Durchschuss auf Position 32

UN-Mission auf dem Golan: Durchschuss auf Position 32

Syrien. Die Lage der österreichischen Soldaten auf dem Golan ist weitaus dramatischer, als offiziell eingestanden wird

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„Es ist ein Wunder, dass es nicht andauernd Schwerverwundete gibt – oder gar Tote.“ Der Mann, der das per E-Mail gegenüber profil zu Protokoll gibt, möchte anonym bleiben. Nur so viel: Es handelt sich um einen UN-Mitarbeiter, der bestens mit der Lage des österreichischen Blauhelm-Kontingents auf dem Golan vertraut ist.

profil hatte vergangene Woche berichtet, wie die dort stationierten Soldaten der Undof (United Nations Disengagement Observer Force) immer mehr zwischen die Fronten des Syrischen Bürgerkrieges geraten. „Österreich leistet seinen Beitrag, aber nicht um jeden Preis“, wurde der neue Verteidigungsminister Gerald Klug darin zitiert.

Wie hoch der Preis jetzt schon ist, verdeutlicht eine Vielzahl von Reaktionen, die seither in der Redaktion einlangten. Aus Mails, Anrufen und Gesprächen ergibt sich ein weitaus ernsteres Bild als jenes, das offiziell gezeichnet wird.

Ban Ki-moon: „Intensive Zusammenstöße“
Das österreichische Kontingent der Undof ist für die Überwachung des nördlichen Teils der entmilitarisierten Zone auf dem Golan verantwortlich, die seit 37 Jahren syrische und israelische Streitkräfte voneinander trennt. Innerhalb der sogenannten „Area of Separation“ (AOS) dürften sich, abgesehen von Polizeikräften, eigentlich keinerlei bewaffnete Gruppen aufhalten. Tatsächlich kommt es dort immer wieder zu brutalen Kämpfen zwischen der syrischen Armee und Aufständischen.

Ein Bericht von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon spricht von „intensiven Zusammenstößen“ etwa im Gebiet der Ortschaften Jabata und Ufaniyah, die beide im österreichischen Sektor liegen. Dabei seien „Artillerie, Granatwerfer, Kampfpanzer, Maschinengewehre und Flugabwehrkanonen“ zum Einsatz gekommen.

Anfang März wurden etwa während einer Offensive an einem einzigen Tag allein im Abschnitt der 3. Kompanie – einer Fläche, die ungefähr den Bezirken innerhalb des Wiener Gürtels entspricht – zwischen 1000 und 1300 Einschläge von Granaten oder großkalibrigen Waffen gezählt: manche davon in unmittelbarer Nähe von sogenannten Positions, also Beobachtungsposten oder Stützpunkten der Undof. Bei einem derartigen Zwischenfall erlitten zwei Soldaten aus Österreich kürzlich ein Knalltrauma: „Die beiden hatten unglaubliches Glück. Kurz vor dem Einschlag sind sie noch vor dem Gebäude gestanden und haben geraucht“, so ein UN-Mitarbeiter.

Besonders gefährdet sind Posten wie die Position 32, die in unmittelbarer Nähe von Siedlungen oder Ortschaften liegen. Aber nicht nur diese.

„Wir haben hier längst nicht mehr das Sagen"
Die Kampfhandlungen richten sich zwar nicht gegen die UN-Truppen, die jedoch unweigerlich zwischen die Fronten geraten. Ihr Mandat können die Blauhelme inzwischen kaum mehr erfüllen: „Wir haben hier längst nicht mehr das Sagen. Die Assad-Truppen diktieren, was wir machen dürfen. Wenn es ihnen nicht passt, lassen sie uns an Straßensperren einfach nicht durch“, heißt es in einer Mail an profil. Zeitweise sei es aufgrund der Sicherheitslage tagelang unmöglich, Treibstoff, Wasser und Nahrung anzuliefern.

Für besonderen Ärger unter den Soldaten sorgt, dass fast ein Dutzend SISU-Radpanzer, die aus Sicherheitsgründen dringend gebraucht würden, seit Wochen unbenutzt in Camp Ziouani, dem Stützpunkt des Logistik-Bataillons, herumstehen: In der Truppe geht das Gerücht um, einige der Fahrzeuge seien von den UN verkauft worden, bereits zum Abtransport vorbereitet und deshalb nicht einsetzbar.

Nach profil-Recherchen sind die meisten allerdings schlicht defekt. Das von einem indischen General geführte Undof-Kommando habe bislang nichts unternommen, um die Fahrzeuge wieder in Dienst zu stellen oder zu reparieren, kritisiert ein UN-Mitarbeiter jedenfalls. Im vergangenen November waren bei einem Überfall auf einen Konvoi mit ungepanzerten Reisebussen auf dem Weg zum Flughafen von Damaskus vier Österreicher zum Teil schwer verletzt worden.

Hervé Ladsous, UN-Untergeneralsekretär für Friedensmissionen, beruhigt im Interview mit profil: Es seien bereits neue, zusätzliche Panzerfahrzeuge unterwegs auf den Golan. Generell will aber auch er keine Entwarnung geben – vieles, was auf dem Golan vor sich geht, ist seinen Worten zufolge „äußerst besorgniserregend“.

+++ Lesen Sie hier: UN-Untergeneralsekretär Hervé Ladsous über die prekäre Lage der Blauhelme auf dem Golan +++