„Ich geh' jetzt kochen"

Maria Schaumayer: „Ich geh' jetzt kochen"

In memoriam. Ex-Notenbankchefin Maria Schaumayer über den langen Weg der Frauen vom Fahrrad zur Luxuslimousine

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Ex-Notenbankchefin Maria Schaumayer über den langen Weg der Frauen vom Fahrrad zur Luxuslimousine.

Maria Schaumayer trat nach ihrem Wirtschaftsstudium an der Universität Innsbruck 1954 in die CA ein. Ab Mitte der sechziger Jahre war sie vier Jahre lang Stadtrat für die städtischen Unternehmungen. 1974 zog sie in den Vorstand der Österreichischen Kommunalkredit AG ein, 1982 wechselte sie in den OMV-Vorstand. Nach dem Tod von Hellmuth Klauhs wurde sie 1990 dessen Nachfolgerin an der Spitze der Oesterreichischen Nationalbank.

profil: Frau Schaumayer, was haben Sie anders gemacht als andere Frauen?
Schaumayer: Ich habe vielleicht früher als andere Frauen signalisiert, daß mich eine berufliche Karriere faszinieren würde. Das funktioniert aber nur mit einem großen Quentchen Glück. Hätte ich eine normale CA-Karriere gemacht, wäre ich vielleicht irgendwann im Vorstand gelandet, mit grauen Haaren und wehen Füßen. Aber der Zufall wollte es, daß ich in Döbling auf die Kandidatenliste für die Gemeinderatswahlen gekommen bin. Und daß ein solcher Streit zwischen den zwei Platzhirschen ausbrach, daß ich drangekommen bin.

profil: Wir glauben an die Theorie des Glücks nicht ganz. Sonst müßten vier Prozent aller Frauen unheimlich viel Glück haben und 96 Prozent verdammt wenig.
Schaumayer: Glück oder Zufall. Die Gemeinderatskandidatur fiel in eine ÖVP-aufstrebende Zeit. Was ich schon nicht mehr als Glück bezeichnen kann, ist, daß ich mich im ÖVP-Rathausklub freiwillig für den Stadtwerke-Ausschuß gemeldet habe - und dafür von allen für verrückt gehalten wurde. Um den war kein Griß.

profil: Wahrscheinlich, weil der schon damals SPÖ-dominiert war.
Schaumayer: Komplett. Ich habe damals im ganzen leitenden Gefüge drei ÖVPler gehabt, ansonsten nur tiefrote Mitarbeiter, aber tüchtige. Der zuständige Stadtrat erkrankte wenige Wochen nach seiner Bestellung an Krebs. Dann hat man mich, die ich brav in der CA werkelte, gefragt, ob ich in der Lage wäre, interimistisch das Ressort zu führen. Ich war 33 Jahre alt und habe ja gesagt. Dann ist Dr. Wollinger gestorben, und ich sollte Stadtrat werden. Die Partei hat gesagt, in der Frauenbewegung und im ÖAAB bist schon, tritt dem Wirtschaftsbund auch noch bei. Sag' ich, es kann auch der Bauernbund sein, ich habe Obstgärten in der Steiermark.

profil: Wurden Sie von Männern immer ernst genommen, oder mußten Sie Überzeugungsarbeit leisten?
Schaumayer: Komischerweise nein. Ich habe mir immer Nischen ausgesucht, wo ich eine gewisse Kompetenz hatte oder sie mir relativ rasch aneignen konnte. Und Chefs sind auch bequem. Wenn man sieht, daß etwas gut läuft, pfuscht man nicht hinein.

profil: Sie haben einmal gesagt, bei Ihrer Bestellung zur Notenbankchefin seien Ihnen Fragen gestellt worden, die man einem Mann nicht stellen würde.
Schaumayer: Ja, zum Beispiel: ob ich endlich einen Couture-Salon besuchen würde usw. Hab' ich gesagt, liebe Frau Redakteurin, ich gehe ja nicht als Model. Ich gehe als Nationalbankpräsidentin, und ich bin immer korrekt gekleidet.

profil: War der Umstand, daß Sie keine Kinder hatten, Ihrer Karriere förderlich?
Schaumayer: Die Familie als solche ist nicht hinderlich, die Familienpflichten sind es. Nach dem frühen Tod meines Vaters lebte ich mit meiner Mutter in einem Haushalt - ich wäre ja wahnsinnig geworden, wenn ich mich auf die Entfernung Wien-Fürstenfeld um sie sorgen hätte müssen. Mit 84 bekam sie Krebs und hatte einen Schlaganfall, und im gleichen Moment ist mir die Wirtschafterin ausgefallen. Da bin ich öfter bei Sitzungen aufgestanden und habe gesagt: Meine Herren, ich muß kochen gehen.

profil: Wie haben die Herren reagiert?
Schaumayer: Na, verständnisvoll. Ich war mit derselben Schwierigkeit konfrontiert wie jede Kindsmutter: daß man die Betreuung in der Abwesenheit organisieren muß. Ich habe glücklicherweise nach ein paar Wochen wieder jemanden gefunden, habe aber auch meine Momente gehabt, wo ich schon weiß, warum die Haare grau wurden.

profil: Glauben Sie, daß Männer das ähnlich sehen?
Schaumayer: Ich glaube, in dem Augenblick, wo man das erklärt. Ich habe gelernt, daß es gut ist, nicht nur für Zweierpartnerschaften, sondern auch für Gruppen, daß man sich mitteilt. Es stärkt das wechselseitige Verständnis.

profil: Offenbar nicht genug. Es gibt noch immer kaum Frauen in Top-Jobs.
Schaumayer: Wir werden so lange unterrepräsentiert sein, solange in den Selektions- und Berufungsgremien wenig Frauen vertreten sind. Wenn Sie in einem Aufsichtsrat keine Frau haben, haben Sie kaum eine Chance, eine Frau in den Vorstand zu kriegen.

profil: Das heißt, diese Gremien sind die gläserne Decke?
Schaumayer: Das sind die Barrieren, die gesprengt gehörten.

profil: Wie sprengt man sie?
Schaumayer: Indem man öffentliches Bewußtsein dafür schafft.

profil: Das tut man jetzt seit Jahrzehnten.
Schaumayer: Aber - liebes Kind, hätte ich jetzt fast gesagt - mit gutem Erfolg. Wenn ich in meiner Stadtratszeit eine Veranstaltung betreten habe, habe ich wenig nachdenken müssen, ob ich "meine Damen und Herren" sagen kann, weil selten eine Frau da war. Das passiert mir Gott sei Dank schon geraume Zeit nicht mehr. Und wenn es passiert, rüge ich das sofort mit meinem ersten Satz. Das nächste Mal sitzen dann wirklich zwei, drei Kolleginnen drin.

profil: Sind Sie selbst jemals an die gläserne Decke gestoßen?
Schaumayer: Ja, das ist eigentlich auch der Grund gewesen, der mich in die Politik brachte. Ich war damals jung in der CA, schon erfolgreich und die erste weibliche Kraft auf einem zweijährigen Lehrgang für Führungskräfte. Und ich bin zu einem wirklich verzopften Organisationschef gegangen und habe gefragt, wann ich die Prokura kriegen werde. Sozusagen: heuer oder nächstes Jahr? Seine Witwe hat mir später erzählt, er hat sich eine Woche lang nicht erholt von dieser Frage. Und er hat mir so brüsk gesagt, das sei so jenseits jeglicher Überlegung, daß ich gesagt habe, dann werde ich mir etwas überlegen müssen. Und dann - Zufall - ist dieses Politik-Angebot gekommen.

profil: Das heißt, Karriereschritte gehören eingefordert.
Schaumayer: Dazu ermuntere ich und habe ich immer ermuntert. Geht in die obere Instanz und fragt, wie das zusammenpaßt: der individuelle Plan und der Plan des Unternehmens. Mir ist das im Fall des Fossils übelgenommen worden, aber heute passiert das nicht mehr.

profil: Haben Sie nie darauf gewartet, daß Sie entdeckt werden?
Schaumayer: Ich glaube nicht, daß ich den Menschen wahnsinnig auf die Nerven gegangen bin, aber daß ich gut bin, habe ich schon wissen lassen.

profil: Als Sie zur Notenbankpräsidentin bestellt wurden, stand in einem Kommentar, dies spreche für den Mut der Männer, die Sie gemacht haben. Bei einem Mann würde man so etwas nicht schreiben.
Schaumayer: Selbstbewußte Männer haben kein Problem, nur die selbst etwas schwachen. Das ist meine Lebenserfahrung. Natürlich habe ich in der Nationalbank beim ersten internationalen Auftritt ein bißchen Knieschnackeln gehabt. Wenn man weltweit nicht nur die erste, sondern auch die einzige ist, ist einem schon klar, daß man ein Obligo hat für die Kolleginnen, die allenfalls noch nachkommen könnten. Ich hatte eine Eisbrecherfunktion und war mir dessen auch bewußt. Und letztlich waren wir weltweit dann zwölf in dieser Funktion. Heute gibt es im Vorstand der Industriellenvereinigung etwa 15 Prozent Frauen. In meiner Jugend bin ich am Schwarzenbergplatz einmal des Saales verwiesen worden: Frauen kein Zutritt. Daher sage ich: Es hat sich eine Menge getan.

profil: Fühlen sich jetzt die Männer ihrer Chancen beraubt?
Schaumayer: Männer mußten zu allen Zeiten Niederlagen einstecken, üblicherweise gegen männliche Konkurrenten. Und jetzt stecken sie halt möglicherweise Niederlagen gegen weibliche Konkurrenz ein. Für mich ist der Idealzustand dann erreicht, wenn es überhaupt nicht mehr berichtenswert ist, welchen Geschlechts jemand ist.

profil: Da haben wir noch eine Weile hin.
Schaumayer: Sicher, ihr müßt ja auch noch was tun. Wenn wir fröhliche Kämpfer waren, warum sollt ihr nicht auch ein bißchen kämpfen.

profil: Vielleicht ist unsere Generation zu ungeduldig.
Schaumayer: Der Schritt vom Fahrrad ins Auto ist ein wahnsinnig großer. Aber der Schritt vom Kleinwagen zur Limousine ist nicht so groß. Die Wartezeit der heute Jungen wird sich sehr verkürzen, wenn die Männer nicht das Gefühl haben, daß gegen sie ein Vernichtungskampf geführt wird. Und wenn die Frauen zueinander Solidarität üben. Die kann auch darin bestehen, daß man begründete kritische Worte nicht öffentlich, sondern unter vier Augen sagt. Das hab' ich mir the hard way - ich bin sehr kritikbereit - abgewöhnt, als meinen Beitrag zur Solidarität.

+++ Interview mit Maria Schaumayer vom 13. August 2012: Schaumayer über fehlende Kontrolle in der Ära Schüssel und Fehlschlüsse beim politischen Ziehsohn +++