Das System Peter Hochegger

Nehmen und nehmen lassen

AffäreIn der Ära Schwarz Blau

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Ernst Strasser ist ziemlich genau das, was man unter einem viel beschäftigten Mann verstehen könnte. Seit der Europawahl 2009 sitzt der frühere ÖVP-Innenminister im Europaparlament und gehört dort dem Vorstand der Europäischen Volkspartei an. Das bringt viel Verantwortung und noch mehr Aufgaben mit sich: So ist Strasser unter anderem Mitglied des „Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten“, des „Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres“, des „Petitionsausschusses“ sowie des „Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung“. Er redet in der „Delegation für die Beziehungen zu den Maghreb-Ländern und der Union des Arabischen Maghreb“ ebenso mit wie in der „Delegation in der Parlamentarischen Versammlung der Union für den Mittelmeerraum“ oder in der „Delegation für die Beziehungen zu Indien“. Und ganz nebenbei hat er sich 2005 auch noch im weiten Feld des internationalen „Consultings“ etabliert – über seine private Beratungsgesellschaft cce-consulting GmbH mit Sitz im niederösterreichischen Grafenwörth.

Ernst Strasser, Vollblutpolitiker mit ausgeprägten unternehmerischen Ambitionen, redet tatsächlich gern und viel – was aber nicht notwendigerweise heißt, dass er auch viel sagt.
Es hängt ganz vom Thema ab.

Donnerstag vergangener Woche gab er sich zur Abwechslung schmallippig. Von profil auf einen 2006 geschlossenen „Beratervertrag“ mit dem PR-Fachmann und Lobbyisten Peter Hochegger angesprochen, fiel ihm nicht viel mehr ein als: „Herr Hochegger hatte einen ausländischen Kunden, der ein Problem hatte. Ich habe dabei geholfen, dieses Problem zu beseitigen. Mein Vertrag lief über zwei Jahre, und ich habe daraus ein vereinbartes Honorar von rund 100.000 Euro erhalten.“
Details konnte – oder wollte – er nicht nennen.

Strasser dürfte ahnen, dass eine öffentliche Diskussion über seine Verbindungen zu Hochegger den eigenen politischen Ambitionen als Europaabgeordneter nur bedingt zuträglich ist. Der frühere Innenminister der Republik Österreich (Februar 2000 bis Dezember 2004) auf der Payroll eines Lobbyisten, der seinerseits in aufklärungswürdige Geschäfte verstrickt ist – das macht nicht eben einen schlanken Fuß.

Immerhin steht Peter Hochegger im Zentrum einer Affäre, deren wahres Ausmaß noch nicht annähernd abzuschätzen ist. Der heute 62-Jährige soll über eine Dekade hinweg und in aller Diskretion ein fein austariertes System aus Nehmen und Geben geschaffen haben – mit dem einzigen Zweck, geschäftliche Interessen der Auftraggeber durchzusetzen. Über seine ehemaligen Gesellschaften, die PR-Agentur HocheggerCom und das Lobbyingvehikel Valora Unternehmensberatung, wurden dabei aberwitzige Beträge bewegt.

Zuwendungen, denen nicht immer klar erkennbare Leistungen gegenüberstanden.

Brave Zahler. Wie ausführlich berichtet, zahlte allein die Telekom Austria zwischen Ende der neunziger Jahre und 2009 rund 25 Millionen Euro an teils fragwürdigen „Berater“- und „Lobbyinghonoraren“. Die ÖBB überwiesen zwischen 2002 und 2009 weitere 6,1 Millionen Euro. Bei der Privatisierung der Bundeswohngesellschaften (Buwog) 2004 kassierte Hochegger zusammen mit Kompagnon Walter Meischberger eine „Erfolgsprovision“ von fast zehn Millionen Euro vom siegreichen Immofinanz-Konsortium (welche beide Herren obendrein zu versteuern vergaßen). Und auch der Baukonzern Porr soll über die Jahre Hunderttausende Euro in Richtung Hochegger geschaufelt haben – für die angebliche Beratung bei Immobilienprojekten.

Allein die simple Addition der – bisher – bekannten Zahlen ergibt eine Summe jenseits der 40 Millionen Euro. Ein vorerst nicht zu beziffernder Teil des Geldes dürfte tatsächlich für Dienstleistungen seiner PR-Agentur HocheggerCom verwendet worden sein – diese war schließlich lange Zeit eine der ersten Adressen des Landes.
Ein Teil – aber eben nicht alles.

Seit Monaten versucht die Staatsanwaltschaft Wien, Licht ins Dunkel all dieser Vorgänge zu bringen. Sie ermittelt gegen eine ständig wachsende Anzahl an Personen in Hocheggers Umfeld wegen mutmaßlichen Betrugs, Untreue, Amtsmissbrauchs, Anstiftung dazu, Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Es ist kein Zufall, dass die fettesten ­Jahre des Lobbyisten in die Ära der schwarz-blau-orangen Koalition (2000 bis 2006) ­fielen. Eine Zeit, in der Hochegger ausgesuchte Kontakte in mehrere Ministerien unterhielt: das Finanzministerium unter Karl-Heinz Grasser; das Infrastrukturministerium unter Mathias Reichhold und später Hubert Gorbach; das Innenministerium unter Ernst Strasser.

Hochegger lobbyierte für die teilstaatliche Telekom Austria, als sein Spezi Grasser Finanzminister und folglich Eigentümervertreter derselben war. Er naschte heimlich am Buwog-Verkauf mit, den Grasser zu verantworten hatte. Er zeichnete maßgeblich für die absurd teure Erstellung von Grassers privater Homepage verantwortlich. Und nach Grassers Abschied aus der Politik holte er ihn vorübergehend auch noch an Bord einer gemeinsamen Gesellschaft. Hochegger beriet die ÖBB, für die Reichhold und Gorbach auf ministerieller Ebene zuständig waren – wie in Teilbereichen auch für die Telekom Austria. Im Gegenzug zeigte er sich mit niedlichen wie sündhaft teuren „Konzepten zur Positionierung“ von Reichhold und Gorbach erkenntlich (profil 6/2011). So nebenbei stand Peter Hochegger auch in Verbindung mit seinem Kollegen aus der Waffenbranche, Alfons Mensdorff-Pouilly, Ehemann der früheren ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat. Jener Herr Mensdorff, der von der Telekom Austria 2008 ein Beraterhonorar von 1,1 Millionen Euro erhielt – wofür auch immer.

Und ganz en passant ließ Hochegger einst auch dem unabhängigen Telekom-Regulator der Republik Österreich, Georg Serentschy, individuelle „PR-Strategie“ zukommen. Serentschy will mit deren Erstellung zwar nichts zu tun gehabt haben, dienlich war sie ihm trotzdem.

Braver Zahler. Natürlich floss immer wieder auch Geld. Und das in alle Richtungen. Wie profil bereits im Mai 2010 berichtete, dürfte Hochegger vor allem die Telekom-Honorare dazu verwendet haben, um quer durch die Politlandschaft Stimmung für die Anliegen seines liebsten Klienten zu machen. Der SPÖ-Abgeordnete Kurt Gartlehner bekam von Hochegger 2007 rund 30.000 Euro für eine Expertise zum Thema „Breitbandausbau und Regulierungspolitik“; die ÖVP-Fraktion Christlicher Gewerkschafter im ÖGB erhielt einen „Marketingzuschuss/Telekomzuschuss“ in der Höhe von 30.000 Euro; das Zentralorgan der Freiheitlichen, die „Neue Freie Zeitung“, durfte 2004 einen „Druckkostenbeitrag“ von 200.000 Euro einbuchen – als Gegenleistung für mehrere Artikel über „Regulierungsmaßnahmen im Telekom-Bereich“. Und der frühere FPÖ-Politiker Walter Meischberger war überhaupt so etwas wie ein angestammter „Subauftragnehmer“.

Und jetzt also Ernst Strasser: Dieser erhielt von Hochegger im Juli 2006 – also zweieinhalb Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Bundespolitik und drei Jahre vor seinem Einstieg in die Europapolitik – einen mit 50.000 Euro im Jahr dotierten „Beratervertrag“, dessen Inhalt die Zeitschrift „News“ Ende 2009 enthüllte. Jetzt gibt Strasser auf Befragen erstmals zu, daraus tatsächlich 100.000 Euro kassiert zu haben.

Wofür?

Strasser bleibt vage. Und auch Hochegger äußert sich nur äußerst unwillig. Die profil-Anfragen der vergangenen Wochen beantwortete er stets höflich – aber ausweichend. So auch in diesem Fall: „Ernst Strasser war mitinvolviert in die Beratung der bulgarischen Regierung, er lieferte eine Einschätzung, wie die Reformbemühungen Bulgariens in der EU gesehen wurden, und präsentierte diese Analyse auch gemeinsam mit dem damaligen Team von HocheggerCom dem Premierminister“, heißt es in einer diesem Magazin übermittelten Stellungnahme von Hocheggers Anwalt Gerald Ganzger.

Wie sich herausstellt, war Hochegger nicht nur in Österreich bestens vernetzt. Auch in Bulgarien soll er ein beeindruckend großes Rad gedreht haben. So erhielt er von der bulgarischen Regierung unter dem damaligen Premier Sergej Stanischew Ende 2007 den Auftrag, das Image des Landes in der EU „aufzupolieren“, galt das 2007 beigetretene Bulgarien doch als Musterbeispiel für Korruption und Schattenwirtschaft (wor­an sich bis heute übrigens nicht allzu viel geändert hat).

Wieder floss Geld – und das nicht zu knapp. Die Umsetzung der Imagekam­pagne veranschlagte der Lobbyist mit gleich 1,5 Millionen Euro.
Wie viel er dafür leistete, ist – welche Überraschung – unklar.
Tatsache ist, dass Hochegger sich in der Folge auch an zwei weitere prominente Österreicher wandte, die heute aber unabhängig voneinander Wert auf die Feststellung legen, niemals Teil von dessen „Netzwerk“ gewesen zu sein: Peter Schieder, früherer außenpolitischer Sprecher der SPÖ und Vater des amtierenden Finanzstaatssekretärs Andreas Schieder, sowie Karl Blecha, SPÖ-Innenminister a. D. und -Pensionisten­sprecher.
„HocheggerCom hatte einen Auftrag der bulgarischen Regierung für eine Imagekampagne ‚Reinforcing the Positive Image of the Republic of Bulgaria in the European Union‘“, erinnert sich Schieder. „Ich habe zahlreiche schriftliche Stellungnahmen betreffend Bulgarien, die EU, den Europarat et cetera verfasst und abgegeben, auch mündliche, vor allem in Komiteesitzungen und Gesprächen mit den bulgarischen Partnern.“ Dafür habe er, Schieder, für 2007 ein Honorar von 3000 Euro erhalten, für 2008 insgesamt 6500 Euro. „Zusätzliche Spesenvergütungen, Sitzungsgelder und dergleichen wurden an mich keine bezahlt.“

Karl Blecha wiederum erklärt seine Rolle so: „Für Hochegger persönlich war ich überhaupt nie tätig. Seine Firma gab dem auch in Bulgarien tätigen Mitropa-Institut (eine Blecha-Gesellschaft, Anm.) in der Zeit zwischen 2006 und 2007 drei Kleinaufträge. Die Honorare betrugen einmal 4100 Euro und zweimal 2000 Euro. Von diesen Beträgen erhielt ich keinen Cent.“
Im Juni 2008 sei er dann – auf Wunsch der Bulgaren – von Hochegger in die Imagekampagne involviert worden. „Für diese vielfältigen Tätigkeiten wurde von mir vereinbarungsgemäß im Jahr 2008 ein Honorar von 2500 Euro und im Jänner 2009 eines in gleicher Höhe in Rechnung gestellt. In diesen Honoraren waren sämtliche Spesen von Reisen ebenso enthalten wie Ausgaben für Telefon und zeitliche Aufwendungen. Selbstverständlich sind diese Honorare in meiner persönlichen Steuererklärung enthalten.“

Enge Bande. Die Honorare für Schieder und Blecha mögen einigermaßen plausibel erscheinen. Was aber kann Ernst Strasser in Bulgarien bewegt haben, das Hochegger und seinen Auftraggebern gleich 100.000 Euro wert war? Hat Ernst Strasser tatsächlich ein, wie er selbst sagt, „Problem“ beseitigt? Wenn ja, welches und wie? Oder hat Strasser in alter Währung wirklich 1,4 Millionen Schilling erhalten für eine, wie Hochegger sagt, „Einschätzung“ des Images Bulgariens in der EU?
So oder so: Die Herren hüten ein Geheimnis. Die Beziehung zueinander dürfte jedenfalls sehr viel inniger und einträglicher gewesen sein, als sie zugeben wollen.

Hochegger soll ab 2006 gleich mehrere Anläufe unternommen haben, der Telekom Austria Ernst Strasser als unverzichtbaren Berater und/oder Lobbyisten schmackhaft zu machen. Ob die Bemühungen des einen Lobbyisten (Hochegger), den anderen Lobbyisten (Strasser) direkt in der Telekom zu installieren, tatsächlich gefruchtet haben, ist ungewiss. „In den uns vorliegenden Unterlagen haben wir keine Rechnung von Ernst Strasser gefunden“, betont Telekom-Konzernsprecherin Elisabeth Mattes.
Seit Monaten durchsucht die interne Revision der Telekom Austria auf Anordnung des amtierenden Vorstandschefs Hannes Ametsreiter die Bücher des Konzerns nach auffälligen Rechnungen und Zahlungen. Ametsreiter hat bereits mehrfach und unmissverständlich „lückenlose Aufklärung“ aller Vorgänge in Zusammenhang mit Peter Hochegger versprochen.
Die Rekonstruktion der Geldflüsse aus der Telekom hinaus ist offenbar alles andere als einfach. Dem Vernehmen nach sollen sensible Unterlagen schlicht verschwunden sein.

Es kann jedenfalls kein Zufall sein, dass der Name Ernst Strasser in einer von Hochegger 2007 erstellten „PR-Strategie“ für den damaligen Telekom-Manager Gernot Schieszler auftaucht. Nach Hocheggers Vorstellungen sollte Strasser damals in einen eigens zu schaffenden Beirat einziehen, der Schieszler regelmäßig mit öffentlichkeitswirksamen „Inhalten und Themen“ versorgen sollte. Die Telekom Austria musste für dieses 29-seitige Exposé nicht viel weniger als 465.000 Euro an Hochegger überweisen.
Realisiert wurde das Konzept – nie.

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