Wenn Journalismus Literatur ist

Tramontana: Texte aus dreißig Jahren profan

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Die letzten Worte, die uns von Reinhard Tramontana überliefert sind, waren an seine Frau gerichtet und an seine Leser. Er werde in dieser Woche wohl keine Kolumne schreiben können, sagte er an jenem Abend im Oktober, er fühle sich schlecht. Das sollte seine Dorothea der profil-Redaktion mitteilen. Ein paar Stunden später war „Tram“ tot.

Dass Tramontana sein wöchentliches „profan“ im Nachrichtenmagazin profil oder seine „trendstation“ im monatlich erscheinenden „trend“ nicht abliefern konnte, war so außergewöhnlich wie sein Tod selbst. Es kam schlicht nie vor, der Ausfall war keine denkbare Option. Die Regelmäßigkeit seiner Texte war der Herzschlag seines Lebens, dieser Rhythmus pulsierte durch die beiden großen österreichischen Magazine, und bisweilen meinte man zu spüren, dass sie dem Land einen Takt aufzwingen konnten.

Mit dieser unbeugsamen Regelmäßigkeit schrieb Tramontana in drei Jahrzehnten rund 2000 Kolumnen. Aber kaum jemand in den Redaktionen hat in dieser Zeit auch nur annähernd 2000 Worte mit dem Kollegen gewechselt. Er war ein meist schweigender Zuhörer, der seine gesamte Kraft auf den Inhalt und die Sprachformeln seiner Texte zu konzentrieren schien. Er wollte seine Gedanken nicht halb fertig und womöglich mit mangelnder Präzision im Ausdruck am Alltag verschwenden.

Seine Präzision machte Tramontana zum Schriftsteller, der sich über den bloßen Berichterstatter des möglicherweise Geschehenen hinaushob, was ihn auf Augenhöhe mit Nestroy, Polgar, Kuh, Kraus und Qualtinger brachte. Wie nur ganz wenigen Schreibern im deutschen Sprachraum ist es ihm so gelungen, den Unterschied zwischen Journalismus und Literatur aufzuheben. Tramontanas Texte sind in Perfektion konstruiert. Die Handlungen stimmen. Was er schreibt, hat anhaltende Bedeutung.

Wir haben aus den 2000 Kolumnen seines Lebens einige ausgesucht, die Reinhard Tramontana gerecht werden.

Christian Rainer
Herausgeber & Chefredakteur profil/trend

Die ausgewählten Kolumnen Reinhard Tramontanas finden Sie als Beilage zum aktuellen profil