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Kulturpolitik. Die unergründliche Museumsbesetzungspolitik von Claudia Schmied

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Das Amüsement stand Claudia Schmied ins Gesicht geschrieben. Vor wenigen Wochen erst präsentierte die Kulturministerin ihre Investitionspläne für die Bundesmuseen (profil berichtete) und sprach dabei auch ein wichtiges Thema an, das an diesem Tag gar nicht auf der Agenda stand. So erklärte sie gleich zu Beginn ihrer Pressekonferenz, um Fragen zur Nachbesetzung des Wiener Museums Moderner Kunst (Mumok) vorwegzunehmen, dass diese noch nicht feststehe. Mit schelmischem Lächeln wies sie darauf hin, dass sie mit ihren Personalentscheidungen stets für Überraschungen gesorgt hatte.

Diesmal war die Überraschung nicht ganz so groß.
Denn bereits zehn Tage vor der geplanten Bekanntgabe sickerte der Name durch: Am 12. März berichtete der „Kurier“, dass die Berufung von Karola Kraus, der Noch-Leiterin der Kunsthalle Baden-Baden, so gut wie fix sei. Am Montagmorgen vergangener Woche verifizierte die Ministerin per Presseaussendung die Meldung.

Wie so oft bei Nachbesetzungen im Kulturbereich spendeten praktisch alle politischen Lager erst einmal Beifall: ÖVP-Kultursprecherin Silvia Fuhrmann freute sich auf „eine spannende Zeit“ mit Kraus; ihre FPÖ-Kollegin Heidemarie Unterreiner – die ansonsten eher mit Tiraden gegen zeitgenössische Kunstinstitutionen auffällt – wünschte der Deutschen viel Erfolg; und auch Wolfgang Zinggl, Grüner und Vorsitzender des Mumok-Kuratoriums, konstatierte: „Eine solide Lösung.“

Konsterniert zeigten sich jedoch Kraus’ Mitbewerber – schließlich hatte die Ministerin von 33 Aspiranten nur elf zu persönlichen Gesprächen eingeladen. Angesichts der vielen erfolgreich agierenden Kunstmanager allein im deutschsprachigen Raum nahm sich die Zahl der Interessenten ohnehin eher kümmerlich aus. Dennoch hätte man meinen können, dass das Ministerium eine wahre Flut an Schreiben zu bewältigen gehabt habe: Auf ihre Bewerbung hin erhielten viele der Kandidaten weder schriftlich noch mündlich eine Mitteilung über deren Einlangen. Erst Stunden nach der offiziellen Bekanntgabe verständigte man jene, die nicht zum Zug gekommen waren – mit dem noch im Futurum gehaltenen Hinweis: „Frau Bundesministerin Dr. Schmied wird heute ihre Entscheidung … öffentlich bekannt geben.“ Man bedankte sich „für die geführten spannenden Gespräche“, sogar bei jenen, die niemals zu einem Job-Interview gebeten worden waren. Bewerber für einen der wichtigsten Museumsjobs des Landes sollten sich einen respektvolleren Umgang erwarten können.

Kritisiert wurde zudem die Tatsache, dass Schmied für ihre Entscheidung keine Kommission einberufen hatte. Im Gegensatz zur Nachbesetzung des Mumok ließ sie sich etwa bei jener des Naturhistorischen Museums (NHM), das seit 1. Jänner von Christian Köberl geleitet wird, von einer Jury beraten. Ebenso undurchsichtig wie die Gründe, mit denen Schmied sich für oder gegen ein Gremium entscheidet, sind jene für die Berufungen selbst: Stehen Sabine Haag, die seit 2009 das Kunsthistorische Museum leitet, ebenso wie der neue NHM-Direktor und Universitätsprofessor Christian Köberl für die wissenschaftliche Kompetenz ihrer Häuser, so hob Schmied im Fall von Kraus besonders positiv deren „betriebswirtschaftliches Denken“ hervor.

Zweifel sind zudem an der Verbindlichkeit ministerieller Stellenausschreibungen angebracht: Als Schmied im Juni 2008 – absolut überraschend – die Kür von Haag zur KHM-Direktorin bekannt gab, war das Erstaunen groß; schließlich fehlten der Wissenschafterin einige in der Job-Description verlangte Qualifikationen. Auch Kraus erfüllt, streng genommen, nicht alle erwünschten Kriterien. So forderte das Ministerium Erfahrung in der „organisatorischen Führung eines Museums oder einer vergleichbaren Kulturinstitution, das/die eine vergleichbare Dimension zur ausgeschriebenen Institution aufweist“. Die Kunsthalle Baden-Baden, die Kraus derzeit noch leitet, ist jedoch bedeutend kleiner als das Mumok.

Schon nach Haags Berufung hätte man diesen Punkt aus künftigen Stellenausschreibungen entfernen können. So viele Häuser entsprechender Größe, deren Leiter oder Leiterinnen sich für den Chefposten in einem österreichischen Bundesmuseum interessieren, gibt es auch wieder nicht. Gut möglich, dass derartige Scheinforderungen den Bewerberkreis von vornherein einengten.

Nicht weniger unberechenbar als bei ihren Neubestellungen ist Schmied übrigens beim Verlängern von Amtszeiten: So berief sie etwa Edelbert Köb, der nun noch bis Ende September das Mumok leitet, recht jäh ab – mit dem Argument, dass sie „frischen Wind“ ins Haus bringen wolle. Peter Noever dagegen, der seit 1986 das Museum für angewandte Kunst (MAK) leitet und damit der längstdienende Museumsdirektor überhaupt ist, gestand sie ohne große Debatte weitere zwei Jahre zu; auch den Vertrag von Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder verlängerte sie locker um eine Amtsperiode. Beide unterscheiden sich in ihrer Art der Museumsführung diametral, beide werden intern wie extern nicht selten kritisiert, häufiger jedenfalls als Köb.

Die Begründungen für ihre Entscheidungen formuliert Claudia Schmied gern allgemein – weniger diplomatisch gesagt: schwammig –, so auch jene für ihre jüngste Nachbesetzung. Ausgeklügelte Strategien sind hinter dieser Personalpolitik so wenig zu vermuten wie politisches Kalkül. Das einzige Muster, das sich in Schmieds Museumsbesetzungen erkennen lässt, ist das einer Zickzacklinie.