Jay-Z, David Lynch, The Baptist Generals, Summoning

Neue Alben: Jay-Z, David Lynch, The Baptist Generals, Summoning

profil unerhört. Die wichtigsten CDs der Woche

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Von Philip Dulle und Sebastian Hofer

Jay-Z: Magna Carta … Holy Grail (Universal)

Früher, als Konzernvorstände noch als bewundernswert galten, phantasierte sich Jay-Z gern zum „CEO of Rap“ empor. Heute inszeniert er sich lieber als Alternativpräsident der Vereinigten Staaten von Amerika, bloß zu Heimspielen seines Basketballvereins Brooklyn Nets gibt es der Mann etwas bescheidener und macht den Bürgermeister von New York. Man kann Shawn Carter alles vorwerfen, aber sicher keine falsche Bescheidenheit. Auch in seiner Kunst (und man kann ihmvieles vorwerfen, aber bestimmt keine Kunstlosigkeit) erklärt Jay-Z ganz gern, was er hat und kann. Also nennt er sein jüngstes, zwölftes Album selbstbewusst „Magna Carta … Holy Grail“ und erzählt darauf mit beispielhafter Lässigkeit von dem Basquiat, der bei Carters im Wohnzimmer hängt, oder von den Gedanken des Yachtbesitzers beim In-die-Sonne-Binzeln. Nun ist die schranken- und bedenkenlose Feier des Materialismus zwar keine ganz neue Entwicklung in Jay-Zs Oeuvre, aber sie wurde auch schon einmal reichhaltiger mit Sinn erfüllt. Nur: Wer braucht Sinn, wenn er einen Basketballverein hat? (7.2/10) S. Ho.

David Lynch: The Big Dream (Sunday Best/Pias)

Die Nächte in der Stadt der Engel können kalt sein. Verrückte und Lebenshungrige streichen durch die Straßen, Neonschilder flirren im Noir-Takt der Stadt, verlorene Existenzen auf der Suche nach dem Glück und aus einem vorbeidonnernden Auto dröhnt ein verstörender Modern-Blues. Kino-Surrealist David Lynch liebt es, sagt er, nachts mit dem Auto durch Los Angeles zu fahren und sich in diesem Kosmos treiben zu lassen. Dafür hat sich der eigensinnige Filmemacher auch gleich den perfekten Road-Soundtrack gebastelt. Nach seinem erratischen, in alle Sphären experimentierenden Albumdebüt „Crazy Clown Time“ von 2011 führt der Meister seine Metaphernsammlung (Schlagworte: Mystik, Teufel, Wahn) munter fort, mäandert durch elektronische Beats, covert Dylan („The Ballad Of Hollis Brown“), erschafft schrullige Twin-Peaks-Reminiszenzen („I’m Waiting Here“) und cineastische Soundmalereien. Während die Kinowelt weiter auf ein neues Werk des Regieimpressionisten wartet, fährt Lynch weiter durch die Nacht. Ziel: unbekannt. (7.7/10) Ph. D.

Summoning: Old Mornings Dawn (Napalm Records)

Auch Nerds haben es 2013 nicht mehr leicht. Mittelerde ist Teil des Familienmainstreams und alljährlicher Weihnachtsfortsetzungsblockbuster, über die Blut-, Porno- und Beuschel-Serie „Game of Thrones“ redet man neuerdings nicht nur beim Friseur des Vertrauens, sondern auch beim Sonntagsgugelhupf mit der Familie oder mit 18-jährigen Ryan-Gosling-Verehrerinnen. Fantasy ist eben sexy – und gar nicht mehr so nerdig, wie die Musik der österreichischen Black-Metal-Keyboard-Virtuosen Summoning. Die Wiener Tolkien-Verehrer erzählen auch auf ihrem siebten Album „Old Mornings Dawn“ von ihrer Middle-Earth-Obsession zwischen computergenierten Drums, Pagan-Folk, wildem Gekreische und elendslangen Keyboard-Elegien, spielen mit nordischen Vorbildern (man hört Emperor) und den epischen Leidensgefährten von Blind Guardian. Die acht Tracks von „Old Morning Dawn“ sind nicht zu trennen und ausdrücklich als Ganzes zu verstehen: als Alternativsoundtrack für die Kinoabenteuer von Peter Jackson, oder für den wöchentlichen Tolkien-Lesezirkel. (6.6/10) Ph. D.

The Baptist Generals: Jackleg Devotional To The Heart (Sub Pop/Trost)

Das Auge hört mit: Auch wenn heute niemand mehr CDs kauft, muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass das Seattle-Kultlabel Sub Pop noch immer die schönsten CD-Hüllen unter der Sonne herstellt und den viel cooleren Vinylplatten in Sachen Sammelleidenschaft in nichts nachsteht. Jüngstes großartiges Beispiel ist „Jackleg Devotional The The Heart“, das erste Studioalbum des Texas-Duos The Baptist Generals in zehn Jahren. Dass hier nicht nur die Optik (inklusive Covertauschbild!) überzeugt, dafür sorgen die minimalistischen Folk-Songminiaturen, die auch 15 Jahre nach dem Debüt noch immer nach dem alten Bandkredo funktionieren, nämlich um für beer and money am Straßenrand gespielt zu werden. Musik zum Auf-der-Veranda-Sitzen, für Menschen, die Cowboystiefel sexy finden und im Lone Star State mit den Kojoten tanzen gehen. (6.9/10) Ph. D.

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