„Das ist eine Vertrauensstellung“

Affäre. Der Steirer Franz Danner soll als Pressechef von Mazda Europa Millionen unterschlagen haben

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Von Andreas Förster

„Ich habe betrogen, ich habe geklaut“, sagt Franz Danner, „ich bin ein Verbrecher.“ Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf. Seit fast einem Jahr sitzt der 63-jährige Steirer Franz Danner hier ein, als Untersuchungshäftling. Er soll mit zwei Komplizen mehr als 40 Millionen Euro aus dem Firmenvermögen seines früheren ­Arbeitgebers unterschlagen haben, der Mazda Motor Europe GmbH (MME). So hat es die Kölner Staatsanwaltschaft in einer 150 Seiten langen Anklageschrift zusammengefasst.
Als ehemaliger Pressechef von MME, der Europa-Abteilung des japanischen Autokonzerns Mazda, soll der aus Leibnitz gebürtige Danner Geld seines Unternehmens mittels Scheinrechnungen abgezweigt, über ein Netz von Firmen und Konten gewaschen und unter sich und seinen Freunden aufgeteilt haben. Wie viel von dieser Summe in seinen Taschen verschwunden ist, lässt sich schwer nachvollziehen. Danner selbst spricht von rund zehn Millionen Euro, die er, wie er selbst sagt, „geklaut“ habe; die Ankläger gehen von mindestens 14 Millionen aus.

Die deutsche Justiz wirft Danner schwere Untreue, banden- und gewerbsmäßigen Betrug sowie Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vor. In dem Prozess, der nun bald vor der Wirtschaftsstrafkammer des Kölner Landgerichts beginnen soll, wird sich der frühere Mazda-Pressechef zusammen mit Rolf Häring verantworten ­müssen. Häring ist Chef einer Tübinger Eventagentur, die als Subunternehmer zahl­reiche Presseveranstaltungen des Autokonzerns organisierte und dafür regelmäßig – in Absprache mit Danner – überhöhte Rechnungen an die Mazda-Presseabteilung schrieb. 43 solcher Fälle listet die Anklage auf, sie reichen vom Genfer Autosalon 2007 bis zum „Ice Race“ in Schweden im März 2011.

Die Aufschläge, die sich demnach Danner mit Häring und seinem alten Freund, dem Wiener PR-Unternehmer und Journalisten Bernhard S., geteilt haben soll, variierten von Event zu Event: Mal waren es nur 23.033,40 Euro, wie bei einer Veranstaltung in Frankfurt am Main im Jahr 2007; ein anderes Mal gleich 1,5 Millionen Euro, als den Medien im Oktober 2009 in Kitzbühel der überarbeitete CX-7 vorgestellt wurde. Absoluter Spitzenreiter laut Anklage war der „Mazda Skyactiv“-Workshop in Mallorca im Juni 2011, wo Danner und seine Betrügerbande durch überhöhte Rechnungen ­exakt 2.002.274,90 Euro aus dem Konzern für sich herausgezogen haben sollen.
Den Ermittlungen und auch den Eingeständnissen der beiden in Deutschland Angeklagten zufolge waren die Beteiligten schon bald nach Danners Amtsantritt bei Mazda auf ihre Betrugsmasche gekommen. Die lief immer nach dem gleichen Muster ab: Danner beauftragte demnach die kleine Event-Agentur von Häring exklusiv mit der Durchführung von Präsentationen neuer Mazda-Modelle für Journalisten. Härings Agentur schrieb dafür überhöhte Rechnungen, wobei Danner stets die Summe vorgegeben haben soll, die auf die tatsächlichen Kosten aufgeschlagen werden sollte. 30 Prozent des Aufschlags behielt Häring ein, die Anklage beziffert seinen Gewinn daraus auf knapp acht Millionen Euro. Die restlichen 70 Prozent – ein Bruttowert von rund 30 Millionen Euro – flossen, ebenfalls durch Scheinrechnungen abgedeckt, auf die österreichischen Konten einer in Deutschland registrierten Agentur, die wiederum von Härings Firma als Subunternehmen beauftragt worden war. Die Scheinrechnungen der zweiten Agentur wurden von Danners Freund S. verfasst. Die Hälfte des versteuerten Gewinns daraus – insgesamt zwischen zehn und 14 Millionen Euro – ging an Danner zurück, der sich das Geld mitunter persönlich in bar bei seinem Freund in Wien abholte. Die restliche Aufschlagssumme wurde laut Anklage unter weiteren Beteiligten in Österreich, die ihrerseits für die Agentur von Bernhard S. Scheinrechnungen schreiben mussten, ­aufgeteilt.

Reichlich Geld vorhanden
Danner drohen bei einer Verurteilung zehn Jahre Haft. Weniger können es nur werden, wenn er – wie er es in seiner Untersuchungshaft getan hat – auch im Prozess ein Geständnis ablegt. Und wenn sein Anwalt Ulrich Sommer aus Köln vor Gericht der Nachweis gelingt, dass Mazda es den Angeklagten zu leicht gemacht hat, über Jahre hinweg in die Kasse zu greifen.

„Vice President Public Relations“ stand fast zwölf Jahre lang auf Danners Visitenkarte, seit er 2001 zu Mazda Europa nach Leverkusen kam. In den zwanzig Jahren davor hatte er leitende Posten im PR-Management bei Fiat, Alfa Romeo, Smart und Kia inne. Bei Mazda baute er – zunächst als One-Man-Show, wie er stolz sagt – das PR-Referat des Konzerns für den wichtigen europäischen Markt auf. Mazda war sehr zufrieden mit ihm, zahlte seinem erfolgreichen Vice President 300.000 Euro im Jahr und manchmal auch noch einen Bonus obendrauf. „Mein Job war es, den Medien die neuen Modelle von Mazda vorzustellen“, sagt er. Geld dafür war reichlich vorhanden. „Meine Leute und ich mussten nur dafür sorgen, dass möglichst positive Berichte über die Autos geschrieben und gesendet werden.“

Danner hat sich vorbereitet auf unser Gespräch in der Besuchszelle der JVA in Köln. Vor ihm auf dem Tisch liegen mehrere Notizblätter, die mit kleinen Buchstaben eng beschrieben sind. Er will reden darüber, wie er und seine Leute die – so nennt Danner es – „special relationships“ zu den Autojournalisten aufbauten und pflegten. Wie schwer es für einen vergleichsweise kleinen Anbieter wie Mazda gewesen sei, auf dem umkämpften europäischen Automarkt gegen die Marktführer aus Deutschland zu bestehen, die zur Pflege dieser „relationships“ viel mehr Geld in die Hand genommen hätten als die Japaner. „Pro Woche stehen allein in Deutschland durchschnittlich acht Pressetermine von Autokonzernen an, da gibt es einen Wahnsinnswettbewerb um die Medien“, sagt Danner. „In diesem gnadenlosen Kampf um die Journalisten musst du alle Register ziehen.“

In Leverkusen, der Europazentrale des Mazda-Konzerns, arbeiteten in Danners PR-Abteilung zeitweise 18 Leute. „Da gab es die IT-Gruppe, die das Mediamonitoring machte und die Webseiten betreute, und den Bereich Produktkommunikation, der Fotos und Filme für die Presse bereitstellte und die technischen Spezifikationen der Fahrzeuge aufbereitete“, zählt er auf. „Den größten Teil unseres Jahresbudgets, das 15 bis 16 Millionen Euro jährlich umfasste, verbrauchte aber die Logistik-Gruppe, die mit der Organisation und Durchführung der Presse-Events befasst war.“
15 bis 16 Millionen Euro pro Jahr? Danner winkt ab. „Es war immer ein gutes Geschäft für uns“, sagt er. „Wenn Sie überlegen, was eine Anzeige in Zeitungen oder gar Spots im Fernsehen kosten, war der journalistische Bericht über ein Auto trotz der durchschnittlichen Eventkosten von rund zwei Millionen Euro geradezu billig.“

„Kultur des Wegschauens"
Glaubt man Danner, dann habe ihm die Konzernführung bei all seinen Aktivitäten freie Hand gelassen. „Es gab eine eingeübte Kultur des Wegschauens. Jeder wusste doch, dass es mein Job war, die Journalisten mit allen Mitteln bei Laune zu halten. Und diese Mittel wollte man im Detail gar nicht so genau kennen.“ Letztlich sei es dem Unternehmen egal gewesen, was er mit dem Geld machte. „Hauptsache war, ich habe den Erfolg geliefert, und den hat das Unternehmen immer bekommen.“
Dieses „Wegschauen“, so stellt es Danner heute dar, habe es ihm leicht gemacht, Geld aus dem Konzern zu ziehen. Und tatsächlich bestätigten Mazda-Mitarbeiter in ihren Zeugenvernehmungen das damals laxe Controlling im PR-Bereich des Unternehmens: Demnach seien bei der Kontrolle der Event-Abrechnungen nur Stichproben üblich gewesen. Zudem hätten längst nicht für alle Rechnungspositionen Belege von der PR-Abteilung eingereicht werden müssen.

Erst durch zwei anonyme Anzeigen, die offenbar von einem Mazda-Insider in Deutschland erstattet wurden, kamen die Behörden vor gut einem Jahr auf die Spur der Betrügerbande. Mitte März 2012 schlugen die Fahnder zu, seitdem sitzen Danner und Häring in Haft.

Gegen Bernhard S. und drei weitere Beteiligte aus Österreich laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Graz. Die Beschuldigten beharren darauf, keinen oder nur sehr geringen Gewinn aus Danners Malversationen gezogen zu haben. So gibt S. etwa an, dass ihm die Abrechnungsbetrügereien zutiefst zuwider gewesen seien, er aber nicht die Kraft gefunden habe, sich Danner zu widersetzen. Er sei seinem Freund nur zu Diensten gewesen, um im Umfeld einer großen Autofirma arbeiten zu können.

Danner hingegen gibt offen zu, um die zehn Millionen Euro durch die fingierten Rechnungen kassiert zu haben. Von dem Geld kaufte er sich unter anderem fünf Grundstücke in Österreich. Darunter eine millionenteure Luxusvilla, die seit Jahren leer steht, und in der er noch nicht einen Tag gewohnt hat.

Wenn man ihn fragt, warum er das Geld unterschlagen hat, zuckt Danner nur mit den Achseln. „Ich weiß es nicht“, sagt er. „Ich habe das gar nicht nötig gehabt, mir ging es finanziell schon vorher sehr gut.“ Er habe 300.000 Euro im Jahr verdient, einen Bauernhof in der Steiermark und ein Haus in Italien besessen, eine teure Segelyacht und zwei Oldtimer gehabt. „Und jetzt sitze ich hier in dieser Welt“, sagt er in der Besucherzelle der Kölner Haftanstalt. Materielle Dinge würden ihn heute nicht mehr interessieren, er besitze ja auch nichts mehr, alles wurde gepfändet. „Die Familie ist mir wichtig, meine Frau, meine kleine Tochter, die ich in den nächsten Jahren nicht heranwachsen sehen werde.“ Irgendwann wolle er mit ihnen wieder ein normales Leben führen. „Deshalb mache ich reinen Tisch und nehme die Verantwortung für meine Taten auf mich.“

Es ist Danner anzusehen, wie sehr ihn die Untersuchungshaft zermürbt hat. Der Teint ist aschgrau, tiefe Falten haben sich in seine Haut gegraben, die Augen wirken müde. „Sie machen sich keine Vorstellungen, was hier abgeht, wie manche der Menschen hier stinken, weil sie sich aufgeben, sich gehen lassen“, sagt er, und es klingt erschöpft. Immerhin habe er sich aber schon ein wenig nach oben gearbeitet im Knast. „Nachdem ich sechs Monate lang Müll gesammelt und geputzt habe, bin ich jetzt Hausarbeiter.“ Er sammelt nun schmutzige Wäsche ein und ordnet sie, gibt neue heraus, und er teilt das Essen aus. „Das ist eine Vertrauensstellung“, sagt er.