Rainer Nikowitz

Schwarzmaler

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Den Innenminister riss es heute wieder einmal herum wie nicht gescheit.
Es war gerade einmal neun Uhr, und vor der Tür wartete schon der dritte Termin des Tages. In aller Früh hatte er gemeinsam mit allen Spitzenbeamten, für die Loyalität kein Fremdwort war, jene Akten zensuriert, die der schließlich doch noch mit den Stimmen aller nicht staatstragenden Parteien – also aller außer der ÖVP – eingesetzte parlamentarische Untersuchungsausschuss, der sich mit den angeblichen Verfehlungen im Innenministerium befasste, unbedingt haben wollte – ganz so, als ob ihn das irgendwas anginge.

Anschließend folgte die tägliche Durchsicht sämtlicher E-Mails der vergangenen 24 Stunden, die alle vom Standpunkt des Verfassungsschutzes aus irgendwie verdächtigen Personen – also sämtliche Spitzenpolitiker aller nicht staatstragenden Parteien – bekommen oder geschrieben hatten.
Das brauchte natürlich seine Zeit, aber immerhin war aus dieser vom Volk gemeinhin radikal unbedankten polizeilichen Knochenarbeit heute zum Beispiel die Information abgefallen, dass das Klo des Bundeskanzlers verstopft war, weil er angebrannte Knödel mit Ei darin entsorgt hatte. Umweltpolitisch natürlich eine Katastrophe, die, strategisch richtig verwertet, den Klimawandel weit in den Schatten stellen würde.

Der Innenminister seufzte parteifern. In Momenten wie diesen versuchte er sich manchmal vorzustellen, wie denn dieses Land ohne ihn oder den Finanzminister oder den Wirtschaftsminister oder erst den Klubobmann, ohne all diese prächtigen uneigennützigen Menschen, aussähe. Wer würde dafür sorgen, dass sich die Experten vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung nicht zuletzt des Gesinnungsterrors der Grünen annähmen?Wer würde die Soko SPÖ in die richtige Richtung lenken?
Natürlich niemand.

Der Innenminister hatte damals, als das Innenministerium aus rein praktischen Gründen – und, wie gerade der Finanzminister immer wieder hervorgehoben hatte, aus Gründen der Budgetschonung – gleich in die ÖVP-Zentrale verlegt worden war, die wütenden Proteste der üblichen gewaltbereiten Chaoten nur aus einem Grund nicht mit Wasserwerfern wegputzen lassen: Die vazierenden Horden versteckten sich hinter dem Bundespräsidenten, der mit ihnen protestierte. Unnötig zu erwähnen, dass die besten Ermittler des Innenministers seither nach Material suchten, mit dem man diesen gewissenlosen Staatsfeind zumindest von einer zweiten Amtszeit fernhalten konnte. Und man war auch schon fündig geworden: Angeblich hatte er bereits in seiner frühen Jugend Marx gelesen – und zwar nicht nur einmal, sondern gleich als Wiederholungstäter. Marx! Gelesen! Der Kerl war so gut wie erledigt.

Aber vorerst stand einmal eine Unterredung mit jenen Beamten, denen er die Ausarbeitung jenes Gesetzestextes, mit dem „Pietät­losigkeit“ unter Strafe gestellt werden sollte, aufgetragen hatte, auf der Tagesordnung des emsigen Innenministers. Er hatte den Entwurf schon mehrmals korrigiert und hoffte, dass er nun endlich passte. Beim ersten Mal hatte das Detail geklärt werden müssen, dass das Aufzeigen von üblen parteipolitischen Machenschaften in einem Ministerium selbstverständlich nur dann unter den neuen Straftatbestand fiel, wenn es sich um ein ÖVP-Ministerium handelte.

Und beim zweiten Mal hatte er energisch auf die eigentlich ohnehin auf der Hand liegende Klarstellung pochen müssen, dass man eine solche Pietätlosigkeit selbstverständlich auch gegen ÖVP-Minister, die noch am Leben und vielleicht sogar noch im Amt waren, begehen konnte – weil ja auch diese leider irgendwann einmal sterben müssten. „Ungerechterweise!“, hatte der Innenminister damals bei der Sitzung mit seinen braven Mitarbeitern launig angefügt – denn schließlich sollte Gott eigentlich von ihrem Parteibuch wissen. Nun ja, daran wurde aber ohnehin bereits gearbeitet. Allerdings musste missbilligend angemerkt werden, dass die katholische Kirche – so kooperativ sie sich bei der Weitergabe von für die ÖVP möglicherweise nützlichen Details aus den Beichtstühlen des Landes auch gezeigt hatte – in diesem Punkt die gewünschte Verve doch ein wenig vermissen ließ.

Verdammt, jetzt piepste auch noch sein Überwachungs-Pager. Seit das Ausspionieren von Handys so ungeheuer einfach geworden war, hatte er sich die wichtigsten gleich direkt zu sich umleiten lassen. Nummer 1407, wer war das schnell … Ah ja, dieser Pilz schon wieder. Der Innenminis­ter hielt den Atem an. Und dann hörte er das Unglaubliche: Pilz bestellte eine Pizza! Der Innenminister lächelte milde. Endlich hatten sie ihn! Der schien ja zu glauben, die Exekutive sei auf der Nudelsuppe dahergeschwommen. Was für ein ungeheuer plumper Code für einen geplanten Putschversuch! Darum konnte er sich allerdings erst später kümmern. Wie gesagt, heute riss es ihn herum wie nicht gescheit. Aber das machte dem Innenminister nichts aus. Schließlich tat er es für Österreich.