„Ich war ihm bis 2006 hörig“

Susanne P.: „Ich war ihm bis 2006 hörig“

Kirche. Das mutmaßliche Missbrauchsopfer des Salzburger Dompredigers über „frei­willige“ Beziehungen

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Schon im Vorfeld der profil-Berichterstattung zur Missbrauchs-Causa rund um den Salzburger Domprediger Peter Hofer war es vorvergangene Woche in der Salzburger Erzdiözese zu Turbulenzen gekommen. Alarmiert von profil-Recherchen, entschied man sich zur Flucht nach vorne in den „Salzburger Nachrichten“. Dort erschien in der Freitagsausgabe eine Geschichte, dass der Domprediger seit Jahren mit nicht nachvollziehbaren Missbrauchsanschuldigungen verfolgt werde, obwohl die Staatsanwaltschaft die Sache schon zweimal eingestellt habe. Bei seiner Sonntagspredigt holte sich Hofer den Segen seines Kirchenvolks: Ihm täte es leid, sollte sich jemand von ihm gekränkt fühlen. Als profil am Montag mit der Geschichte über den angeblich hundertfachen sexuellen Missbrauch einer Ministrantin erschien, gab es in der Salzburger Diözese intensive Gespräche. Wenn es in der Sache ein Opfer gebe, dann sei es Domprediger Peter Hofer, der von den Medien und einer offenbar kranken Frau mit „nicht nachvollziehbaren Anschuldigungen vorverurteilt“ werde.

Diese Opfer-Strategie war nicht lange zu halten, vor allem deshalb nicht, weil profil Hofer Donnerstagnachmittag mit neuen Vorwürfen konfrontierte. Befragt zum Gerücht, er unterhalte seit vielen Jahren eine Beziehung zu einer weiteren Frau (Name der Redaktion bekannt), erklärt der Domprediger, die genannte Familie seit Langem zu kennen. Zur Frage der Beziehung sage er nichts. Zudem läuft unter der Aktenzahl 20 UT 93/10s bei der Staatsanwaltschaft Salzburg ein Verfahren gegen unbekannte Täter, eingebracht von Susanne P. Der Inhalt: Zahlreiche Stalking-Anrufe hätten sie geängstigt. Susanne P. verdächtigt Peter Hofer, der Anrufer zu sein. Peter Hofer dementiert gegenüber profil, Frau P. je angerufen zu haben. Wenige Stunden später, am Donnerstagabend, erklärte er dann seinen Rückzug. Seine Ämter ruhen, die Erzdiözese stellte ihn dienstfrei, Gottesdienste im Salzburger Dom wird er nicht mehr halten. Die Begründung: „Aufgrund glaubwürdiger neuer Informationen, die das Ordinariat Donnerstagabend erhielt, sieht sich die Erzdiözese gezwungen zu handeln.“ Frau P. ist „erleichtert“.

profil:
Domprediger Peter Hofer erklärt gegenüber Medien, zwischen Ihnen beiden hätte es eine freiwillige Beziehung gegeben, schließlich hätten Sie noch Jahre danach Kontakt zu ihm gepflegt.
Susanne P.: Dr. Peter Hofer verbreitet Unwahrheiten. Er war es, der sich immer wieder gemeldet hat. Wohl, um Kontrolle über mich zu behalten. Er hat sich bei meiner Hochzeit und bei der Taufe meiner Kinder aufgedrängt, sodass bei meiner Hochzeit plötzlich ungebeten drei Priester anwesend waren. Heute weiß ich, dass ich ihm bis 2006 hörig war.

profil:
Herr Hofer hat Ihnen 2008 über seinen Anwalt 5000 Euro angeboten. Schweigegeld?
Susanne P.: Ich hätte unterschreiben müssen, dass es kein Missbrauch war und dass keine ekeligen Dinge passiert sind. Als ich nicht darauf einging, bot er später 10.000.

profil: Er hat gesagt, also gut, ich verdopple?
Susanne P.: Ja, so habe ich es verstanden. Aber ich konnte das nicht unterschreiben.

profil: Wie geht es Ihnen, seit Sie mit Ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen sind?
Susanne P.: Erleichterung ist das keine bei den Lügen, die jetzt über mich verbreitet werden. Ich kann überhaupt nicht mehr schlafen.

profil: Welche Lügen?
Susanne P.: Zum Beispiel, dass Peter Hofer jetzt behauptet, er kämpfe seit zwei Jahren gegen meine falschen Behauptungen. Wahr ist, dass ich seit 2006 für mein Recht kämpfe. Ich habe es mit verschiedenen Varianten versucht. Zuerst habe ich es mit ihm allein probiert, aber er meinte nur, wenn ich jetzt noch einen Schritt weiter gehe, dann zerstöre ich sein Leben.

profil:
Heute sagt Hofer, es sei eine schöne Beziehung gewesen, nie habe es Gewalt gegeben. Bedauerlicherweise hätten Sie durch Ihre Krebserkrankung eine Wesensveränderung durchgemacht und erzählten jetzt Unwahrheiten.
Susanne P.: Er widerspricht sich oft selbst. Zu Professor Max Friedrich hat er gesagt, er kenne Sex nur aus der Literatur. Dann hat er gesagt, er habe ein einziges Mal etwas gehabt mit mir, da sei das Kondom gerissen. Diesen Vorfall gab es tatsächlich. Dann hat Herr Hofer behauptet, es sei nur dreimal passiert. Es wird ja auch gesagt, dass er nach wie vor eine Freundin hat.

profil:
Er hat nach wie vor eine Freundin?
Susanne P.: Ja, die gab es schon damals. Man sieht sie immer wieder gemeinsam.

profil: Kennen Sie die Frau?
Susanne P.: Ja.

profil: Wie heißt sie?
Susanne P.: Das möchte ich nicht sagen.

profil: Wie hat Herr Hofer genau reagiert, als Sie ihn zur Rede stellten?
Susanne P.: Er hat schriftlich reagiert, alles abgestritten oder beschönigt und gemeint, wenn ich mich jetzt etwa an die Ombudsstelle in Salzburg wende, mache ich sein Leben kaputt. Weil die Kirche sein Leben ist.

profil:
Haben Sie sich bedroht gefühlt?
Susanne P.: In gewisser Weise schon. Ich wollte eigentlich nur, dass er etwas sagt wie, es täte ihm leid. Ich wollte keine Forderungen stellen oder zu Gericht gehen. Aber es kamen nur Beschönigungen. Dann habe ich Prälat Reissmeier in der Diözese Salzburg kontaktiert. Der hat zunächst ganz anders geredet als jetzt in den Medien. Er hat im Dezember 2006 gesagt, er glaubt mir, er redet mit Bischof Kothgasser, und ich werde eine Entschädigung bekommen. Dann war Funkstille. Später hat er gesagt, er kann nichts machen.

profil:
Sind Sie eigentlich Mitglied der katholischen Kirche?
Susanne P.: Nein. Ich bin ausgetreten, nachdem ich bei Prälat Reissmeier war, er nichts für mich tun konnte, mir danach aber die Zahlungsaufforderung für die Kirchensteuer zugestellt wurde.

profil: Zurück zu den von Ihnen geschilderten Vergewaltigungen: Hat Herr Hofer wirklich nie etwas dazu gesagt, ist nie dar­über geredet worden?
Susanne P.:
Nein. Nie. Das Einzige war, dass er mich öfter am Arm gepackt und gesagt hat: Du bist ein guter Mensch. Und er hat oft indirekt nachgefühlt, ob ich nicht doch meiner Großmutter etwas verraten habe. Da sagte er: Deine Oma hat heute so böse geschaut, was ist los? Sie müssen sich vorstellen, ich war 16, er 20 Jahre älter. Ich bin bei meinen extrem katholischen Großeltern aufgewachsen, hatte nie Unterstützung oder gar Aufklärung. Nie hätte ich den Mut gehabt, meine Großeltern zu informieren. Die hätten mich totgeschlagen. Meine Oma ist oft dreimal täglich in die Kirche gegangen.

profil:
Hat Herr Hofer von Ihnen dezidiert verlangt zu schweigen?
Susanne P.: Nein. Es war eine Art unausgesprochene Abmachung. Einmal habe ich es einer Freundin erzählt. Die war sehr aufgebracht und meinte, ich solle das sofort anzeigen. Doch ich hatte panische Angst.

profil:
Sie haben aber eine Anzeige gegen unbekannte Täter eingebracht, weil Sie mit Stalking-Anrufen belästigt wurden. Sind Sie sicher, dass es Hofer war?
Susanne P.: Nachdem ich ihn mit der Sache konfrontiert hatte, kamen in zwei Wellen etwa 50 Anrufe. Es wurde nichts gesprochen, einmal wurde mir Beethovens 9. Symphonie auf den Anrufbeantworter gespielt. Die hat er immer gehört, wenn er in düsterer Stimmung war. Und er hat oft gesagt, dass er sie bei seinem Begräbnis gespielt haben möchte. Anfangs rief der Täter von einem Handy an. Als wir vom Handy meines Sohnes zurückriefen, hat Hofer abgehoben. Erst die zweite Anrufwelle habe ich dann zur Anzeige gebracht.

profil:
Ist es richtig, dass Sie das auch dem Psychiater Max Friedrich erzählt haben, Friedrich Herrn Hofer aufgefordert hat, die Anrufe einzustellen, was dann auch passiert ist?
Susanne P.: Ja, genau. Es gab ja mehrere Gespräche mit Prof. Friedrich.

profil:
Was haben Sie sich gedacht, als die „Salzburger Nachrichten“ vergangene Woche berichteten, dass Domprediger Hofer darunter leide, mit ungerechtfertigten Missbrauchsvorwürfen verfolgt zu werden?
Susanne P.: Ich war erschüttert. Herr Hofer tut jetzt so, als wäre ich durch meine Erkrankung verrückt geworden. Ich bin ja schon jahrelang in Therapie. Als mir das ­alles hochgekommen ist, dachte ich ja wirklich, dass ich verrückt bin. Aber ich habe ­einen klaren Verstand und weiß genau, was war. Und er weiß es auch.

profil:
Was sagen Sie zum Rückzug von Domprediger Hofer?
Susanne P.: Wenn es stimmt, dass er zurückgetreten ist, dann bin ich schon etwas erleichtert.