Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Der Butt

Der Butt

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Beim "Umar“ auf dem Wiener Naschmarkt, dem Epizentrum der ichthyologischen Zone, mischt sich an Sommerabenden das letzte Tageslicht geradezu berückend mit den ersten Lampen. Natürlich ist kein Sessel frei, und wenn einer frei wäre, wüsste man gar nicht, ob man jetzt wirklich bei Erkan Umar, dem Mann mit dem identitätsstiftenden Kopftuch, Platz genommen hat. Oder doch im gegenüberliegenden "Strandhaus“? Oder gehört der Tisch vielleicht schon zur "Nordsee“? Platz ist hier kostbar; man kann sich mühelos, in zwei verschiedenen Lokalen sitzend, miteinander unterhalten. Ein paar Gäste tragen Schwarz oder Grau an diesem Abend und heben ihr Glas auf den Stunden zuvor zu Grabe getragenen großen Bildhauer Franz West.

Dass hier das Essen verlässlich ist, weiß ich längst. Ich bin zwar heute nicht wegen "Umar“ an diesen von Touristenfallen gesäumten Boulevard zurückgekehrt, den ich seit geraumer Zeit eher meiden will, empfehle aber dennoch schnell die schon öfter von mir genossenen sortenreinen Fischtatars von Wolfsbarsch oder Thunfisch; oder besser noch: die knusprigen Sardinen und Ährenfischchen. Beim "Umar“ befindet sich die Startlinie für meinen Spießrutenlauf, der vorbei an speisekartenschwenkenden Asiatinnen und Asiaten führt, die mich in ihre trotz des Menschenauflaufs merkwürdig leeren Sushi- und Teppanyaki-Container locken wollen.

Da draußen, nach der ersten Quergasse, liegt das "Nautilus“. Man hat es mir empfohlen als eines der wenigen ernst zu nehmenden Fischlokale am Markt, und das sehen offenbar viele so, denn ohne Reservierung hätten sie mich wahrscheinlich nicht einmal vorbeigehen lassen. Der Tisch für zwei erinnert mich an die Zeiten, als ich noch Vinyl-LPs sammelte - nicht wegen eventueller aufgedruckter Motive, sondern wegen Format und Größe. Was für ein Spaß wird das werden, wenn dann der im Ganzen gebratene Steinbutt für zwei kommt. Wird er über den Tisch hinausragen wie die Schnitzel beim "Figlmüller“? Und wo wird dann mein Glas Sauvignon blanc vom Tement stehen? Übrigens: kleine feine und hübsch fischkompatible Auswahl offen ausgeschenkter Weißweine.

Im "Nautilus“ gibt es auch im Hochsommer Austern. Ich schreibe diesen Satz, weil ich ihnen auch im Hochsommer nicht widerstehen kann, wenn es sie irgendwo gibt, und zwei Tage nach deren Verzehr auch in der Lage bin, diesen Satz ohne Unterbrechung zu tippen. Dazu bestelle ich eine Portion blanchierter Gamberetti mit Zitronenspalten, aber die sind leider - anders als unten beim "Umar“ - nicht aus Wildfang, sondern diese Massenware, nach deren Genuss ich mir keine Gedanken machen muss über einen womöglich komplizierten Verlauf meiner nächsten Mittelohrentzündung. Im Tatar vom Thunfisch sind die Fischwürfel so groß geschnitten wie neulich im Schlosshotel Freisitz Roith, wenn sich jemand an die Publikation der Vorwoche erinnert, nur sind es diesmal nicht zwei, sondern geschätzte 137, die sich zu einem blutroten Sandkübelturm aufbauen. Schmecken tut die Sache leider bloß nach etwas Koriander und viel Sojasauce. Die Nachbarn lassen grüßen.

Ach ja, der Steinbutt. Der ist tatsächlich großzügig bemessen und darüber hinaus auf den Punkt gegart. Eine kurze Rast auf dem Küchenpapier hätte ihm gutgetan; er trieft noch etwas von den Lipiden in der Garform.

Dann schlendere ich zurück zum Start. Beim "Umar“ wird noch immer das Glas auf Franz West gehoben. Ich erblicke Bekannte, setze mich auf ein letztes Glas dazu. Schade, dass ich keinen Appetit mehr habe. Ich denke, das nächste Mal auf dem Naschmarkt ist wieder der Start mein Ziel.

Nautilus
Naschmarkt 673, 1040 Wien
Tel.: 0660/776 66 33

www.nautilus-fischrestaurant.at

So. und Fei. geschlossen
Hauptgerichte: 16,50 bis 32,50 Euro

[email protected]