O tempora, o Morak!

O tempora, o Morak!

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Franz Morak, das muss festgeschrieben werden, war ein glanzvoller Schauspieler. Heute ist er ein fürs wahlberechtigte Publikum glänzen sollender Darsteller.

Er wurde von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zum Staatssekretär für Kunst und Medien ernannt. Das war, meinten damals jedenfalls etliche Mitwirker in Medien, eine Entscheidung, die auf eine spezifische Solidarität hoffen ließ.

Denn, so eine aus der bis dahin gültigen Erfahrung durchaus zulässige Folgerung, ein Mann, der bedeutende Rollen des Johann Nepomuk Nestroy fast so gut spielen konnte wie Karl-Heinz Hackl und Robert Meyer, würde das Vermehren künstlerischer Einflüsse auf die Gesellschaft forcieren.

Und wenn einer sich für nur unregelmäßig beschäftigte Schauspieler ebenso wie für die manchmal nur von Restaurationsarbeiten überlebenden Maler, für die wunderbar kunstvollen Dokumentationsfotografen wie für begabte junge Schreiber von Drehbüchern des österreichischen Films einsetzt – wenn er also das, wenigstens ansatzweise, tun will, dann ist es weiß Gott nicht stigmatisierend, Repräsentant einer konvervativen Regierung zu sein.

Wer das Vergnügen – besser noch, den Vorzug – hatte, Morak auf der Bühne erleben zu dürfen, war geradezu heißhungrig darauf, wie er sein Genre, seine Welt auf der politischen Bühne vertreten, verteidigen, vervielfältigen würde.

Augenblicklich wird diese Bühne von ihm nicht einmal vom Souffleurkasten aus beherrscht.

Das kulturelle Leben dieses Landes geht an dem (auch) dafür zuständigen Staatssekretär mutmaßlich spurlos vorüber.

Es zeichnet ihn aus, nach seiner Möglichkeit, sich dem ministrablen Minimalismus zu verschreiben, nichts auszuzeichnen, wenig gegenzuzeichnen.

Gäbe es die offiziell anerkannte Bezeichnung des Wegzeichnens, so hätte Herr Morak sie bereits patentieren lassen, denn er ist, schneller noch als jeder Kulturpolitiker h. c., Meister darin, sehr scharf zu erkennen, wofür er ersten Grades nicht verantwortlich gemacht werden kann, weshalb er höheren zweiten Grades nichts dafür kann, dass etwas passiert, das ihn gar nichts angeht; er ist ständig abputzmunter.

Er hat, immerhin, das herzerwärmende Festhalten an Österreich eines Luc Bondy nicht beeinträchtigt oder zu verhindern versucht. Und er muss wohl, zahnlos knurrend, zur Kenntnis nehmen, dass jene Wiener Festwochen eine weltweite Reputation genießen, obgleich er ihnen die Subvention gestrichen hat. Aber es ist nicht auszuschließen, dass er sich im kommenden Sommer dermaßen zurückhalten kann, den Salzburger Festspielen nicht noch einmal scherzhalber zu raten, ihr finanzielles Überleben im Massenselbstmord ihrer Mitarbeiter zu finden.

Es wäre überheblich, Morak für einen artifiziellen Abstinenzler zu halten, aber sein immer feineres Fernbleiben aus dem Feuilleton kann einen schon zum Nachdenken anregen.

Jeder Hochrangige in dieser Republik der Hierarchien hat die selbstverständliche Respektabilität, für verschiedene Vorkommnisse in diesem Land verantwortlich zu sein, aber nicht für alle. Er muss sich keineswegs zu sämtlichen Geschehnissen äußern; es muss ihm unbenommen bleiben, von einigen Ereignissen überhaupt nichts gewusst zu haben.

Aber:

Warum macht der Staatssekretär für Kunst und Medien nicht den geringsten Mucks, wenn es etwa gälte, den österreichischen Künstler Gerhard Haderer, einem griechischen Gerichtsurteil entgegen, zu verteidigen – oder sich wenigstens seiner Sache anzuznehmen? Warum wird der möglicherweise beste Theaterintendant Österreichs, Dietmar Pflegerl, der Chef des Klagenfurter Stadttheaters (dessen Inszenierungen international mehr als ein Dutzend Mal prämiert wurden), in seinem Überlebenskampf gegen den Kärntner Landeshauptmann nicht von Staats wegen demonstrativ unterstützt? Warum musste das erbärmliche Zerren um das Wiener Theater in der Josefstadt mit der drohenden Selbstauflösung des Ensembles inklusive der Nachwuchsförderung enden? Warum bedurfte es beinah eines halben Tags, ehe eine authentische Aussage zu jener Sensation zustande kam, welche die Verleihung des Literaturnobelpreises an Elfriede Jelinek darstellte? Warum gibt es keine Stellungnahme zu dem immer erfrischender werdenden Konkurrenzkampf der großen Museen, die allmählich nicht mehr um ihre, sondern gegen die Existenz aller Rivalen zu rangeln scheinen? Und warum gibt es im „Gedankenjahr“ keine Initiative, jener immer noch zu wenig bekannten, gegen den Rassismus des Dritten Reichs schreibenden, subversiven Satiriker, von Peter Hammerschlag bis Jura Soyfer, zu gedenken?

Es ist verständlich, dass ein Mensch, der sich nicht regional, sondern staatsgrenzendergreifend (ein zu langes Wort für einen kultivierten Politiker?) mit dem beschäftigen muss, was Alfred Polgar den „glücklichen, geistigen Abfall der Menschheit“ genannt hat, sich um diesen wirklich nicht jederzeit kümmern will. So gibt’s für uns halt nur unsrerzeit.
O tempora, o Morak!