„EU reagiert zu spät“

Patrick Nash: „EU reagiert zu spät“

Interview. Der Ex-Kommandeur der EU-Truppen im Tschad über Mali

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Schwere Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen, gewalttätige Proteste in der Hauptstadt Bamako: Die Lage im Sahara-Staat Mali, der vergangenes Jahr in einen von Islamisten kontrollierten Nord- und einen instabilen Südteil zerbrochen ist, eskaliert immer mehr. Vergangene Woche angesetzte Friedensgespräche scheiterten angesichts einer Offensive der Aufständischen, die immer weiter Richtung Süden vorrückten.
Nachdem die Islamisten den an der wichtigsten Straßenverbindung zur Hauptstadt Bamako gelegenen Verkehrsknotenpunkt Konna eingenommen hatten, ersuchte Malis Staatsoberhaupt Dioncounda Traore die ehemalige Kolonialmacht Frankreich um militärische Hilfe. Präsident François Hollande reagierte prompt und entsandte am Freitag Truppen, die seither gegen die Rebellen kämpfen.

Die EU hingegen will Mali bei der Bekämpfung der Rebellion zwar unterstützen – um selbst nicht zu tief in den Konflikt hineingezogen zu werden allerdings nicht mit Kampfverbänden, sondern nur mit Militärberatern und -ausbildnern.

Der irische General Patrick Nash, 66, hat Erfahrung mit Einsätzen in der Region. Er fungierte in den Jahren 2008 und 2009 als Oberkommandierender der EU-Mission Eufor im Tschad, an der sich auch Österreich mit 160 Soldaten beteiligte.

profil: General Nash, Frankreich interveniert in Mali. Ist das gerechtfertigt?
Nash: Vollkommen. Aber dieser Einsatz sollte eigentlich keine unilateral französische Mission sein, sondern eine gemeinsame europäische. Die EU verfolgt jedoch leider wieder einmal lediglich einen minimalistischen Ansatz – und das bei einer wirklich ernsten Krise, die einen gewaltigen Effekt auf die gesamte Region haben kann. Das Verhaltensmuster kennen wir bereits aus Libyen: Auch dort wollte die EU zwar dabei sein, aber sich gleichzeitig nicht die Hände schmutzig machen. Ich finde, dass Europa seine Verantwortung vernachlässigt und seine Verteidigungspolitik echte Rückschritte gemacht hat.

profil: Was ist der Grund dafür?
Nash: Hinter dem Einsatz im Tschad, der auch eine hervorragende Möglichkeit geboten hat, europäische Institutionen zu testen, standen einige sehr mächtige Politiker: der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy etwa. Heute haben wir keine solchen Figuren. Und offenbar hat auch die Wirtschaftskrise dazu geführt, dass sich niemand mehr auf derart teure Missionen einlassen will.

profil: Der Tschad-Einsatz mag ja ein gelungener Test für die militärische Kooperation gewesen sein. Für das Land selbst hat er nicht viel gebracht.
Nash: Doch – nur liegt das wahre Erbe nicht so sehr in der Erfüllung seiner etwas nebulösen militärischen Ziele.

profil: Sondern?
Nash: Die Mission hat das Regime und seine Regierungsführung exponiert. In den Monaten, in denen europäische Truppen im Tschad stationiert waren, konnte sich eine große Zahl von ausländischen Politikern, Diplomaten und Journalisten dort ein eigenes Bild machen. Gleichzeitig wurden Hilfsorganisationen und NGOs auf die Situation aufmerksam. Der Tschad ist seither nicht mehr das gleiche autokratische Land, das er vor dem Eufor-Einsatz war.

profil: Was soll die EU jetzt in Mali tun?
Nash: Ein Komplettpaket schnüren, das sowohl politische, diplomatische, wirtschaftliche und humanitäre Maßnahmen umfasst als auch militärische und polizeiliche – also geschlossen, proaktiv und sehr schnell handeln: Je mehr ein Problem wächst und sich verfestigt, desto schwerer ist es zu lösen. Es genügt nicht zu reden, Europa agiert nicht, es reagiert nur. Und es reagiert zu spät.

profil: Hat nicht das Beispiel Afghanistan gezeigt, dass es unmöglich ist, in der Bevölkerung verankerten Aufständischen militärisch beizukommen?
Nash: Die Islamisten im Norden Malis waren anfangs nur ein paar hundert an der Zahl. Was sie getan haben – etwa die Zerstörung der Heiligtümer in Timbuktu –, ist abstoßend. Die Bevölkerung wird sie nicht unterstützen, wenn man ihr den Rückhalt gibt, sich zu wehren. Die EU verkörpert eine großartige Idee, aber ihre Außenpolitik ist im Moment einfach nur zögerlich.

profil: Gilt dieser Befund auch für Syrien?
Nash: Das ist ein anderer Fall. In Syrien findet ein Konflikt zwischen zwei islamischen Ideologien statt, hinter dem zwei starke Staaten – der Iran und Saudi-Arabien – stehen und zudem der Westen mit seinen eigenen Interessen. Das Assad-Regime war alles andere als nett. Aber wollen wir stattdessen die Islamisten an der Macht sehen? In Irland sagen wir: Der Teufel, den man kennt, ist besser als der Teufel, den man nicht kennt.