Elfriede Hammerl

Marketing

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Das Telefon läutet. Ich habe es eilig, hebe aber ab, es könnte ja wichtig sein, und eine sonnige Stimme möchte wissen, ob ich ich bin. Als das geklärt ist, sagt die Stimme, Frau Hammerl – jetzt, da sie weiß, dass ich ich bin, spricht sie mich persönlich an, das schafft Vertraulichkeit und soll es mir schwerer machen, ihr etwas abzuschlagen – Frau Hammerl, haben Sie fünf Minuten Zeit, um mir ein paar Fragen zu beantworten?

Nein, sage ich. Nein, ich habe keine Zeit, das muss einmal gesagt werden. Nein, auch später nicht. Nein, ich will keine Fragen beantworten. Sie müssen mich übrigens nicht unentwegt mit meinem Namen ansprechen, ich weiß, wie ich heiße, und diese Masche, so zu tun, als wären wir alte Bekannte, funktioniert nicht, ich fühle mich trotzdem nicht verpflichtet, Ihnen zur Verfügung zu stehen. Sagen Sie das denen, die Sie eingeschult haben, sagen Sie ihnen, wir sind nicht alle Paw­low’sche Hunde, die entgegenkommend sabbern, sobald man ihren Namen nennt. Ich weiß, Sie machen nur Ihren Job, aber wissen Sie was, ich möchte meinen Job ebenfalls machen, und deshalb schenke ich Ihnen nichts von meiner Zeit. Ich habe einfach keine Zeit zu verschenken, so einfach ist das, und wenn ich Zeit zu verschenken hätte, dann würde ich sie bestimmt nicht Ihren Auftraggebern schenken. Sagen Sie Ihren Auftraggebern, ich lege meine Konsumgewohnheiten nicht offen. Ich behalte meine Telefoniergewohnheiten für mich. Ich werde Ihnen nicht verraten, was ich über welche Markenartikel weiß. Ich denke nicht nach, von was für einem Produkt ich schon einmal gehört habe. Ich lege nicht Rechenschaft darüber ab, warum ich die Kurzvorwahl einszweidreivier in letzter Zeit so selten benütze.

Sagen Sie Ihren Auftraggebern, ich habe es satt, dass ich dauernd angerufen werde und dass ich jedes Mal, wenn ich meine E-Mails checke, erst einmal einen Haufen Post aussortieren muss, der mich auffordert, Online-Fragebögen zu beantworten und mich an Online-Abstimmungen zu beteiligen. Sagen Sie Ihren Auftraggebern, ich bin nicht ihre Verkaufsassistentin. Lassen mich anrufen, damit sie mit meiner Hilfe herausfinden, wie sie mir mehr von ihrem Krempel andrehen können! Kriege ich was gezahlt für meine Mitarbeit? Bekomme ich was billiger? Sagen Sie Ihren Auftraggebern, Zeit ist Geld, und meine Zeit kriegen sie nicht, es reicht, dass ich ihre vermutlich überhöhten Preise zahle, wenn ich was von ihrem Krempel kaufe. Und vielleicht könnten sie die Preise ja auch senken, wenn sie ein wenig an Marketing-Umfragen sparten?

Okay, Sie hängen an Ihrem Job, das verstehe ich, also erwarte ich nicht, dass Sie sagen, Ihre Auftraggeber sollen Sie einsparen. Trotzdem. Wenn Sie die ständige Belästigung vielleicht einmal aus meiner Warte sehen könnten …? Jawohl, Belästigung. Nein, bitte nicht behaupten, Ihren Auftraggebern gehe es um meine Zufriedenheit als Konsumentin! Ich wäre schon ganz zufrieden, wenn man mir einmal eine Viertelstunde lang nichts aufschwatzen wollte.
Verkaufen, verkaufen, verkaufen. Geht Ihnen das nicht auch auf die Nerven, dass man Ihnen andauernd ans Geldbörsel will? Warum interessiert sich niemand für unsere schöne Seele?

Nein, wirklich. Nehmen Sie zum Beispiel meine Apotheke, die nicht mehr meine Apotheke ist. Jahrelang hab ich dort eingekauft. Gut betreut hab ich mich gefühlt. Die Apothekerinnen: freundlich, unaufdringlich, kompetent. Sie haben der Kundschaft nicht unbedingt zum Teuers­ten geraten, sondern auch einmal zu Essigpatscherln und Topfenumschlägen. Daran hat die Apotheke nichts verdient, aber man ist gerne wiedergekommen.

Und jetzt: neue Chefin. Verkaufsdruck und Umsatzvorgaben. Kosmetika, Duftöle, Kräutertees, Vitaminpräparate, Anti-Aging-Produkte, Fitnessfutter – die Angestellten haben inzwischen den Auftrag, die Kundschaft nicht ziehen zu lassen, ehe sie nicht ein Mehrfaches der Rezeptgebühr abgelegt hat. Die neue Chefin nennt das frischer Wind, aber mir stinkt er, drum gehe ich nicht mehr hin, wie übrigens viele der früheren StammkundInnen.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin nicht konsumfeindlich, ganz und gar nicht, ich könnte die Konsumfreundlichkeit geradezu erfunden haben, leider, im Hinblick auf mein Konto, aber eben deswegen will ich nicht unentwegt angestrudelt werden, und eben deswegen lehne ich es ab, diejenigen, die an meinem Konsum eh schon verdienen, auch noch beraten zu sollen, wie sie meinen Konsum steigern könnten. Und noch was: Treuepunkte. Wie schon gesagt, ich bin kein Hund. Ich will nicht treu sein, zumindest keiner Supermarkt- und keiner Parfümeriekette. Ich will nicht Punkte sammeln, Kundenkarten mit mir führen müssen, Gutscheine nicht vergessen sollen, ich möchte mein Hirn für interessantere Sachen frei halten.

Ja, schon klar, niemand zwingt mich, zertifizierte Stammkundin zu sein, aber natürlich komme ich mir gepflanzt vor, wenn ich für Sachen, die ich billiger kriege, sobald ich nur nachweise, dass ich eine treue Stammkundin bin, mehr zahle, weil ich den Nachweis nicht erbringe. Wenn das Zeug auch billiger sein kann, dann ist es zu teuer. Doch, so simpel ist das. Sagen Sie Ihren Auftraggebern, ich bin Kundin, kein Flocki, mich muss man um mein Geld nicht belohnen, mein Geld kriegt, wer mir einen anständigen Preis macht. So. Und noch mehr gute Tipps gibt’s aber heute wirklich nicht.