Gerhard Dörfler war der Meister der Fettnäpfe

Ortstafellösung: Gerhard Dörfler will sein Image als Witzfigur ablegen

Kärnten. Mit der Ortstafellösung will er sein Image als Witzfigur ablegen

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Die Situation war ernst in jener langen Nacht im Finanzministerium, in der um die Zukunft der Hypo Alpe-Adria gerungen wurde. Mit sorgenvollen Mienen verhandelten Finanzminister Josef Pröll, Finanzstaatssekretär Andreas Schieder und Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny mit den Bankern. Nur einer saß damals im Dezember 2009 in Jeans und rotem Trachtenjanker dabei, als würden ihn die drohende Pleite der langjährigen Haider-Hausbank und die Milliardenhaftungen seines Bundeslands dafür nichts angehen: Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler. Als nach durchverhandelter Nacht die Putztrupps im Ministerium anrückten, zog Dörfler einen 50-Euro-Schein aus der Tasche und überreichte ihn den Aufräumerinnen mit großer Geste. Der Rest der Anwesenden schwankte zwischen Fremdschämen und Häme.

So ging es Gerhard Dörfler oft. Außerhalb Kärntens kam Jörg Haiders Nachfolger über den Status eines belächelten Simpels nie hinaus. Sein brachialer Biertischhumor und sein zielsicherer Sprung in jedes Fettnäpfchen lösten, im freundlichsten Fall, Befremden aus. Im APA/OGM-Vertrauensindex belegte er stets verlässlich den letzten Platz unter den Landeshauptleuten. Dörfler selbst kommentiert sein Image trotzig so: "Ich liebe es durchaus, unterschätzt zu werden.“ Dafür hat er einiges getan: Er hat "Negerwitze“ erzählt, über Frauen geurteilt, sie seien "zu schade für die Politik“, und kühne Fehlkalkulationen wie jene angestellt, dass er auch nicht mehr verdiene als ein Fliesenleger.

Auch in der sensiblen Ortstafelfrage gerierte sich Dörfler als polternder Rüpel. Er berief sich auf das "gesunde Volksempfinden“, höhnte Verfassungsrichter als "Kasperln“, verrückte feixend Ortstafeln und brachte das seltene Kunststück zustande, von der Kärntner Staatsanwaltschaft angesichts eines Ortstafel-Verfahrens offiziell attestiert zu bekommen, er wisse nicht, was er tue. Also könne er auch nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Ausgerechnet diesem Dörfler könnte nun gelingen, woran die Intelligenzija der Republik, von Bruno Kreisky bis Wolfgang Schüssel, gescheitert war - eine Lösung des Ortstafel-Konflikts. Sein Geschwätz von gestern steht Dörfler dabei nicht im Weg. Er ist weitgehend ideologiefrei und bezeichnet sich selbst vage als "Mann der Mitte mit stark sozialer Ausprägung“. Mit einer gewissen Eitelkeit träumt er vom Eintrag im Geschichtsbuch als überparteilicher Landesvater, der Probleme aus dem Weg räumte.

Seit der gewonnenen Landtagswahl im März 2009 bastelt der heute 55-Jährige an einem neuen Profil. Bis dahin erschöpfte sich sein Politikverständnis in Fototerminen: Er hatte als Straßenbau-Referent jeden Kreisverkehr und jede Lärmschutzwand feierlich eröffnet, bevorzugt in oranger Straßenarbeiter-Warnjacke, und sich als Kindergarten-Referent mit herzigem Nachwuchs ablichten lassen. Das reichte. Im Sog der Trauer über Haider surfte Dörfler wenige Monate nach dem Tod seines Vorgängers zum Wahlsieg.

Landesvater.
Seither bemüht er sich, seinen Ruf als Witzfigur in Vergessenheit geraten zu lassen. Sein Rivale und Stellvertreter in Kärnten, Uwe Scheuch, lobt ihn für seine Verhältnisse nachgerade überschwänglich: "Dörfler ist sehr stark gewachsen. Dennoch hat er sich seinen geradlinigen, hemdsärmeligen Stil bewahrt.“

Mit einer gewissen Bauernschläue erkannte Dörfler, dass er für parteitaktische Manöver oder Strategien ohnehin nicht der richtige Mann ist. Scheuch führt die FPK und ficht alle Scharmützel aus, Dörfler kann sich ganz auf seine neue Wunschrolle als gütiger Landesvater konzentrieren. "Dörfler macht das sehr geschickt, er ist nur für die guten Nachrichten zuständig. Er moderiert, kommentiert und eröffnet und überlässt die schmutzige Parteiarbeit Scheuch“, analysiert Stefan Petzner, der Dörflers Landtagswahlkampf geleitet hatte und als einer der wenigen Kärntner im BZÖ verblieb.

Dieser Versuch, sich überparteilich zu gerieren, bringt auch Nachteile mit sich. Von wichtigen Parteientscheidungen erfährt Dörfler oft als Letzter, selbst die Wiedervereinigung von Kärntens BZÖ mit Heinz-Christian Straches FPÖ erfolgte hinter seinem Rücken. Während Scheuch schon mit Strache verhandelte, schimpfte Dörfler noch fröhlich drauflos: "Ich tät in Wien den Häupl wählen, weil er nicht so radikal ist wie der Strache. Besser a guater, ehrlicher Sozi wia a Strache.“ Einem anderen Politiker wäre es wohl peinlich, eine 180-Grad-Kehrtwendung vollziehen und plötzlich Gutes an Strache finden zu müssen. Dörfler nicht. Seine derzeitige Meinung zu Strache formuliert er gegenüber profil so: "Strache hat Charme und schickt mir manchmal so nette SMS.“

Dörflers Wendigkeit bekommt auch außerhalb des rechten Lagers gute Zensuren. Gabi Burgstaller, SPÖ-Landeshauptfrau von Salzburg, hält ihrem Kollegen zugute, dass seine polternden Auftritte bei der Landeshauptleutekonferenz Geschichte sind: "Dörfler hat sich die letzten Male sehr um konstruktive, lösungsorientierte Beiträge bemüht. Ich habe eine Grundsympathie für seine Haltung, dass man über einen Vorschlag auch nachdenken kann, wenn er von einer anderen Partei kommt.“ Burgstallers Lob mag auch daher rühren, dass die SPÖ-Landeshauptleute etwa in der Bildungspolitik stärker mit Dörfler übereinstimmen als mit der ÖVP im Allgemeinen und Landeshauptmann Erwin Pröll im Besonderen.

In Kärnten fällt das Urteil der SPÖ über Dörfler wesentlich weniger positiv aus. "Das ruhige, landesväterliche Image ist nur Taktik“, sagt SPÖ-Chef Peter Kaiser: "In den Sitzungen der Landesregierung ist Dörfler nach wie vor nicht zimperlich. Er wird immer der alte Dörfler bleiben.“

Mit zu viel Wissen belastet Dörfler sich nach wie vor nicht. Sein Archiv besteht vor allem aus Zeitungsartikeln über ihn, die er liebevoll sammelt. Er liest mit Vorliebe Schmalspur-Philosophisches von Paolo Coelho und Ratgeberbücher à la "100 tibetanische Weisheiten“ und notiert sich daraus Zitate, die später in Reden auftauchen.

Ansonsten bestehen seine Reden aus Textbausteinen, in denen er seine einfache Herkunft aus einer Arbeiterfamilie, seine sportlichen Erfolge als Läufer, seinen Aufstieg zum Brauereimanager und seinen authentischen Stil preist. An die Intellektualität Jörg Haiders kommt Dörfler nicht heran. Das hat auch Vorteile: Er muss sich nicht verstellen, wenn er den Mann aus dem Volk mimt. Sein Lieblingsslogan über sich ist derzeit: "Einer von Euch.“

Mit der ihm eigenen Fertigkeit für verhatschte Sprachbilder erklärt Dörfler seine Vorzüge gegenüber "Sonne“ und Übervater Haider so: "Dass nach dem Jörg ein anderer Abschnitt beginnt, ist völlig klar. Im Land sind jetzt nicht Ballschuhe gefragt, sondern Schuhe mit fester Sohle.“ Zumindest die sind ihm keine Nummer zu groß.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin