Das Programm der Wiener Festwochen

Theater: Wirklichkeitsgehalt: hoch

Stefanie Carp ist die neue Schauspieldirektorin

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Stefanie Carp hat Haltung. Gemeinsam mit Regisseur Christoph Marthaler hat sie vier Jahre lang das Zürcher Schauspielhaus geleitet. Das rebellische Programm provozierte und vollbrachte das größte Theaterwunder der letzten Jahre: Tausende Menschen gingen auf die Straße, um für das Schauspielhaus, gegen Subventionskürzungen und gegen den Rausschmiss von Marthaler zu demonstrieren. „Die Schweiz ist eine Wirtschaftsdiktatur“, urteilt Carp entschieden. „Zensur wird durch das Abdrehen des Geldhahns ausgeübt.“

Doch eigentlich will die neue Schauspielchefin der Festwochen gar nicht über Zürich sprechen. Oder über ihre Arbeit mit Marthaler Auskunft erteilen. Sie will auch nicht fotografiert werden. „Stefanie Carp gehört in der deutschen Theaterlandschaft nicht zu den bequemen Personen“, macht sich ihr Chef Luc Bondy nichts vor. Obwohl die studierte Germanistin erst seit einem halben Jahr im Amt ist, haben sich die beiden schon ein paar Mal gekracht. Aber Bondy weiß, dass es Carp nicht um Allüre geht: Wenn die Festwochen 2005 vom 7. Mai bis 19. Juni 37 Produktionen zeigen, führen sie ihr wohl konsequentestes Programm der letzten Jahre vor.

Im Südbahnhof fragt sich Johan Simons mit dem Stück „Fort Europa“, ob der Westen eine arrogante Kultur ist, Christoph Marthaler zeigt den Schrecken der Euthanasie, Alvis Hermanis hat alte Menschen in ihren Wohnungen beobachtet: „Es gibt viele Projekte, theatrale Recherche und Uraufführungen, einige Inszenierungen entstehen in Wien“, bündelt Carp ihre Vorhaben und gibt das Thema vor: „Während nationale Grenzen verschwinden, werden neue Grenzen scharf gezogen: vor allem zwischen Arm und Reich.“ Asyl, Emigration, Außenseitertum stehen im Arbeitskatalog, kurz: Der Wirklichkeitsgehalt der Festwochen 2005 ist hoch.

Carp steht dem Festival nur ein Jahr als Schauspielchefin vor: 2006 kommt Marie Zimmermann zurück, die sich für ein Jahr beurlauben ließ. Was Carp bis dahin erreichen will? Künstlerische Qualität und kontroverse Reaktionen: „Wenn etwas Qualität hat, findet es auch sein Publikum“, lautet die Maxime.
Infos: www.festwochen.at