Tag drei nach der Kreuzfahrtkatastrophe

Katastrophentagebuch, Teil II. Ein dunkle Höhle, überforderte Taucher, ein fataler Gruß und Pastamangel- vier Geschichten

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Der von der Insel aus betrachtet rechte Teil des Hafens von Giglio ist abgesperrt. Hier campieren Feuerwehr, Polizei, Ärzteteams und jetzt auch: Die Bergrettung. 25 Experten aus dem Veneto sind gestern, Freitag, nach Giglio gekommen, um die immer aussichtslosere Suche nach den 15 Vermissten zu unterstützen. Einer der Bergretter hat gerade seine Sechs-Stunden-Schicht beendet und erklärt die Lage an Bord. „Das Schiff hat eine Schieflage von etwa 70 Grad. Wir müssen uns deshalb in die langen dunklen Gänge abseilen und dann weiter in die einzelnen Kabinen vordringen. Die Sache ist extrem kompliziert. Sie müssen sich das wie ein dunkles, unendlich großes Labyrinth vorstellen.“ Die Arbeiten, erklärt der Mann, seien heute besonders schwer, weil es leichten Wellengang gebe. „Die Gefahr ist, dass das gestrandete Schiff abrutscht und Gänge einstürzen.“

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Rund 30 Prozent des Luxuskreuzers seien derzeit unter Wasser, erklärt ein Sprecher der Feuerwehr. Für diesen Teil des Schiffes werden Taucher eingesetzt, die nur schwer vorankommen. „Die Männer müssen sich durch unzählige Kleidungsstücke wühlen, Lampen und Möbel versperren die schmalen Gänge.“ Es ist kurz nach 12 Uhr, als er vor die Presse tritt und erklärt, dass die Rettungsarbeiten wegen des Wellengangs vorübergehend unterbrochen sind.

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Ein eleganter älterer Herr mit weißem Hemd und roter Krawatte tritt aus einem kleinen Lebensmittelgeschäft. Es heißt Giuseppe Tievoli, ist 82 Jahre alt und pensionierter Barbiere auf Giglio. Sein Sohn Antonello Tievoli arbeitete als Restaurantangestellter auf der verunglückten Costa Concordia - es heißt, dass der Kapitän des Kreuzfahrtschiffes besonders nahe an die Insel herangefahren sei, um Antonello eine Freude zu machen, der einen geplanten Landgang nicht antreten konnte.
„Am vergangenen Samstagnachmittag hat mir Antonello gesagt, dass ich um halb zehn aus dem Fenster schauen soll, weil das Schiff nahe an Giglio herankommt, ich soll ihn grüßen", sagt Vater Giuseppe, von dem nun alle wissen wollen, ob eine Extratour für seinen Sohn das Deasters ausgelöst hat: "Aber warum fragen Sie mich das, das ist doch ein alter Brauch! Für das Unglück kann er doch nichts.“

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Der Besitzer einer Osteria am Hafen freut sich über das wohl beste Wintergeschäft seines Lebens. Giglio ist im Sommer ein beliebter Stopp für Touristen, die sich die Inseln vor der Maremmaküste ansehen wollen: Monte Cristo, Elba, Giglio. „Im Winter ist Giglio ausgestorben, da leben vielleicht 300 der 1300 Bewohner hier“, erzählt er. „Im Moment sind wir aber jeden Abend völlig überfüllt: Journalisten, Polizei, Feuerwehr – Ich weiß nicht, wie lange das noch so weiter geht, wir haben kaum noch Pasta“, klagt er.
Ein Mitarbeiter kommt vorbei.
„Hast du mit der Fähre Pasta gebracht?“
„Nein, das ging nicht.“
„O Dio, bald haben wir wirklich gar nichts mehr, wir brauchen Nachschub!“


profil-Reporter Gunther Müller berichtet vom Schiffsunglück vor der toskanischen Küste
Teil I


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