Verkehrsdelikte

Menschen des Jahres. David Petraeus, oder eine schmerzhafte Soldatenlehre

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„All in“ – was für ein Titel für eine Biografie: so knapp und doch so vielsagend! „All in“ bedeutet zunächst einmal „alles inbegriffen“. Oder „voll dahinter“, im Sinne von engagiert. ­Umgangssprachlich kann es auch „total erschöpft“ heißen. Zudem bietet sich eine zotige Lesart an, weil das Buch inzwischen auch und vor allem mit Geschlechtsverkehr in Verbindung gebracht wird.

„All in. The Education of David Petraeus“, erschienen im Jänner 2012, war als eine Art großer publizistischer Zapfenstreich für einen Mann gedacht, der auf dem Höhepunkt einer stolzen militärischen Laufbahn stand und gleichzeitig, mit 60 Jahren, am Anfang einer möglicherweise noch viel stolzeren ­politischen Karriere. Es kam ganz anders: Die 400-Seiten-Hagiografie beendete Letztere, bevor sie so richtig begonnen hatte, und ließ den Glanz Ersterer zumindest ­dramatisch verblassen.
David Petraeus: Das war ein Soldat, der sein Handwerk nicht nur von der Pike auf gelernt, sondern auch intellektuell reflektiert hatte – ­zudem über einen politischen Riecher verfügte und ein Talent für den ­Umgang mit Medien.

Vom einfachen Infanteristen zum Viersternegeneral aufgestiegen, Autor eines Standardwerks zur Aufstandsbekämpfung, Ober­befehlshaber der internationalen Streitkräfte in Afgha­nistan: Einflussreiche Repub­likaner hätten Petrae­us 2012 gern als Präsidentschaftskandidaten gesehen. Er machte wie immer alles richtig – und sagte ab. Wenig später wurde er von Barack Obama, dem er als Herausforderer durchaus gefährlich hätte werden können, zum Chef des US-Geheimdienstes CIA ernannt. Als solcher wird man in den USA schnell einmal Verteidigungsminister.
Eigentlich schien es Pe­traeus nur an einer Fähigkeit zu mangeln: Fehler zu machen. Aber selbst das holte er nicht nur in Windeseile nach, sondern entwickelte es auch zur Perfektion. Sonst hätte er sich wohl kaum außerdienstlich mit seiner Biografin eingelassen und gleichzeitig auch ­einer weiteren Militärmuse schöne Augen gemacht. All in sozusagen.
Der Rest ist rasch erzählt: Eifersüchteleien, E-Mails, Ermittlungen und Enttarnung. Das konnte in den moralverliebten Vereinigten Staaten natürlich nur eines heißen: Rücktritt aus allen öffentlichen Funktionen. Seither ­haben die USA einen Helden weniger, die Taliban etwas zu lachen, die langjährige Ehefrau von Petraeus einen mordsmäßigen Zorn und er selbst zumindest schon einmal eine Idee, wie der Titel des zweiten Teils seiner ­Biografie lauten könnte: „All over“.