Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Without Schmid

Without Schmid

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Gerüchte machten schon die Runde, als Herbert Schmid, der Herr der wohl affinierten Käse, im Wiener Stadtgasthaus "Eisvogel“ mit seinem geruchsintensiven Boliden noch seine Runden durchs Restaurant drehte. Dass eine Verwässerung des mutigen Konzeptes - in einer Gegend wie hier, umgeben vom schlimmsten Prater-Talmi, den man sich vorstellen kann -, gehobene und gediegene Gastronomie anzubieten, drohe. Dass Schmid in seinem Bestreben, dort als Leiter des Restaurants eine Art kleines "Steirereck“ - von dort kam er ja schließlich - zu etablieren, mehrere Gänge herunterschalten habe müssen. Ich kann mir das Gesicht des Käse-Sommeliers gut vorstellen, als er - wie kolportiert wird - mit dem Eigentümerwunsch konfrontiert wurde, so etwas Lustiges wie eine Beamtenforelle auf die Karte zu schreiben. Und das Geschäft zwischen Mittag und Abend mit Instant-Torten anzukurbeln, weil eine groß aufgezogene hauseigene Patisserie doch wohl zu aufwändig sei. Gerüchte, wie gesagt, aber solche eher unfreundlichen Gerüchte können hier, auf dem berüchtigten Grete-Laska-Platz, schnell entstehen. Man muss eigentlich nur die Tür aufmachen, und schon weht der billige Geist, der in den aufgemalten Stukkaturen, den Ringelspielen, den Souvenirbuden voller Kitsch haust, von draußen herein.

Nun, Faktum ist: Herbert Schmid hat den "Eisvogel“ vor einigen Wochen tatsächlich verlassen und feierte mit dem "Steirereck“-Veteranen Helmut Österreicher im kleinen Gastro-Imperium Artner eine Wiedervereinigung. Faktum ist auch: Die Beamtenforelle steht auf der Karte - als Begleitung einer Tafelspitzsulz, gedacht vielleicht als vollendete Verdichtung der Wiener Küchenklassik nach dem Motto "Einmal Backhendl mit Rindsroulade bitte“.

Was die Torten betrifft, kann ich dazu nicht viel sagen, außer dass die hauseigene App - ja, es gibt eine "Eisvogel“-App - im Menü "Genießen“ eine hübsch geschichtete Torte zeigt. Allerdings steht dort auch, dass im "Eisvogel“ keine Fertiggerichte verwendet werden. Das wird sicher so sein.

Es ist Muttertag und schon Abend. Das Muttertags-Menü gibt’s noch immer, obwohl Mutti längst zu Hause ist, aber auf eine gefüllte Muttertags-Kalbsbrust habe ich in diesem Moment keine Lust, und die Sache mit der Beamtenforelle bringe ich auch nicht. Es geht nicht. Stattdessen: ein kleines Beef Tatar, das ich immer noch zu den besseren der Stadt zähle - sehr fein würzig abgeschmeckt, tizianrot, ohne Makel. Den Teller "Flusskrebse - Kalbslungenbraten - gefüllte Weinblätter“ verstehe ich nicht, wieder so eine unstimmige Komprimierung, und die drei Krebserln haben diese zähe Kernigkeit eingelegter Krustentiere. Da gefällt mir das solide Kalbs-Entrée (geschmort, rosa und ein bisserl Kopf dazu) mit Spargel schon besser. Und über den Maibock, butterzart mit Pilzcannelloni und einem frisch säuerlichen Salat aus Sprossen und Rotkraut, sudere ich auch nicht.

Der "Eisvogel“ bleibt also eine Adresse für einigermaßen gepflegtes Essen an einem Sonntagabend, in einer Stadt, die zu dieser Zeit fast alle Rolläden herunter gelassen hat.

Makel 1:
Man muss noch immer den Platz queren, um dort hinzugelangen.

Makel 2:
Der Mann, der hier ein satisfaktionsfähiges Restaurant aufgebaut hat, fehlt doch irgendwie. Wenn da jetzt irgendwer mit dem Käsewagen herumkurvt, fällt mir der Begriff "unbefugte Inbetriebnahme“ ein.

Stadtgasthaus "Eisvogel“
Riesenradplatz 5, 1020 Wien
Tel.: 01/908 11 87
www.stadtgasthaus-eisvogel.at

Hauptgerichte: 19,90 bis 28,50

[email protected]