Topf und Deckel

Wie das Promi-Pärchen Monika Lindner & Günter Lebisch Geschäfte machte

Affäre. Wie das Promi-Pärchen Lindner & Lebisch Geschäfte machte

Drucken

Schriftgröße

Sitzfleisch hat sie. Während die anderen 182 Abgeordneten vergangenen Dienstag bei der Angelobung des Nationalrats schon durch den Saal flanierten oder draußen in den Couloirs Wurstsemmeln und Apfelsaft kauften, saß Monika Lindner wie angenagelt in ihrem Sitz in der letzte Reihe - und das nicht grundlos: Eineinhalb Meter hinter ihr, aber getrennt durch die Glastür des Sitzungssaals, balgten sich Fotografen und Kameraleute um die besten Plätze, sollte die ehemalige ORF-Generaldirektorin doch einmal hinauskommen. Denn da gab es an diesem Dienstag einiges zu fragen - etwa über die St. Anna Kinderkrebsforschung, an der ihr Lebensgefährte, der Grafiker und Werbemann Günter Lebisch, gut verdient haben soll, während sie im Vorstand saß.

Kongeniale Kooperation
Die schönen Tage sind vorbei: Seit sich Monika Lindner entschloss, ihr einsatzlos errungenes Mandat anzunehmen, poppen an allen Ecken und Enden Verdachtsmomente hinsichtlich fragwürdiger Geschäfte auf. Lindner selbst halte das für eine ruchlose politische Kampagne, erzählen Menschen, die in den vergangenen Tagen mit ihr zu tun hatten. In Wahrheit ist einfach das Fass voll: Jetzt werden Dinge erzählt, die schon längst hätten erzählt werden müssen. Und immer geht es um die kongeniale Kooperation zwischen Monika Lindner und Günter Lebisch.

Ihre Bekanntschaft dürfte bis in die Mitte der 1980er-Jahre zurückreichen. Der ORF schaltete damals Werbespots der Aktion "Kinderhilfe“ mit dem bis heute geläufigen Symbol eines Marienkäfers, entworfen von der Agentur Lebischs. Lindner war beim ORF für diese Schaltung zuständig. 1995 machte der damalige Generalintendant Gerhard Zeiler die rührige Mitarbeiterin zur Sendungsverantwortlichen des von ihm erfundenen Vorabend-Knüllers "Willkommen Österreich“. Wie bei anderen massenwirksamen Sendungen wurde ein Club "Willkommen Österreich“ gegründet, um einen direkten Kontakt zwischen den Zuschauern und dem ORF herzustellen. Von 1996 bis 1998 erschien auch die Clubzeitung "Willkommen Österreich“, hergestellt von Lebischs Agentur. Mitarbeitern des ORF erschienen schon damals die Kosten für das Blatt hoch. 1998 lächelte Monika Lindner vom Titelblatt einer Ausgabe.

Als Chefin von "Willkommen Österreich“ führte Lindner bisweilen ein Schreckensregime. Der Moderator Dieter Chmelar erinnert sich an einen bezeichnenden Vorfall. Während einer laufenden Sendung - es wurde soeben ein Bildbeitrag eingespielt - näherte sich die Chefin von hinten der Couch, auf der Chmelar saß, packte ihn beim Ohr und zog den 1,95 Meter großen Moderator durch das Studio. Sie beschuldigte ihn lauthals, er habe das vorhergehende Gespräch mit einem Studiogast nicht so geführt, wie sie es zuvor ausgemacht hatte. Chmelar: "Es war demütigend, aber ich konnte mich nicht wehren. Hätte ich das getan, wäre ich hinausgeflogen und nicht sie. Ich war einfach feig.“

1998 holte Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) Lindner als ORF-Landesdirektorin nach Niederösterreich. In dem in Kürze im Haymon-Verlag erscheinenden Buch "Tirol lebendig erinnert - Zeitzeugen im Gespräch“ gibt die in Innsbruck aufgewachsene Lindner Erinnerungen an die Arbeit in Niederösterreich zum Besten. So habe es schon bald Stunk mit dem Landesfürsten gegeben: Ein ORF-Interview mit Prölls "Intimfeind“, dem damaligen Innenminister Karl Schlögl (SPÖ), habe für eine "Eiszeit“ zwischen ihr und Pröll gesorgt. Bei einer Aussprache unter vier Augen habe sie versucht, "dem Landeshauptmann klarzumachen, dass ich die Flugrichtung des Heiligen Geistes in Niederösterreich schon kenne“, sie aber zu objektiver Berichterstattung verpflichtet sei: "Seit damals habe ich keine Probleme mehr gehabt.“

Monika Linder als kühne Verteidigerin der journalistischen Freiheit, die Erwin Pröll so standhaft die Stirn bietet, dass dieser kleinlaut beigibt? Das wirkt nun doch ein wenig überraschend.

Freund Lebisch kam auch in Lindners Niederösterreich-Jahren zum Zug. Zeitgenossen erinnern sich an die Aktion "Weiße Engel“, bei der Mitarbeiter des Kuratoriums für Verkehrssicherheit 1999 Aufkleber und Broschüren mit dem Lebisch-Slogan "Abstand halten. Rechts halten. Hirn einschalten!“ verteilten. Auftraggeber waren der ORF Niederösterreich und die Landesregierung. Zudem soll der Werber einen Spot für Führerscheinneulinge und einen TV-Spendenaufruf für das Stift Herzogenburg produziert haben. Lindner hatte einem ORF-Kollegen das Erfolgsrezept für eine Karriere in Niederösterreich so umschrieben: Man müsse sich nur mit Erwin Pröll, den Klöstern und einigen Adeligen gutstellen.

2002 machte die schwarz-blaue Koalition Lindner zur Generaldirektorin des gesamten ORF.

Bald nach Amtsantritt nahm sich die neue Chefin die Art-Direktion des Hauses vor. Blitzartig wurde die Abteilung Printgrafik aufgelöst - fünf Mitarbeiter verloren ihren Job. Lindner empfahl, die Agentur Günter Lebischs mit diesen Aufgaben zu betrauen. Lebisch stellte sich den Mitarbeitern der ORF-Grafikabteilung freundlich vor und bastelte dann - nach Erinnerung von ehemaligen Mitarbeitern - eher konzeptlos an Logos, Briefpapier und anderen Drucksorten. Die roten und grünen Logo-Ziegel, in denen ORF eins und ORF zwei stand, waren fürderhin grau. Das Honorar dafür soll beträchtlich gewesen sein, berichten Insider. Der eigentliche Art-Direktor Gustav Lohrmann war dienstrechtlich direkt der Generalintendantin unterstellt und musste die von oben kommenden Anweisungen zugunsten Lebischs ausführen. Rechnungen des Werbers sah er nie. Sie wurden offenbar an höherer Stelle beglichen.

Ähnlich wie Lohrmann erging es auch dem damaligen Marketing-Chef Thomas Prantner. Er musste ebenfalls auf Weisung von Lindner die Agentur von Lebisch beschäftigen. Prantner, heute stellvertretender ORF-Direktor für Technik, wollte sich gegenüber profil nur in Form eines schriftlichen Statements an die damaligen Vorgänge erinnern: "Markenführung war Chefsache, und so war es nicht ungewöhnlich, dass auf Wunsch von Generaldirektorin Lindner die Agentur Lebisch bei den meisten Kampagnen eingesetzt wurde. Dies war eine klare Entscheidung und Vorgabe von Frau Dr. Lindner, die von allen akzeptiert wurde.“ Die Zusammenarbeit mit Lebisch sei friktionsfrei und professionell verlaufen. Ob die Honorare angemessen waren, könne er nicht beurteilen, da er dafür nicht zuständig war, so Prantner.

Vor der Bestellung Lindners zur ORF-Chefin machte 2001 auf dem Küniglberg ein anonymes Schreiben über die ORF-Niederösterreich-Aufträge an Lebisch die Runde. Man munkelte über ein mögliches Naheverhältnis zwischen der Generaldirektorin und dem Werber. Doch Lindner war damals mit dem ehemaligen TV-Starregisseur Otto Anton Eder (er starb 2004) verheiratet. Beim Opernball trat sie stets im Gefolge Erwin Prölls auf.

Kurz vor der Abwahl Lindners als Generaldirektorin im Sommer 2006 veröffentlichte der "Standard“ eine von Lebischs Honorarnoten. Erstmals wurde nun öffentlich über 1,7 Millionen Euro diskutiert, die der ORF dem Lindner-Vertrauten für einen Relaunch und Werbekampagnen bezahlt haben soll. Lebisch redete seine ORF-Einnahmen stets klein: "Es war jedenfalls nichts, von dem man sagen könnte, davon lebe ich in Saus und Braus und kauf’ mir nächstes Jahr einen Maserati. Sicher nicht“, sagte er 2007 in einem Interview.

Ihr unfreiwilliger Abgang als ORF-Generaldirektorin 2006 ärgert die neu im Parlament vertretene Abgeordnete offenbar bis heute: "Wolfgang Schüssel und Willi Molterer haben es verbockt“, wird sie in dem demnächst erscheinenden Buch zitiert. Ohne den damaligen Fernsehchef Werner Mück, dem sie unterstellt, er habe die Befehle aus der ÖVP-Parteizentrale umgesetzt, hätte sie die Wiederwahl locker geschafft, meint Lindner: "Ich habe immer gesagt, wir müssen auf den Mück verzichten. Und wie sie (Schüssel und Molterer, Anm.) kapiert haben, dass es wirklich am Mück liegt, war es zu spät.“ Tatsächlich hatte Lindner Mück stets gedeckt und ihn erst fallen gelassen, als sie erkannte, dass sie nur noch so ihr Amt retten konnte.

Nach ihrem Ausscheiden aus dem ORF 2006 wurde Lindner Geschäftsführerin des von Raiffeisen übernommenen Plakatunternehmens Epamedia. Dort fiel sie durch extravagante Wünsche ans Personal auf. Vor Interviewterminen wurde eigens eine Maskenbildnerin engagiert. "Sie hat uns wie Dienstboten behandelt“, erinnert sich eine Mitarbeiterin. "Manchmal wurden wir schon angeflegelt, weil ihr unser Outfit nicht gefiel.“

Auch bei Epamedia trat das Pärchen Lindner-Lebisch bald im Tandem auf. Auf Plakatflächen, die Epamedia nicht verkaufen konnte, wurde Eigenwerbung platziert, die von Lebischs Agentur entworfen wurde. Das sorgte für Missstimmung bei sozialen Organisationen, denen üblicherweise unverkaufte Plakatflächen gratis zur Verfügung gestellt werden. In der Werbebranche schmunzelte man über die Aktion: "Im ganzen Land waren plötzlich gelbe Eigenwerbungsplakate zu sehen, und alle wussten, dass Epamedia zu wenig Flächen verkauft hat“, spottet ein Konkurrent.

Schlechtes Gewissen plagte Lindner offenbar nie. Auf der Website von Epamedia posierte sie 2011 gemeinsam mit Lebisch für eine neue Kampagne für das Plakatunternehmen, das später an eine slowakische Werbefirma verkauft wurde. Über die Höhe der Honorare an den Werber wissen Epamedia-Mitarbeiter nur so viel: "Sie lagen über dem sonst üblichen Niveau.“

Durch Zufall wurde man vergangene Woche in der St. Anna Kinderkrebsforschung auf die Liaison zwischen Lindner und Lebisch aufmerksam. Das Boulevardblatt "Heute“ hatte die eben entstehende Villa der beiden in Wien Penzing abgebildet. Der Vorstand, dem Lindner seit den 1980er-Jahren angehörte, hatte angeblich keine Ahnung von der privaten Verbindung. Seit 2006 versorgte Lindner ihren Freund mit lukrativen Werbejobs und teuren Druckaufträgen für die Kinderkrebsforschung, enthüllte die Wiener Stadtzeitung "Falter“. Lindners Stiefsohn, ein Kameramann, soll für einen Dreh am Krankenbett eines Kindes 3500 Euro für einen Halbtag kassiert haben.

Ihr Ehrenamt in der Kinderkrebsforschung ist Lindner jedenfalls los. Sie bestreitet alle Vorwürfe eisern: "Ich bin von den jüngsten Meldungen zutiefst betroffen und bestürzt. Mit Günter Lebisch verbindet mich eine berufliche und persönliche Freundschaft, die sich über die Jahre und durch die gemeinsame Arbeit für das Forschungsinstitut entwickelt hat. Dies war dem Vorstand des Vereins bekannt“, so Lindner in einer Aussendung. Sie beteuert, mit der finanziellen Gebarung und Abwicklung nichts zu tun gehabt zu haben.

Verloren hat sie inzwischen auch ihre Vizepräsidentschaft beim Roten Kreuz. Präsident Gerald Schöpfer ließ zwar wissen, Lindner sei dort "stets sauber geblieben“, die Organisation werde aber im Mai 2014 einen neuen Vorstand wählen.

Lebischs Agentur hatte auch beim Rettungsdienst die Finger im Spiel: Sie betreute 2006 eine Erste-Hilfe-Kampagne. Bezahlt hat diese nicht das Rote Kreuz, sondern der ORF, der die Honorare nun prüft. Auch ihren Sitz im Verwaltungsrat des Rudolfinerhauses versuchte Lindner für ihren Lebenspartner zu nutzen - jedoch ohne Erfolg. Ein Auftrag für ein neues Corporate Design im Wert von 100.000 Euro wurde im letzten Moment verhindert.

Lindners Präsidentschaft beim ÖVP-nahen Hilfswerk Austria International ging ebenfalls flöten. Dort durfte Lebisch 2011 eine Kampagne gestalten: "Ein Tag, ein Kind, ein Euro“ konnte man landesweit auf Plakaten lesen. Geschäftsführer Walter Marschitz erinnert sich, dass der Vorschlag, Lebischs Agentur ComCom einzusetzen, von Lindner gekommen war, "aber ohne Druck auszuüben“. Lebisch sei ihm als Gestalter von sozialen Kampagnen bekannt gewesen. Sein Honorar habe sich in einem üblichen Rahmen von "unter 10.000 Euro“ bewegt, sagt Marschitz. Auch "Hilfswerk Österreich“-Präsident Othmar Karas will von einer Intervention Lindners zugunsten von Lebisch nichts bemerkt haben.

Gehen musste Lindner trotzdem: Vor zwei Wochen fand beim Hilfswerk eine Vorstandssitzung statt, bei der sie über ihre Absicht, das Nationalratsmandat anzunehmen, berichtete. Lindner wurde danach der Rücktritt als Präsidentin nahegelegt. Marschitz: "Wir waren der Meinung, dass es für eine Hilfsorganisation problematisch ist, wenn eine Präsidentin so stark polarisiert.“

Kurt Bergmann, Initiator der ORF-Hilfsaktion "Licht ins Dunkel“, gibt Lindner via profil einen Tipp: "Mir tut sie leid. Vor ihr liegen fünf Jahre Einsamkeit. Keine Kollegin, kein Kollege wird sie unterstützen, sie kann nichts bewirken. Mein Rat an sie: Mach einen Schlussstrich. Gib das Mandat denen zurück, denen es eigentlich gehört, und versuch deine Freunde, oder zumindest einen Teil davon, wiederzugewinnen.“

Mitarbeit: Sandra Barthel