Mamas Bauch

Only God Forgives: Gewaltorgie mit Ryan Gosling

Kino. "Only God Forgives": Gewaltorgie von Nicolas Winding Refn

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Die Mutter ist ein Problem. Sie hat nicht genug Liebe für ihren Sohn zur Verfügung. Den anderen, seinen toten Bruder, mochte sie lieber. Aber der musste ja erst eine 16-Jährige vergewaltigen und sie dann auch noch ermorden. War nur eine Hure, dachte er wohl. Aber einer, der so denkt und handelt, lebt in Bangkoks Chinatown nicht lange. Also darf der trauernde Vater den inhaftierten Mörder seiner Tochter, mit Billigung der Polizei, im Rahmen einer Gedenkviertelstunde zu blutigem Brei schlagen. Das wiederum gefällt der zum Begräbnis eigens angereisten Mutter nicht so gut. Der zu Tode gekommene Bub habe sicher seine Gründe gehabt, sich derart abweisend zu der kleinen Nutte zu verhalten; jedenfalls müsse nun der Killer ihres Lieblingssohns zur Strecke gebracht werden.

Hass und Tod
So folgt aus der Gewalt in diesem Film nicht nur immer neue Gewalt, sondern auch einiges an tragikomischen Nebengeräuschen. Viel Sinn ergibt das alles nicht, aber jede Menge starker Bilder: Finster liegt die Nacht über Bangkok, blutrot schimmert das Licht in der Halbwelt, sinister blicken ihre Bewohner vor sich hin. Es dröhnt unaufhörlich, und Frauen sind hier praktisch grundsätzlich Prostituierte. Es herrschen Hass und Tod, das hat man schnell begriffen, und im Königreich Thanatos ist alles nur noch eine Frage des Stils.

Der Regisseur von "Only God Forgives“ verwechselt Stil allerdings länger schon mit Übertreibung: Vor zwei Jahren inszenierte der Däne Nicolas Winding Refn, 42, mit dem Noir-Melodram "Drive“ einen ästhetisch weidlich überschätzten Kinowelthit, seither hält er sich für künstlerisch unbesiegbar, wovon "Only God Forgives“ eindrucksvoll zeugt. Er habe ein Werk über unsere Sehnsucht nach einer "höheren Antwort“ drehen wollen, raunt er in Interviews, aber meistens wüssten wir alle leider nicht, was überhaupt die Frage war; und der Mann glaubt, kein Scherz, an Geister. Daher mache er so "spirituelle“, zugleich aber gern auch "gewaltpornografische“ Filme. Den Begriff des Hypes hat er verinnerlicht: In seiner Arbeit ist alles hyped, wild aufgebauscht und künstlich simuliert. Jedes Bild ringt um Bedeutung, jede Einstellung wird ominös überfrachtet. "Only God Forgives“ zeichnet eine bei aller Finsternis grässlich bunte, sehr ungesunde Welt, in der das Dunkelkammer-Purpur in allen Räumen von Giftgrün, Säureblau und Uringelb ergänzt wird. Dabei hat Winding Refn wenig zu zeigen - und nichts zu erzählen.

„Dämonische” Mutter
Mit seinem zwischen Bibelexegese und Bud Spencer ("Gott vergibt, wir beide nie“) changierenden Titel sind die Pole auch schon abgesteckt: ein Prügelfilm von bleiernem Pseudo-Existenzialismus, ein gewaltreligiöser Sexismus-Exzess mit dadaistischen Untertönen. Es war schwer, dem schmächtigen Ryan Gosling jenen Heavy abzunehmen, den er in "Drive“ gespielt hat. Und auch wenn man anfangs nun wieder Mühe hat, ihm den knallharten Kickbox-Clubmanager und Drogengroßhändler zu glauben - als Söhnchen einer allzu dominanten Mutter, die ihn mit vulgärem Make-up und durchgeknallten Dialogzeilen bedrängt, ist er besser besetzt: Die Britin Kristin Scott Thomas tritt, heftig gegen den Strich besetzt, in Blond und Pink als seine "dämonische“ Mutter, die über das Suchtgiftimperium regiert, aufs Trash-Pedal.

Folter, Frauenhass und Rachemord
So läuft der Plot, wenn man das denn so nennen will, zäh auf die entschieden fleischliche Konfrontation zwischen Mutter, Sohn und einem Thai-Cop (Vithaya Pansringarm) hinaus, der so etwas wie der böse Gott dieses Films sein soll, sich die Rollen von Richter und Henker zugleich anmaßt. Ihn nennt Winding Refn zwar die Zentralfigur seines Films; leider macht der Mächtige dennoch wenig Eindruck, weil er meist bloß stoisch in die Welt schaut, wenn er nicht gerade das Schwert schwingt, in Szenen, die auf das asiatische Martial-Arts-Kino anspielen sollen, dessen Eleganz jedoch vermissen lassen. Aber mit Subtilitäten hält sich Winding Refn nicht auf. Es geht ihm um Folter, Frauenhass und Rachemord, um die Comicstrip-Moral des Hard-boiled-Kitsches und um die fingierte Coolness ungezeichneter Figuren und unbewegter Gesichter; von Schauspiel ist hier nur in sehr eingeschränktem Sinne zu sprechen.

Am Ende findet der Regisseur und Autor immerhin ein drastisches Bild, um den Ödipuskomplex des psychisch recht kaputten Sohnes sinnfällig zu machen. Es gibt viele Wege, zurück in Mamas Bauch zu gelangen. Der junge Mann wählt den direktesten.