zugelassen hat.

Je wilder und opportunistischer sie ihre Stimme auslebt bzw. verhökert, wird sie Licht ins Dunkel eines insgesamt korrupten Systems bringen, vor dem uns längst graust. Sie ist kein Alphatier, aber eine erprobte Opportunistin. Es könnte ihr Verdienst werden, durch die Absurdität ihrer Wahl die Absurdität dessen vorzuführen, was wir noch für eine Demokratie halten.

Die sich anbahnende Große Koalition ist keinen feuchten Traum wert. Bestenfalls einen trockenen Mund, der nicht mehr sagen kann: Ihr widert uns alle an. Ihr verantwortet uns nicht, ihr missbraucht uns täglich für eure Machtspiele, ihr ruiniert die Demokratie und macht den falschen Rettern Platz! Gute Nacht, du schönes Österreich - und Moni, schlaf gut!

Wolfgang Lorenz, Jahrgang 1944, war Kulturchef und bis 2011 Programmdirektor des ORF.