Elfriede Hammerl

Rechte Begeisterung

Rechte Begeisterung

Drucken

Schriftgröße

Nein, ich versteh’s nicht. Alles, was rechts ist! Ich verstehe Frust, Zorn, Enttäuschung und den Wunsch, zwei Regierungsparteien, die nicht regieren konnten, einen Denkzettel zu erteilen, durchaus, aber wie man sich dadurch gezwungen sehen kann, rechtsrechts zu wählen, verstehe ich nicht, und ich bin dagegen, dass man denjenigen, die das getan haben, wieder einmal die Verantwortung für diese Entscheidung abspricht.
Wollten halt protestieren. Haben’s nicht so gemeint. Keine ordentlichen Angebote von der anderen Seite. Als wären die rechtsrechten Angebote welche, die man ernsthaft in Betracht ziehen sollte. Und als wäre nicht erkennbar gewesen, was die Rechtsrechten meinen und dass sie es genau so meinen – was kann man da als Wähler, als Wählerin nicht so gemeint haben?

Fast ein Drittel derer, die von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht haben, hat sich für zwei Parteien entschieden, deren Politik in nichts anderem besteht, als gegen vermeintliche Sündenböcke zu hetzen, Schuldige anzubieten für jedes Unbehagen, das den braven Österreicher flatulenzartig überfällt (die Österreicherin kommt ja in der Sprache dieser Brüder nicht vor) – die Ausländer bei uns, die Ausländer in Brüssel, das EU-Ausland rundherum –, und zu einem gewaltsamen Umgang mit eben diesen angeblichen Feinden aufzurufen: rauswerfen, abschieben, einsperren, kein Pardon, streng überwachen, kontrollieren, keine Sozialleistungen, es denen in Brüssel zeigen, sich nix gefallen lassen, auf die EU pfeifen. Das waren die Botschaften. Sind sie so schwer zu durchschauen als das, was sie sind, nämlich primitive Hetze, Scheinlösungen, Ablenkungsmanöver, Sündenbockpolitik eben?

Fast dreißig Prozent der WählerInnen haben ihre Stimme zudem zwei Parteien gegeben, deren Exponenten immer wieder durch Affären auffielen, wie man sie nicht unbedingt mit dem von ihnen beschworenen braven Bürger assoziiert – einer durch paramilitärische Spiele im Dunstkreis von Neonazis, ein anderer erst kürzlich im Zusammenhang mit einer Wirtshausprügelei (bei der ein Mann krankenhausreif geschlagen wurde) und einer ebenfalls gewalttätigen Auseinandersetzung mit einem Polizisten. Dass sich solche Leute zu Saubermännern ernennen, kann man ihnen nicht verwehren. Aber wieso wird ihnen dieses Image auch abgenommen? Oh ja, die anderen Parteien haben keine berauschende Performance geliefert, doch wählbar waren sie allemal, jedenfalls nicht weniger wählbar als die großen Gewinner. Und welche Fehler in der Migrationspolitik auch gemacht wurden und wie begründet Unzufriedenheit und Ängste bestimmter Bevölkerungsgruppen gewiss sind, nichts davon rechtfertigt die Unterstützung von Hasspredigern und Radaubrüdern.

Meine Mutter war jung in den dreißiger Jahren. Sie war arm und ohne Zukunftsperspektive. Sie hatte kaum elterliche Unterstützung, ihre Ausbildungswünsche (sie wäre gern Lehrerin geworden) waren am väterlichen Veto gescheitert, statt sich auf eine Versorgungsheirat einzulassen, lebte sie von der Hand in den Mund. In ihrer Einschätzung der politischen Lage war sie im Wesentlichen auf sich, ihre Beobachtungen und ihren Hausverstand angewiesen. Trotzdem war sie nie in Versuchung, auf den braunen Spuk hereinzufallen. Wenn später die Rede davon war, dass alles so hoffnungsvoll begonnen habe und man ja nicht wissen habe können, was die Nazis im Schilde führten, widersprach sie wütend. Natürlich sei das erkennbar gewesen, natürlich habe man gewusst, was vor sich ging, wer das leugne, lüge. Von ihr habe ich gelernt, dass persönliche Not weder blind noch blöd machen muss und dass sie keine Ausrede ist für die Preisgabe moralischer Grundsätze. Wenn die heutigen Modernisierungsverlierer, die Frustrierten, die Zu-kurz-Gekommenen (denen es wesentlich besser geht als Menschen wie meiner Mutter in den dreißiger Jahren) einschwenken auf eine politische Linie des rassistischen Um-sich-Prügelns, dann gehe ich davon aus, dass sie wissen, was sie tun.

Ja, sie dürfen wählen, wen sie wollen. Aber wir sollten uns nicht vormachen, dass sie gar nicht wirklich wollen, was diejenigen wollen, die sie gewählt haben, auch deswegen nicht, weil es arrogant wäre, Menschen, deren politische Ausrichtung uns nicht passt, zu Tschapperln zu erklären,
die bloß von den falschen Onkeln an der Hand genommen wurden.
Mit der Erkenntnis zu leben, dass dieser erneute Rechtsruck in unserer Gesellschaft, in diesem Land wahrscheinlich kein Irrtum ist, der sich demnächst wieder korrigiert, das ist erschreckend. Man könnte versucht sein zu resignieren, aber wahrscheinlich muss man trotz allem an die Chance der aufklärerischen Überzeugungsarbeit glauben, vor allem, wenn es darum geht, der Jugend Zweifel an der Coolness rassistischer und sexistischer (sowohl FPÖ wie auch BZÖ finden Frauen lediglich als Mütter förderungswürdig) rechter Konzepte zu vermitteln. Die ErstwählerInnen sind ohnehin die Einzigen, die Nachsicht verdienen: noch nicht volljährig (mit gutem Grund), beschränkt geschäftsfähig (mit gutem Grund), unter elterlicher Obsorge (mit gutem Grund), aber neuerdings wahlberechtigt – in einem Land, in dem politische Bildung ein Fremdwort ist.