„Wir rennen nicht davon“

UN-Soldaten auf dem Golan: „Wir rennen nicht davon“

Interview. Othmar Commenda über Austausch oder ­Abzug der österreichischen UN-Soldaten auf dem Golan

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Interview: Otmar Lahodynsky

profil: Im Juni wird ein großer Teil der österreichischen UN-Soldaten auf dem Golan ausgetauscht. Macht diese Rotation überhaupt noch Sinn?
Commenda: Wir bereiten uns auf den planmäßigen Austausch der Soldaten vor. Sollte die Lage dort eskalieren, wofür es derzeit keine konkreten Anzeichen gibt, sieht die Sache natürlich anders aus.

profil: Wie schnell könnten die österreichischen Soldaten im Notfall abziehen?
Commenda: Das geht innerhalb von Stunden, indem man einfach über die so genannte Alpha-Line nach Israel abzieht. Von einer ganz raschen Evakuierung bis zu einem geordneten langfristigen Abzug ist alles möglich. Unsere im Bundesministerium dafür extra eingerichtete Task Force überprüft die Lage permanent. Wir sind auf alles vorbereitet.

profil: Wie läuft so ein Abzug von rund 380 Soldaten innerhalb von Stunden ab?
Commenda: Jeder Soldat hat ein Alarmgepäck und kennt genaue Pläne, mit welchem Fahrzeug er wohin gebracht wird., und so weiter. Im Extremfall holt sich der Soldat seine Ausrüstung und das Alarmgepäck aus den Schutzräumen, sitzt auf und ist weg. Gegebenenfalls werden noch Unterlagen vernichtet oder mitgenommen. In Wahrheit läuft das ähnlich ab, wie man es im Kino sieht.

profil:
Wo verläuft die rote Linie für das Bundesheer, ab der ein Abzug zwangsläufig erfolgen müsste?
Commenda: Die kann ich Ihnen nicht genau nennen, weil sie von der Politik bestimmt wird. Für uns gilt das Mandat der UN. Und wenn wir den Auftrag haben, dort zu bleiben, dann bleiben wir dort und rennen nicht davon. Natürlich war der Einsatz immer mit Gefahren verbunden. Sonst müsste man ja gar keine Soldaten hinschicken.

profil: Aber die Gefährdung ist wegen des Bürgerkriegs in Syrien größer als früher.
Commenda: Ja, natürlich. Ich vergleiche das oft mit der Feuerwehr. Wenn sich jemand zur Freiwilligen Feuerwehr meldet und dann zu einem Brandeinsatz in einem Chemiewerk gerufen wird, muss er auch hin und kann nicht sagen: „Das ist mir zu gefährlich.“ Genau so ist es bei uns Soldaten.

profil: Die kroatischen UN-Soldaten sind bereits vom Golan abgezogen, auch weil Kroatien Munition an die syrischen Rebellen geliefert hat. Das philippinische Kontingent könnte demnächst folgen. Sind die Österreicher bald allein auf dem Golan?
Commenda: Beim Gerücht über einen Abzug der Philippinos handelt es sich vor allem um eine innenpolitische Auseinandersetzung. Ein Worst-Case-Szenario sieht so aus, dass sich dann die Vereinten Nationen gezwungen sähen, diese Mission zu beenden. Es könnte aber auch einen raschen Ersatz geben. Theoretisch wären Länder wie Indien, welches gerade den Force Commander stellt und über eine große Armee verfügt, sehr rasch in der Lage, ein paar hundert Soldaten auf den Golan zu schicken.

profil: Derzeit scheinen alle Konfliktparteien daran interessiert zu sein, dass die UN-Truppen auf dem Golan bleiben.
Commenda: Ja, derzeit sieht es danach aus, aber es gibt dort auch sehr radikale Elemente. Daher kann die Lage auch rasch eskalieren.

profil: Welche Auswirkungen wird die Aufhebung des Waffenembargos durch die EU auf den Einsatz der UN-Soldaten haben?
Commenda: Das lässt sich nicht genau vorhersagen. Deswegen hat ja Verteidigungsminister Klug angeordnet, dass die Situation vor Ort in den nächsten Tagen und Wochen genau kontrolliert werden wird. Davon wird es letztlich abhängen, ob wir gehen oder bleiben. Die Entscheidung muss und wird die Politik treffen.